# taz.de -- Berliner Wahltermin am 12. Februar: Unterm Damoklesschwert
> Dass das Bundesverfassungsgericht die Wahl noch stoppen könnte, erscheint
> irreal. Das dachten viele im Herbst aber auch über eine
> Wiederholungswahl.
IMG Bild: Am Bundesverfassungsgericht entscheidet sich, ob Berlin wirklich am 12. Februar wählt
An den Straßenlaternen hängen seit Montag Plakate, der Landeswahlleiter hat
[1][in dieser Woche im Zehlendorfer Rathaus] nochmal anschaulich das
Briefwahlverfahren erklärt, die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten sind
mehr denn je im Wahlkampfmodus, Stimmzettel liegen schon vor Ort: Berlin
steuert hochtourig auf die Wiederholung der pannengeplagten Wahl vom 26.
September 2021 auf Landes- und Bezirksebene zu. Dass da gleichzeitig beim
Bundesverfassunggericht in Karlsruhe [2][eine Beschwerde gegen die
Wiederholung] vorliegt, scheint nachrangig.
Jetzt noch eine Absage, nach all dieser Vorbereitung? Alltagsfremd,
unrealistisch, unmöglich wirkt dieser Gedanke. Alles stoppen? Was dann
beispielsweise machen mit den in dieser Woche bereits per Sofort-Briefwahl
abgegebenen Stimmen? Würde das nicht das Vertrauen in die Demokratie noch
mehr erschüttern?
Es sind ja nicht nur solche pragmatischen und emotionalen Beweggründe, die
dagegen sprechen, dass das Bundesverfassungsgericht [3][das
Wiederholungsurteil] seiner Kolleginnen und Kollegen auf der Berliner
Landesebene vom 16. November kippt. Viele kluge Juristen, [4][darunter der
taz-Rechtsexperte] in Karlsruhe, haben nachvollziehbar argumentiert, dass
das Gericht der Beschwerde nicht folgen wird, dass also der Wahltermin am
12. Februar Bestand hat.
Doch war das nicht ähnlich, bevor das Berliner Verfassungsgericht bereits
in der mündlichen Anhörung Ende September – die wegen der vielen
Betroffenen skurrilerweise in einem Hörsaal der Freien Universität
stattfand – völlig überraschenderweise ankündigte, auf eine komplette
Wahlwiederholung zuzusteuern?
Auch damals galt das als ausgeschlossen. Nochmal in einigen Wahllokalen die
Stimme abgegeben, ja, vielleicht – aber auf keinen Fall landesweit. [5][Im
Brustton der Überzeugung] hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
versichert, sie gehe nicht von einer Neuwahl aus.
Und der Präsident des Abgeordnetenhauses, ihr Parteifreund Dennis Buchner,
ließ sich noch wenige Tage vor der denkwürdigen Hörsaal-Verhandlung so
zitieren: Die Anzahl der fehlerhaft abgegebenen und daher als ungültig
gewerteten Stimmen sei zu gering, „um hier wirklich eine Relevanz zu haben
für die Frage der Zusammensetzung des Parlaments.“
Die damaligen Fehleinschätzungen scheinen einige durchaus noch im
Hinterkopf zu haben. Als in dieser Woche die Industrie- und Handelskammer
ihre [6][Erwartungen an einen künftigen Senat] vorstellte, tauchten dabei
äußerst vorsichtige Formulierungen auf wie „nach der voraussichtlichen
Wiederholungswahl“. Und dass die „zumindest nach aktuellem Stand noch“ am
12. Februar stattfinde.
Diese Wortwahl ist kein übetriebener Pessimismus, sondern nach den
Erfahrungen aus dem Herbst durchaus angemessen. Bis das
Bundesverfassungsgericht vielleicht schon in der kommenden Woche über die
Wahlwiederholung entscheidet, gleicht Berlins Situation der Geschichte um
Damokles aus der griechischen Sagenwelt. Darin hängt über der königlichen
Tafel ein Schwert von der Decke, das nur mit einem Rosshaar gesichert ist –
es kann halten, aber auch jederzeit runterfallen.
7 Jan 2023
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## AUTOREN
DIR Stefan Alberti
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