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       # taz.de -- Schnellfähre für Spiekeroog: Nur ein Sandhaufen unter vielen
       
       > Wer nach Spiekeroog wollte, musste das wirklich wollen, weil die Insel so
       > schlecht zu erreichen war. Das ist Vergangenheit: Der Anfang vom Ende?
       
   IMG Bild: Funktionsjackenträger:innen wissen: Auf Spiekeroog soll alles bleiben, wie es ist
       
       [1][Ach Spiekeroog], jetzt hat es dich erwischt. Eine Schnellfähre verkehrt
       seit Montag ab Neuharlingersiel mit dir, drei bis acht Mal täglich soll die
       „WattnExpress“ bis zu 50 Fahrgäste befördern, zusätzlich zu den großen,
       langsamen Fährschiffen, die nur tidenabhängig auslaufen können, wenn das
       Wasser hoch genug in der Fahrrinne steht. Das bedeutete früher, dass an
       manchen Tagen nur zwei Fähren fuhren und die oft zu so bescheuerten Zeiten,
       dass sich ein Wochenendtrip oder gar ein Tagesausflug nicht lohnte.
       
       Aber gerade das machte doch deinen Reiz aus! Wer nach Spiekeroog fuhr,
       musste das wirklich wollen, musste dich meinen und nicht [2][irgendeinen
       anderen Sandhaufen] im ostfriesischen Wattenmeer.
       
       Deshalb drängten sich durch deine schmalen Gassen nie so viele
       Tagestourist:innen wie auf den anderen Inseln, solche, die nicht ihr
       Herz in deiner Dünenlandschaft weiten, sondern in kurzer Zeit viel Geld in
       Frittenbuden und Nippesläden lassen wollen. Die werden sich auf dir noch
       seltener an den Strand verlaufen, einen ganzen Kilometer vom Ortskern
       entfernt!
       
       Das macht dich nicht zur Top-Destination für den Urlaub mit Kindern, die
       sich vor jedem Ausflug an den Strand über den Fußmarsch echauffieren und
       der mich dazu zwingt, alles, aber auch wirklich alles einzupacken, was man
       an so einem Strandtag gebrauchen könnte.
       
       ## Radfahrer und Hunde unerwünscht
       
       Aber ich habe immer gedacht, eines Tages, wenn die Kinder keine Lust auf
       Urlaub mit mir haben oder ich keine auf Urlaub mit ihnen, dann kehre ich zu
       dir zurück und bin eine der mittelalten bis alten
       Funktionsjackenträger:innen, denen jegliche Neuerung auf der Insel ein Dorn
       im Auge ist und die sich insgeheim über die vielen Verbote freuen.
       „Spießeroog“ habe ich oft gedacht beim Anblick der
       Radfahren-Verbotsschilder im Ort, weil eine Gasse dort wirklich eine Gasse
       ist und die Unfallgefahr hoch.
       
       Auch auf den anderen autofreien Nachbarinseln ist das Radfahren nicht
       immer und überall erlaubt, aber die Spiekerooger wollen Radler:innen
       selbst außerhalb des Ortes nicht haben, jedenfalls dann nicht, wenn sie nur
       zum Urlaub auf der Insel sind.
       
       Deshalb gibt es keinen Fahrradverleih auf der Insel, heißt es auf der
       Homepage der Kurverwaltung; und dass die Wege so kurz seien, „dass man
       eigentlich kein Fahrrad benötigt“. Sie könnte noch hinzufügen, dass man
       jetzt verdammt noch mal entschleunigen solle, das sei nämlich der unique
       selling point Spiekeroogs.
       
       Auch Hunde sieht man dort wegen der zahlreichen vom Aussterben bedrohten
       Vogelarten selbst angeleint nicht gerne, deshalb schlägt die Fähr-Überfahrt
       mit saftigen 46,40 Euro zu Buche, während Langeoog nur 31 Euro nimmt und
       Juist lächerliche elf Euro.
       
       ## Erinnerungen an größenwahnsinnigen Reeder
       
       Ach Spiekeroog, wie lange wirst du dir diese Eigenheiten noch leisten
       können? Ist die Schnellfähre der Anfang vom Ende, weil sie ein Zugeständnis
       an die Bedürfnisse der Urlauber:innen, ach was, an die aller Menschen
       ist, denen es nie schnell genug gehen kann?
       
       Klingt das nicht auch aus der Pressemitteilung der Kurverwaltung zum Start
       der Schnellfähre heraus: „Inselbewohner:innen, Zweitwohnungsbesitzer:innen,
       Urlaubsgäste und Handwerker:innen sind immer weniger bereit, sich dem
       Rhythmus der Gezeiten anzupassen.“ Nur so sei zu erklären, warum immer mehr
       Passagiere das teure Wassertaxi genommen haben.
       
       Wassertaxi? Das erinnert an diesen größenwahnsinnigen und mittlerweile
       [3][wegen Betrugs verurteilten Bremer Reeder]. Der wollte vor 20 Jahren
       alles anders haben, zeitgeistiger. Er baute Hotels, kaufte Läden und
       Ferienhäuser, auch Schnellboote gehörten zu seiner Flotte, weil die Fähre
       zu selten fuhr.
       
       Auch damals befürchtete ich wie so viele, die Ambitionen des Reeders würden
       deinen Charme vernichten und dich zu einer von Vielen werden lassen, aber
       er vernichtete nur sich selbst, und du bist immer noch du.
       
       Und weißt du, so ein [4][Wochenendtrip wäre wirklich mal wieder ganz
       schön].
       
       5 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Stress-auf-Spiekeroog/!5198933
   DIR [2] /Milchbuden-auf-Borkum/!5572899
   DIR [3] /Reeder-in-Bedraengnis/!5266899
   DIR [4] https://www.spiekeroog.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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