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       # taz.de -- Frankreichs Panzer für die Ukraine: Aus Afrikas Wüsten in den Donbass
       
       > Frankreich will als erstes westliches Land der Ukraine „leichte
       > Kampfpanzer“ liefern. Der AMX-10 RC ist aus Mali bekannt.
       
   IMG Bild: Panzer oder Panzerchen? Soldaten trainieren mit einem AMX-10 RC 2012 in Frankreich
       
       Berlin taz | Frankreich will Panzer an die Ukraine liefern. Präsident
       Emmanuel Macron habe seinem [1][ukrainischen Amtskollegen Wolodimir
       Selenski] in einem Telefonat „leichte Kampfpanzer“ zugesagt, teilte das
       Präsidialamt in Paris am Mittwochabend mit. Wie viele und wann, blieb
       offen, aber Selenski freute sich in seiner Videoansprache in der Nacht zum
       Donnerstag: „Frankreich hebt die Verteidigungsunterstützung für die Ukraine
       auf ein neues Level und ich danke Präsident Macron für diese Führungsrolle.
       Das sendet ein klares Signal an alle unsere Verbündeten. Es gibt keinen
       rationalen Grund, warum die Ukraine bislang nicht mit Panzern aus dem
       Westen beliefert wurde.“
       
       Es geht um den AMX-10 RC aus den 1970er Jahren, ein bewährtes Gerät aus
       französischen Miliärinterventionen im Ausland. Der 16 Tonnen schwere
       Radpanzer mit drei angetriebenen Achsen und vier Mann Besatzung wurde einst
       konzipiert, um rasch angreifenden sowjetischen Panzerdivisionen in
       Deutschland entgegentreten zu können, deren Angriffsspitzen aufzuklären und
       hemmen zu können. Die deutsche Bezeichnung „Spähpanzer“ führt da in die
       Irre, da sie suggeriert, das Fahrzeug sei nur zu Aufklärungszwecken
       gedacht. Tatsächlich verfügt der AMX-10 RC über eine Kanone, mit der er
       beispielsweise russische Schützen- und Transportpanzer sowie T-62 Panzer
       und Infanterie bekämpfen kann, dazu zwei Maschinengewehre zum Nahkampf.
       
       Die französische Armee hat den Panzer vor allem bei Afrika-Interventionen
       eingesetzt. Er war ein zentrales Element der französischen Rückeroberung
       des Nordens von Mali 2013 durch hochmobile französische Einheiten von
       bewaffneten Islamisten. Er ist immer wieder in der 2022 beendeten
       französischen Antiterroroperation „Barkhane“ in Mali in Erscheinung
       getreten.
       
       In Afrika schätzen Regierungen den AMX-10 RC, weil kein anderer Panzer so
       problemlos große Entfernungen auch in schwierigem Terrain wie Wüste und
       Dschungel zurücklegt: bis zu 800 Kilometer ohne Auftanken mit bis zu 80
       km/h. Frankreich hat ihn an Katar, Kamerun und vor allem nach Marokko
       exportiert, wo er zur Absicherung der besetzten Westsahara gegen die
       Polisario-Unabhängigkeitsbewegung eingesetzt wird.
       
       ## Bleibt es bei den leichten Panzern?
       
       Produzent des AMX-10 RC war der französische Wehrkonzern Nexter. Dieser
       bildet mit Deutschlands Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann inzwischen den
       KNDS-Konzern, um das geplante deutsch-französische Landkampfsystem der
       Zukunft Main Ground Combat System zu entwickeln.
       
       Der AMX-10 RC wird seit 2021 [2][in Frankreich] durch den Spähpanzer Jaguar
       ersetzt. Die französische Armee gibt an, noch über 248 AMX-10 RC zu
       verfügen. Sie sollen bis 2030 durch 300 Jaguar ersetzt werden. Bisher gibt
       es davon 18, so die französische Generaldirektion für Rüstung Ende 2022.
       Das heißt, die für die Ukraine zur Verfügung stehende Anzahl von AMX-10 RC
       dürfte zunächst überschaubar sein. Fraglich ist auch, ob es genügend
       Munition dafür gibt. Der AMX-10 RC nutzt eine 105-mm-Munition, die vom
       Nato-Standard bei diesem Kaliber abweicht.
       
       Die angekündigte Lieferung belebt die Diskussion nach einer umfassenden
       Ausrüstung der Ukraine mit Panzern aus westlicher Herstellung. Diese wird
       von Experten vor allem aus zwei Gründen gefordert: Für mehr Offensivkraft,
       damit die Ukraine den russischen Aggressor aus dem Land treiben kann, und
       zum Ersatz der im Krieg schwindenden Bestände der Ukraine an
       Post-Sowjet-Ausrüstung, was einen Wechsel auf westliche Systeme
       unumgänglich macht.
       
       In den USA diskutiert die Regierung die Lieferung von Schützenpanzern vom
       Typ Bradley. In Europa zirkuliert die Debatte um die Leopard-2-Bestände.
       Mit einem Anteil von fast 50 Prozent ist der Leopard-2 der häufigste Panzer
       in EU und Nato-Europa, so das Istituto Affari Internazionali in Rom.
       
       Die Idee findet Fürsprecher in der Politik, wie die Vorsitzende des
       Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP); die
       Bundesregierung verweigert sich jedoch mit dem Argument der Aufgabenteilung
       innerhalb von Nato und EU. In Absprache mit den Alliierten bediene
       Deutschland hier den Schwerpunkt Flugabwehr und Artillerie.
       
       ## Grüne und FDP sind sich einig
       
       Der [3][grüne Vizekanzler Robert Habeck] deutete am Donnerstag in Norwegen
       an, dass sich die Bundesregierung im Lichte der französischen Entscheidung
       bewegen könnte. „Das wird sicherlich auch Einfluss auf die deutsche
       Diskussion haben“, sagte er: „Wir werden unsere Lieferungen stets den
       Erfordernissen des Schlachtfelds anpassen.“ Der Grünen-Europapolitiker
       Anton Hofreiter forderte: „Der Kanzler muss jetzt eine europäische
       Initiative starten zur Lieferung von Leopard-2-Panzern.“
       
       Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock reiste am Donnerstag zum
       deutsch-britischen strategischen Dialog nach London und erklärte, sie werde
       mit ihrem britischen Amtskollegen James Cleverly besprechen, den Ukrainern
       „mit Waffen, mit Winterhilfe und mit Sanktionen zur Seite zu stehen, damit
       sie den Krieg gewinnen“. In einer Woche wird Baerbock gemeinsam mit ihrer
       französischen Amtskollegin Catherine Colonna nach Äthiopien reisen, wo
       zuletzt der blutigste Krieg der Welt tobte – der demonstrative
       Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich soll nach Vorstellungen
       des Auswärtigen Amtes nicht auf Afrika beschränkt bleiben.
       
       Ginge es nach Grünen und FDP, hätte die Bundesregierung der Ukraine wohl
       längst Marder-Schützenpanzer und Leopard-Kampfpanzer geliefert. Die
       Einwände kommen vom Bundeskanzler, gestützt von großen Teilen seiner SPD.
       Olaf Scholz betonte in den vergangenen Monaten immer wieder, dass bisher
       kein anderes Land vergleichbare Panzer westlicher Bauart geliefert habe. Im
       Umkehrschluss hat er sich damit von Entscheidungen des Auslands abhängig
       gemacht: Nehmen andere Staaten Lieferungen auf, ist sein Argument
       hinfällig. Eindeutig wäre das der Fall, wenn die USA Bradley-Schützenpanzer
       liefern. Beim französischen AMX-10 RC ist die Sache weniger eindeutig. Er
       gehört einer speziellen Kategorie an.
       
       5 Jan 2023
       
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