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       # taz.de -- Fortnite und Trigger: Ich hab' den Schuss nicht gehört
       
       > Elternabende zur Medienerziehung sind fein. Hakelig wird es nur, wenn der
       > friedensbewegte Sozialarbeiter am Ziel vorbeischießt.
       
   IMG Bild: Man muss Fortnite nicht mögen, aber ein klassisches Killerspiel ist es auch nicht
       
       Neulich war ich mal wieder bei einem Elternabend. Dieses Mal ging es um die
       Mediennutzung unserer lieben Kleinen. Grundsätzlich war das eine
       erstaunlich sympathische Veranstaltung. Da referierte ein Sozialarbeiter,
       der sich in Hannover erfolgreich in dieser Marktlücke etabliert hatte.
       
       Zusammen mit einigen anderen [1][hat er einen Verein gegründet, der
       Workshops in Schulen] anbietet und dabei Lehrern und Eltern vor allem eines
       predigt: Interessiert euch halt mal für das, was eure Kinder da so treiben.
       Kommt mit denen ins Gespräch, nörgelt und verbietet nicht bloß, ihr werdet
       den Medienwandel eh nicht aufhalten. Kann ich so unterschreiben, dachte ich
       noch. Dann fing er an [2][über Fortnite zu reden.]
       
       Mit Tremolo in der Stimme verwies er auf „zwei Jahre Krieg vor unserer
       Haustür“ und die armen ukrainischen Kinder, die auf dem Schulhof erleben
       müssen, wie andere Kinder „Headshot“ blöken und komische Tänze aufführen.
       
       Nun kann man ja über Fortnite vieles sagen: Es ist nervig, hat einen hohen
       Suchtfaktor und ja, da wird rumgeballert, aber in so einem Comic-haftem
       Ambiente, dass es ab 12 Jahren freigegeben ist – was manche Experten
       allerdings für falsch und zu früh halten. Ich bin davon kein wahnsinnig
       großer Fan und will hier auch keine Werbung für Ballerspiele machen.
       
       Was ich aber unangenehm fand, ist diese Verknüpfung. Da wird mit dem Trauma
       anderer Kinder argumentiert – und man findet sich selbst ganz großartig
       dabei, ist geradezu gerührt vom eigenen Einfühlungsvermögen – um den
       eigenen Kindern etwas zu verbieten.
       
       Ich glaube, das stimmt so nicht. Ich erinnere mich sehr lebhaft an die
       Kinder der syrischen Geflüchteten in der Unterkunft bei uns um die Ecke,
       die ehrlich gesagt kaum etwas anderes als Krieg spielten. Ich erinnere mich
       an die tausend Geschichten meiner lieben Alten, die in der
       Trümmerlandschaft der Nachkriegszeit spielten – na was wohl? Und an die
       afghanischen Jungs, die im Jugendzentrum mit Begeisterung Fortnite zockten.
       
       Es gibt da, glaube ich, ein grundsätzliches Missverständnis, wie
       Traumatisierungen und Trigger funktionieren. Es war selten das
       Offensichtliche, die Darstellung oder das Spiel, das diese traumatisierten
       Kinder zurück in die Hölle schickte. Das kann (manchmal, nicht immer) sogar
       benutzt werden, um Dinge zu bewältigen oder wenigstens zu thematisieren.
       
       Als Trigger funktionierten dagegen die idiotischen, kleinen Dinge im
       Alltag, die kein Mensch vorhersehen und beherrschen kann: das Aufklatschen
       einer Sportmatte auf den Hallenboden; das Geräusch einer Konservendose, die
       im Supermarktgang auf den Boden fällt und für den Bruchteil einer Sekunde
       klingt wie ein Schuss; der Brandgeruch, der plötzlich ins Klassenzimmer
       weht, weil nebenan jemand Laub verbrennt.
       
       Keine Chance, [3][da eine Triggerwarnung dran zu kleben]. Keine Chance,
       daraus Verhaltensmaßregeln abzuleiten. Aber das taugt natürlich nicht für
       Elternabende.
       
       29 Jan 2023
       
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