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       # taz.de -- Der Wahlkampf und die Berliner Clubszene: Keiner glänzt mit der Clubkultur
       
       > Stell Dir vor, es ist Wahlkampf und die Parteien entdecken lauter
       > Berlin-Themen. Nur die Clubkultur spielt keine Rolle. Unser Kolumnist
       > wundert sich.
       
   IMG Bild: Mit der Clubkultur will wohl keine Partei im Wahlkampf kämpfen (Diskokugel im Club Golden Gate)
       
       Auf Wahlplakaten sollen ja Kernanliegen einzelner Parteien schlagwortartig
       proklamiert werden. Vor allem für diejenigen, die keine Lust oder keine
       Zeit dafür haben, sich mühsam durch die schwammig formulierten
       Wahlprogramme zu wühlen. Von den grünen Innenhöfen, die geschützt gehören,
       bis hin zu mehr „Klartext“ gegenüber Straftätern ist da aktuell wieder für
       jeden Geschmack etwas dabei.
       
       Nur Slogans wie „Clubkultur schützen“ oder „Mehr Partys wagen“ konnte ich
       bislang nirgendwo finden. Nicht einmal Klaus Lederer, Schutzherr der
       Berliner Clubszene, spricht die Thematik in dieser Form an. Scheint gerade
       überall Wichtigeres zu geben.
       
       Immerhin hat nun die [1][Berliner Clubcommission] bei großen Parteien außer
       der AfD deren „clubkulturelle Positionen“ erfragt. Wie stehen diese zur
       weiteren Förderung von Lärmschutzmaßnahmen bei Clubs, damit es in Zukunft
       weniger entnervte Nachbarn gibt? Zu beschleunigten Genehmigungsverfahren
       bei Open-Air-Veranstaltungen? Zu Drug-Checking, um das Nehmen von Drogen –
       die ohnehin genommen werden – für Konsumenten sicherer zu machen?
       
       Die großen Parteien – außer die AfD – haben ja längst allesamt erkannt, wie
       wichtig die Clubs als Wirtschaftsfaktor und für das Standortmarketing sind.
       Dementsprechend gilt schon lange nicht mehr, dass die sich als links und
       progressiv verstehenden eher wohlwollender auf den Partyhedonismus blicken
       und die konservativeren sich für weniger Lotterleben und
       After-Hour-Dekadenz aussprechen würden.
       
       ## Wer hat's gemacht? Die CDU …
       
       Die CDU verweist sogar darauf, dass es einer der ihren war, ein gewisser
       [2][Heinz Zellermeyer], der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg die Abschaffung
       der Sperrstunde durchsetzte. Der Gründungsvater der Berghain-Exzesse war
       demnach, wenn man so will, ein Schwarzer. Wäre man ja auch nicht unbedingt
       darauf gekommen, wenn man mal Youtube-Clips gesehen hat, in denen CDUler
       auf dem Dancefloor eher ungelenk abhotten.
       
       Grundsätzlich lässt sich somit aus den Antworten zum Fragenkatalog der
       Clubcommission herauslesen, dass letztlich alle der genannten Parteien
       unbedingt möglichst alles dafür tun wollen, den Clubstandort Berlin zu
       sichern. Mit erwartbaren Differenzen – etwa beim Drogenthema. Drogen sind
       nicht gut, man sollte keine Drogen nehmen, das ungefähr ist hier die
       Position der CDU. Mehr fällt der Partei ja auch zur geplanten Legalisierung
       von Cannabis nicht ein.
       
       Wirklich spannend und durchaus originell liest sich die Stellungnahme von
       Kai Wegners Partei zum kontrovers diskutierten Weiterbau der A100. Die FDP
       ist hier wenigstens offen und ehrlich: Wir brauchen unbedingt diese
       Autobahn, deren Fertigstellung bekanntlich Clubs wie das About:Blank und
       die Wilde Renate zum Opfer fallen würden.
       
       Die CDU aber stellt nun die dialektisch interessante These in den Raum: Nur
       [3][die A100] wird diese Clubs nicht verschwinden lassen, sondern sie im
       Gegenteil retten. Denn falls die Autobahn nicht kommt, würden die Clubs
       geplanten Wohnungen weichen müssen. Die CDU jedoch habe den genialen Plan,
       Autobahnfertigstellung und Clubrettung durch einen Tunnel zu vereinen. Dann
       könne oben die Party weitergehen und unterirdisch trotzdem durch die Stadt
       gebrettert werden. Warum in diesem Fall die Clubs nicht den angedachten
       Wohnungen weichen müssten, dazu erfährt man von der CDU leider nichts.
       
       Eine viel größere Bedrohung für den Bestand Berliner Clubs, fügt sie dann
       noch hinzu, sei aber sowieso der geplante Ausbau von Fahrradwegen. Auf
       diese Form von Whataboutism muss man auch erst einmal kommen.
       
       2 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.clubcommission.de/
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz_Zellermayer
   DIR [3] /Autobahnausbau-in-Berlin/!5907905
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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