URI: 
       # taz.de -- Bericht über Einflussnahme: Haben Saudis Wikipedia infiltriert?
       
       > Das saudische Regime soll gezielt Autor*innen der Enzyklopädie
       > rekrutiert haben, um Inhalte zu beeinflussen. Wikimedia weist die
       > Vorwürfe zurück.
       
   IMG Bild: Wissen ist Macht: Saudi-Arabien hat an beidem ein Interesse
       
       Berlin taz | Saudi-Arabien soll Wikipedia-Autor*innen als Agent*innen
       rekrutiert und auf diese Weise die Plattform „infiltriert“ haben, um
       Inhalte kontrollieren zu können. Zudem wurden zwei offenbar unabhängige
       saudische Wikipedia-Administratoren zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.
       Das geht aus einer [1][Recherche] hervor, die zwei Rechtsorganisationen am
       Donnerstag veröffentlichten. Wikimedia wies die Vorwürfe am Freitag
       gegenüber der taz in Teilen zurück.
       
       Dem Bericht zufolge sind die Aktivitäten des saudischen Regimes dem
       gemeinnützigen Unternehmen Wikimedia, das hinter der Wikipedia steht, schon
       länger bekannt. Im vergangenen Jahr hat es bei Wikimedia demnach eine
       interne Untersuchung gegeben, in deren Folge das Unternehmen die
       Zusammenarbeit mit insgesamt 16 saudischen Administrator*innen
       beendete.
       
       Administrator*innen bei Wikipedia sind Ehrenamtliche, die im
       Vergleich zu den ebenfalls ehrenamtlichen einfachen Autor*innen
       zusätzliche Rechte haben. Ein Administrator kann beispielsweise
       Autor*innen sperren und entsperren oder einen Artikel schützen, sodass
       ihn niemand mehr bearbeiten kann. Administrator*innen kontrollieren
       auch, dass die Inhalte von Wikipedia-Einträgen den Richtlinien entsprechen.
       
       „Die Infiltrierung von Wikipedia ist ein weiteres Beispiel für die
       anhaltenden Bemühungen der saudischen Regierung, Online-Informationen und
       die Wissensproduktion zu kontrollieren“, sagte Mohamed Najem,
       Geschäftsführer von Smex, einer der beiden Organisationen hinter der
       Recherche.
       
       Smex setzt sich von Beirut aus für digitale Rechte in der arabischen Welt
       ein. Für die Recherche arbeitete die Organisation mit Democracy for the
       Arab World Now (Dawn) zusammen. Die Organisation sitzt in Washington und
       war unter anderem von dem 2018 ermordeten saudischen Journalisten [2][Jamal
       Khashoggi] gegründet worden.
       
       Wikimedia wies die Vorwürfe auf Anfrage der taz teilweise zurück. Die
       Organisation hatte zwar bereits im Dezember Interessenkonflikte bei 16
       Mitarbeitenden im Nahen Osten und Nordafrika (Mena) [3][eingeräumt] und
       erklärt, dass die Zusammenarbeit mit ihnen beendet wurde – allerdings
       nannte es nicht spezifisch Saudi-Arabien oder saudische Ehrenamtliche.
       
       Ein Wikimedia-Sprecher erklärte nun: „In unserer Untersuchung gab es keinen
       Hinweis auf Saudis, die unter dem Einfluss der saudischen Regierung
       handeln.“ Die Recherche von Smex und Dawn enthalte Ungenauigkeiten. „Wir
       wissen nicht, wo sich diese Freiwilligen aufhalten, aber die Sperrung von
       Freiwilligen, die möglicherweise aus Saudi-Arabien stammen, war Teil einer
       viel umfassenderen Aktion, bei der 16 Redakteur*innen in der gesamten
       Mena-Region gesperrt wurden.“
       
       ## 35 Jahre Haft
       
       Lange vor der nun aufgedeckten „Infiltrierung“ sollen laut dem Bericht von
       Smex und Dawn zudem zwei ehemalige saudische Wikipedia-Administratoren
       verhaftet worden sein. Ein Gericht, das für die Verfolgung politischer
       Gefangener zuständig ist, verurteilte die beiden im Sommer 2020 zu fünf
       beziehungsweise acht Jahren Haft. Eine der beiden Gefängnisstrafen wurde im
       vergangenen Sommer auf 35 Jahre verlängert. Den beiden Männern wird
       „Beeinflussung der öffentlichen Meinung“ und „Verletzung der öffentlichen
       Moral“ zur Last gelegt.
       
       Smex und Dawn stellen vor dem Hintergrund der mutmaßlichen saudischen
       Einflussnahme verschiedene Forderungen: Von Wikimedia fordern die
       Organisationen, dass es die Ergebnisse der internen Untersuchung aus dem
       Jahr 2022 veröffentlicht. Außerdem müsse das Unternehmen alle
       Wikipedia-Artikel untersuchen, die von Administrator*innen in
       autoritären Staaten weltweit bearbeitet wurden. Sie schlagen auch
       Warnhinweise für Artikel vor, deren Inhalt möglicherweise durch
       Regierungsaktivitäten beeinflusst wurde.
       
       Darüber hinaus betonen die beiden Rechtsorganisationen, dass vermutlich
       auch andere internationale Organisationen in Saudi-Arabien von
       Infiltrierung betroffen sind: „Es ist äußerst unverantwortlich, wenn
       internationale Organisationen und Unternehmen davon ausgehen, dass ihre
       Tochtergesellschaften jemals unabhängig von Kontrolle durch die saudische
       Regierung agieren können“, erklärte Dawn-Geschäftsführerin Sarah Leah
       Whitson.
       
       6 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://dawnmena.org/saudi-arabia-government-agents-infiltrate-wikipedia-sentence-independent-wikipedia-administrators-to-prison/
   DIR [2] /Nach-Mord-an-saudischem-Journalisten/!5843669
   DIR [3] https://lists.wikimedia.org/hyperkitty/list/wikimedia-l@lists.wikimedia.org/thread/NJUOKYM2UTKFH53OKGIXW6OSEEDUI3AL/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Saudi-Arabien
   DIR Wikipedia
   DIR Internetzensur
   DIR Medienjournalismus
   DIR Schwimmen
   DIR Saudi-Arabien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Zeitungen ohne Medienjournalismus: Medien verschwinden aus Medien
       
       Der „Tagesspiegel“ hat seine Medienseite abgeschafft und durch eine
       Fernsehrezensionsseite ersetzt. Ist das das Ende des Medienjournalismus?
       
   DIR Sportliche Weissagungen: Vereiste Wüsten, fischige Menschen
       
       Die Sportjahr 2023 mit Saudis, naturnahem Fastschnee, fortschreitender
       Fischwerdung im Schwimmsport und einer unaufhaltsamen Frankfurter
       Eintracht.
       
   DIR Abriss in Saudi-Arabien: Die Bulldozer des Prinzen
       
       Saudi-Arabiens Thronfolger will die Stadt Dschidda zu einer globalen Marke
       machen – mit Oper und Jachthafen. Zehntausende verlieren ihr Zuhause.