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       # taz.de -- Nach Räumung von Lützerath: RWE fehlen noch Grundstücke
       
       > Der Ort Lützerath ist geräumt, aber RWE gehören noch nicht alle
       > Grundstücke im geplanten Kohleabbaugebiet. Drohen weitere Enteignungen?
       
   IMG Bild: Lützerath wird für den Tagebau Garzweiler II schon mal abgerissen, 16. Januar 2023
       
       Berlin taz | Was kommt nach der Räumung des massiven Antikohleprotests im
       nordrhein-westfälischen Lützerath? Die Landtagsabgeordnete Antje Grothus
       (Grüne) befürchtet: mehr Konflikte in der Region, in der der Energiekonzern
       RWE [1][seinen Tagebau Garzweiler ausweiten will]. Es gebe nämlich noch
       Grundstücke, die im geplanten Abbaugebiet liegen, aber nicht RWE gehören.
       
       Laut Grothus wollen die Eigentümer:innen nicht an den Konzern
       verkaufen, sie habe direkten Kontakt zu ihnen gehabt. Die Grüne warnt, es
       würden „langwierige und juristisch unsichere Enteignungen“ drohen. „Um den
       sozialen Frieden der Region in den nächsten Jahren zu wahren, ist eine
       Neuplanung des Tagebaus notwendig“, sagt die Politikerin. „Er muss so
       geführt werden, dass RWE niemandem mehr seinen Acker wegnimmt.“ Seit vielen
       Jahren ist sie selbst Teil des lokalen [2][Protests gegen RWE].
       
       Sie ist eine der wenigen Grünen, die den Kompromiss zu Lützerath öffentlich
       kritisiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und
       NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten mit RWE eine
       Vereinbarung zur weiteren Kohlenutzung getroffen: Der Konzern stellt sein
       letztes Kohlekraftwerk 2030 statt erst 2038 vom Netz. Dafür darf er in der
       Energiekrise manche der klimaschädlichen Anlagen länger laufen lassen und
       unter anderem [3][unter Lützerath Kohle fördern].
       
       Das ist lange geplant, die ursprünglichen knapp über 100
       Einwohner:innen sind längst umgesiedelt. Stattdessen siedelten sich
       Klimaaktivist:innen an, um die Kohle unter dem Ort vor der
       klimaschädlichen Verbrennung zu bewahren. Der Ort selbst gehört RWE.
       
       Das gilt nicht für alle Grundstücke in der Umgebung, die der Energiekonzern
       abbaggern möchte. „Im Geltungsbereich des jüngst zugelassenen
       Hauptbetriebsplans 2023–25 des Tagebaus Garzweiler haben wir in der Tat
       noch nicht alle Flächen unter Vertrag“, räumte ein RWE-Sprecher gegenüber
       der taz ein. „Das ist aber normale Praxis.“ Es sei üblich, dass der Bergbau
       „die Inanspruchnahme von Ackerflächen“ nach und nach regele.
       
       ## Der „letzte Lützerather“
       
       Zur Größe der fraglichen Flächen und der Anzahl der Eigentümer:innen
       machte RWE keine Angaben. Mit Enteignungen rechnet der Konzern nicht.
       „Grundabtretungsverfahren sind die absolute Ausnahme und enden in der Regel
       noch vor einem Urteil, doch mit der von RWE in allen Fällen angestrebten
       gütlichen Einigung“, sagte der RWE-Sprecher.
       
       Das muss nicht so harmonisch ablaufen, wie es klingt: Der Landwirt
       [4][Eckardt Heukamp etwa galt lange als letzter Lützerather], der seinen
       Hof nicht an RWE verkaufen wollte. Er war noch vor Ort, als
       Klimaaktivist:innen ihr Lager aufschlugen. Nach Jahren der
       Auseinandersetzung gab er im vergangenen Frühjahr auf und verkaufte – vor
       Erschöpfung.
       
       David Dresen von der lokalen Initiative „Alle Dörfer bleiben“ sagt zur
       aktuellen Situation: „Der Konflikt um Lützerath ist wegen der gewaltvollen
       Räumung ohnehin stark aufgeladen.“ Komme es zu Enteignungen, verlören die
       Grünen „auch noch den letzten Rest Glaubwürdigkeit als Klimaschutzpartei“.
       
       Sie hätten in ihrem Wahlprogramm vor der Bundestagswahl 2021 versprochen,
       keine Menschen mehr für Braunkohle zu enteignen, argumentiert Dresen. Im
       Wahlprogramm steht allerdings etwas anderes: „Den durch den
       Braunkohletagebau Garzweiler von Enteignung und Vertreibung bedrohten
       Menschen muss das Land Nordrhein-Westfalen endlich Planungs- und
       Rechtssicherheit für Erhalt und Zukunft ihrer Dörfer geben. Dies wollen wir
       im Bund mit den richtigen Rahmenbedingungen unterstützen.“
       
       Man könnte mit Verweis auf den von vielen Klimaaktivist:innen
       ungeliebten RWE-Deal argumentieren, dass die Grünen ihr Versprechen schon
       erfüllt haben. Die Vereinbarung gab zwar Lützerath zur Abbaggerung frei,
       [5][rettete aber fünf ursprünglich bedrohte Dörfer], die sogar noch bewohnt
       sind.
       
       16 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://open.spotify.com/episode/6J2J65IhDYNhqzyUoFrkLy?si=8f2ccb0d4cbe4d8c
   DIR [2] /Proteste-gegen-die-Raeumung-von-Luetzerath/!5906173
   DIR [3] /Polizeigewalt-in-Luetzerath/!5906163
   DIR [4] /Der-Hausbesuch/!5719920
   DIR [5] /Bundeskabinett-zum-Kohleausstieg/!5888960
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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