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       # taz.de -- Stockende Digitalisierung in Hamburg: Mit Vollgas in den Wartungsmodus
       
       > Das Hamburger Wohngeldportal sollte Anträge vereinfachen und Verfahren
       > beschleunigen. Zur Premiere ist es direkt wieder abgestürzt.
       
   IMG Bild: Schöne neue Welt: ein Blick in Hamburgs digitalisierte Zukunft
       
       Hamburg taz | Hamburg hätte gewarnt sein müssen: „Wenn es mehrere
       Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen“, prophezeit Murphy’s Law,
       „und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte
       Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.“ Das
       Gesetz, seit Jahrzehnten eine Legende in der Welt der unfreiwilligen Komik,
       warnt vor Fehlerursachen, wenn zu viele Details im Spiel sind. Gerade
       Informatiker kennen das gut.
       
       Und so kam es, wie es kommen musste: Wer im Netz „Hamburg, Wohngeld“
       suchte, und sich dann zum „[1][Online-Antrag, Serviceportal“] durchklickte,
       bekam bei der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) zu
       lesen: „Aktuell finden Wartungsarbeiten statt und der Online-Antrag ist
       nicht erreichbar. Wir bitten um Geduld.“ ERROR. Systemfehler. Kein
       Durchkommen.
       
       Dabei ist das System brandneu. Es kommt von Dataport, dem IT-Dienstleister
       der öffentlichen Verwaltung. Und der steht nicht zum ersten Mal [2][für
       Fehlleistungen in der Kritik]. Hamburgs Behörden sollen und wollen sich
       grundsätzlich digitalisieren. So aber gelingt das vorerst nicht.
       
       ## Mehr Geld für mehr Menschen
       
       Dabei hätte alles so schön sein können: Seit dem 1. Januar 2023 ist das
       Wohngeld-Plus-Gesetz in Kraft. Vergangenen Montag sollte die Sache mit dem
       Online-Antrag in Hamburg starten. Dann wäre es mit dem Antrag schneller
       gegangen als mit den alten Methoden, auf die jetzt viele nach dem
       geplatzten Portalstart zurückgriffen: Papiere ausfüllen und zur Post
       bringen, PDF downloaden, Nachweise einscannen, hochladen, E-Mail schicken.
       
       In Hamburg haben seit Kurzem dreimal mehr Menschen Anspruch auf den
       Zuschuss: bis zu 37.500. Das ist natürlich gut. Sogar noch besser ist, dass
       es auch mehr Geld gibt: bis zu doppelt so viel. Online war der Weg dahin
       allerdings versperrt. BSW-Sprecher André Stark ist anzumerken, wie peinlich
       ihm dieser „unsägliche Zufall“ ist.
       
       Das sei zwar kein Weltuntergang, sagt er der taz. „Aber ärgerlich ist das
       natürlich schon.“ Der Fehler habe die Behörde überrascht. Eine
       Benachrichtigung von Dataport habe es nicht gegeben. Die Folge: Die BSW
       wollte am Montag mit einem Tool an den Start, dessen Funktionsuntüchtigkeit
       schon Tage zuvor entdeckt worden war.
       
       Da werden Bürger, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, endlich
       höhere Zuschüsse eingeräumt, und dann können sie sie nicht geltend machen –
       zumindest nicht auf halbwegs zeitgemäße Weise, sondern nur auf Papier, was
       der bearbeitenden Behörde wiederum noch mehr zusätzliche Arbeit machen
       dürfte.
       
       ## Prüfung auf Herz und Nieren
       
       Immerhin hat die BSW angesichts der digitalen Panne am Papierberg ziemlich
       rangeklotzt, um wenigstens der ausgedruckten Flut Herr zu werden. Erste
       Entscheide ergingen schon wenige Stunden nach Inkrafttreten von
       Wohngeld-Plus. Übrigens war nicht nur Hamburg betroffen. Auch
       Schleswig-Holstein ging in den Wartungsmodus.
       
       Dataport, 4.400 MitarbeiterInnen groß und rund eine Milliarde Euro Umsatz
       schwer, macht auf seiner Website derweil vollmundig Versprechungen: „Mit
       uns gelingt die Digitalisierung“, steht da. „Neue Technologien prüfen wir
       auf Herz und Nieren. Und optimieren sie für den Einsatz im öffentlichen
       Sektor.“
       
       Man entwickle „innovative IT-Services, die Verwaltungsprozesse für Behörden
       und Bürger*innen einfach machen“. Einfacher ist gut, für alle
       Beteiligten. Aber dafür müsste es dann natürlich auch funktionieren.
       
       Hinweis: Inzwischen seien die Probleme behoben und das Portal
       freigeschaltet, teilte Dataport mit.
       
       21 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.hamburg.de/wohngeld
   DIR [2] /Demokratiedefizit-in-Kiel/!5689777
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harff-Peter Schönherr
       
       ## TAGS
       
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