# taz.de -- Branchenverband für „Bürgerrente“: Versicherer wollen mehr Staatsgeld
> Der Lobbyverband der Branche fordert eine neue staatliche Förderung für
> die private Altersvorsorge. Der Bund soll jeden Euro mit 50 Cent
> bezuschussen.
IMG Bild: Versicherer wissen die Angst vor Altersarmut für ihre Geschäfte zu nutzen
Berlin taz | Die deutsche Versicherungswirtschaft nimmt [1][nach dem
Scheitern der Riester-Rente] einen weiteren Anlauf, um das Geschäft mit der
staatlich geförderten Altersvorsorge ausbauen zu können. Sie fordert, dass
der Staat jeden Euro, den Kund:innen in eine privaten Altersvorsorge
stecken, mit 50 Cent bezuschusst. Das Modell soll „Bürgerrente“ heißen.
„Nach über zwei Jahrzehnten ohne grundlegende Änderungen braucht die
private Altersvorsorge einen Neuanfang“, sagte Norbert Rollinger, Präsident
des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), am
Donnerstag in Berlin.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte 2002 unter anderem mit der
Riester-Rente die Teilprivatisierung der Altersversorgung eingeleitet.
Damals wurden die Ansprüche künftiger Rentner:innen erheblich gekürzt,
im Gegenzug begann die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge.
Ein zentrales Argument: Die Bürger:innen sollten von den steigenden
Erträgen an den Kapitalmärkten profitieren. Aufgrund niedriger Zinsen und
hoher Kosten, etwa für die Vermittlungsprovisionen und Verwaltung, sind mit
der Riester-Rente die gerissenen Löcher aber nicht zu stopfen.
Bei Versicherern sind die Verträge unpopulär. Denn die Anbieter müssen
garantieren, dass bei Rentenbeginn mindestens die gesamten gezahlten
Beiträge und die staatlichen Zulagen zur Verfügung stehen. Sie tragen also
das Kapitalmarktrisiko. Es gebe kaum noch Riester-Angebote von
Versicherern, sagte Rollinger.
Die staatliche Förderung soll nach den Vorstellungen des Lobbyverbands bis
zu einer Grenze von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der
[2][gesetzlichen Rentenversicherung] erfolgen, das wäre ein Beitrag bis zu
knapp 300 Euro. Neu ist: Die Versicherer wollen bei diesen Verträgen nicht
mehr garantieren, dass mindestens die gesamten Einzahlungen für die Rente
zur Verfügung stehen. Sie wollen das nur für 80 Prozent des Kapitals
garantieren. Dadurch soll ermöglicht werden, dass das Geld ertragreicher am
Kapitalmarkt angelegt und die neuen Verträge profitabler als die
Riester-Rente werden, sagte Rollinger.
## Einflussreicher Lobbyverband
Die Assekuranz kann neue Verkaufsimpulse gut brauchen. Die Geschäfte laufen
nicht mehr so gut wie früher. Im Jahr 2022 sanken die Beitragseinnahmen im
Bereich Lebensversicherung, zu dem die private Altersvorsorge gehört, um 6
Prozent auf 97,1 Milliarden Euro.
Die Organisation Finanzwende, die sich als Interessenvertretung der
Bürger:innen versteht, lehnt das Modell ab. „Mit der GDV-Rente liefern
die Versicherer eine Lösung für sich, aber nicht für die Bürger“, sagte
Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin bei Finanzwende. Das Kernproblem für
Kund:innen bei den Altersvorsorgeverträgen – die viel zu hohen Kosten –
werde nicht angegangen. „Stattdessen wollen sie künftig noch mehr
Steuergeld in die eigenen Kassen lenken“, sagte Langenberg.
Finanzwende [3][warnt vor dem Einfluss des GDV]. Kein anderer Verband oder
anderes Unternehmen habe 2022 so viel Geld für Lobbyarbeit im Bundestag und
in Ministerien ausgegeben. Bei der Einführung der Riester-Rente habe der
Verband eine tragende Rolle gespielt. Damit sei eine Form der privaten
Altersvorsorge geschaffen worden, die vor allem Rendite für die
Finanzwirtschaft erzeugt – die Rente vieler Menschen aber kaum verbessert
habe.
26 Jan 2023
## LINKS
DIR [1] /Kritik-an-Riester-Rente/!5765953
DIR [2] /Zukunft-der-gesetzlichen-Rente/!5786389
DIR [3] https://www.finanzwende.de/kampagnen/finanzlobby-in-die-schranken-weisen/aktion-gdv-ist-deutschlands-top-lobbyist/
## AUTOREN
DIR Anja Krüger
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