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       # taz.de -- „Bali“-Debatte um die Letzte Generation: Rückflug wird „letzter des Lebens“
       
       > Zwei Klimaaktivist*innen sollen mit dem Flugzeug nach Bali gereist
       > sein. Hier antworten die beiden auf die Kritik während ihrer Reise in
       > Thailand.
       
   IMG Bild: „Wie kommen wir ohne Flugzeug nach Südostasien? Über die Seidenstraße mit Zug und Bus!“
       
       Da in anderen Medien über unser „Schwänzen“ spekuliert wurde, wollen wir
       hier persönlich Stellung zu den Vorwürfen nehmen, [1][wir seien nach Bali
       geflogen und hätten uns einem Gerichtstermin entzogen]. Nun ist es aber so,
       dass wir momentan nicht auf Bali in der Sonne liegen und wir in unserem
       Leben dort auch noch nie waren.
       
       Wir haben unseren Prozess als Zeugin und Angeklagter tatsächlich nicht
       wahrgenommen, allerdings in Austausch mit dem Gericht. Wir befinden uns
       seit ziemlich genau vier Monaten in Südostasien, gerade in Thailand.
       Stimmt, hierfür mussten wir auch ins Flugzeug steigen.
       
       Bevor wir diese Reise, die ein langjähriger Traum von Luisa ist, angetreten
       haben, machten wir uns sehr viele Gedanken und redeten mit vielen Menschen
       und waren uns selbst nicht sicher, ob wir es mit unserem Gewissen
       vereinbaren können, in ein Flugzeug zu steigen. Wir haben uns aber, wie
       bekannt, dafür entschieden. Diese Entscheidung ist natürlich
       diskussionswürdig.
       
       1,4 Tonnen C02-Äquivalent: So viel hat unser Flug pro Person von München
       nach Bangkok in etwa verursacht. Diesen Berg an Treibhausgasen wollten wir
       so gering wie möglich halten. Das Effektivste wäre natürlich gewesen, die
       Reise gar nicht erst anzutreten. Da wir uns aber dazu entschlossen haben,
       uns diesen Traum zu erfüllen, war der nächste Gedanke: Wie kommen wir ohne
       Flugzeug nach Südostasien? Über die Seidenstraße mit Zug und Bus!
       
       ## Wir machen uns ständig Gedanken, wie es besser geht
       
       Doch dafür herrschen gerade zu viele grausame Konflikte in dieser Welt: der
       russische Angriffskrieg, der syrische Bürgerkrieg, die türkischen Invasoren
       im Nordirak, die Machtergreifung der Taliban, die Spannungen in der
       Kaschmir-Region und der Militärputsch in Myanmar, um nur einige auf der
       Route nach Südostasien zu nennen.
       
       Nach Luft- und Landweg blieb noch der Wasserweg, doch auch dieser führte
       nach langer Recherche in eine Sackgasse. Also doch per Flugzeug, am besten
       in der Economy-Class, was anderes lässt nicht nur das CO2-Konto nicht zu.
       Dann eine Fluggesellschaft mit möglichst kerosinsparenden Flugzeugen und
       nonstop, um energieintensive Starts zu vermeiden.
       
       Nachdem uns dieser Flug noch immer beschäftigt und wir auch wieder zurück
       nach Deutschland kommen müssen, machen wir uns ständig Gedanken, wie es
       besser geht. Dabei ist uns ein eklatanter Fehler aufgefallen. Wir hätten
       verschiedene Möglichkeiten kombinieren müssen.
       
       Mit Zug und Bus wäre nicht in München Schluss gewesen, wir hätten in den
       Iran gekonnt und erst dort in ein Flugzeug steigen können. Doch leider ist
       das durch die momentanen Proteste und deren brutale Niederschlagung und
       Unterdrückung für die Rückreise absolut nicht möglich. Aber es ist
       problemlos möglich, aus der Türkei ohne Flugzeug nach Deutschland zu
       kommen.
       
       ## Reine Individualkritik hilft auch nicht weiter
       
       Der Flug in die Türkei wird der letzte unseres Lebens. Doch spielt es eine
       Rolle, dass wir nicht nur für eine Woche mit dem Flugzeug verreist sind?
       Nein, die Emissionen sind die gleichen. Es macht auch keinen Unterschied,
       dass wir sonst versuchen, möglichst treibhausgasarm zu leben. Jedes Gramm
       CO2-Äquivalent ist eines zu viel und jede Tonne erst recht. Doch denken
       wir, dass nicht Klimaaktivist*innen in eine besondere Pflicht
       genommen werden müssen, sondern jede*r nach menschs Möglichkeiten.
       
       Doch diese Möglichkeiten müssen in so rasanter Weise erweitert werden, dass
       sie nur durch die Politik beschlossen werden können. Es muss aber auch
       Aufgabe der Politik sein, für das [2][Klima] schlechte Entscheidungen, wie
       die unsere, zu verhindern und in gute zu lenken. Stattdessen werden
       Debatten über den priorisierten Ausbau von Autobahnen, Werbekampagnen für
       die Tierindustrie und vieler weiterer sogenannter Klimakiller geführt,
       ohne eine solche Welle der Empörung wie die gegen uns auszulösen,
       geschweige denn irgendeine.
       
       Wir können die Diskussionen zum Thema nachvollziehen und freuen uns über
       eine sachliche und fundierte Debatte. Wir sind dennoch weiterhin der
       Überzeugung, dass reine Individualkritik nicht zu den großen Veränderungen
       beitragen wird, die wir so dringend benötigen.
       
       2 Feb 2023
       
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