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       # taz.de -- Übersterblichkeit in Deutschland: Extrem hohe Sterbezahl im Dezember
       
       > In der Woche vor Weihnachten sind rund 7.000 Menschen mehr als erwartbar
       > verstorben. Ein Grund könnte die Grippewelle sein.
       
   IMG Bild: Ein Urnengrab ist die häufigste Bestattungsform in Deutschland, Krematorium in Rheinland-Pfalz
       
       Berlin taz | Die gute Nachricht vorab. Die Wellen der Atemwegserkrankungen
       in Deutschland sind Anfang Januar deutlich abgeflaut. Nicht nur [1][die
       mittlerweile 8. Coronawelle] hat deutlich an Schwung verloren, auch die
       Infektionen mit den RS-Viren und Influenza sind stark rückläufig. Im
       Dezember haben sie aber offenbar stark zugeschlagen.
       
       Allein in der Woche vor Weihnachten starben rund 7.000 Menschen mehr als
       eigentlich erwartet. Das geht aus Zahlen hervor, [2][die das Bundesamt für
       Statistik am Dienstag veröffentlicht hat]. Das [3][Institut Euromomo, das
       die Sterblichkeitszahlen in Europa analysiert], bezeichnet die
       Übersterblichkeit in der vorletzten Dezemberwoche als „extrem hoch“. Das
       ist das höchstmögliche Level in der Euromomo-Skala. Kein anderes
       europäisches Land hat ähnliche Werte.
       
       Übersterblichkeit ist ein statistischer Wert, mit dem ungewöhnliche
       Anhäufungen von Todesfällen erkannt werden können. Dazu wird die
       durchschnittliche Zahl der Toten aus einem Vergleichszeitraum berechnet und
       mit aktuellen Werten verglichen. In der 51. Kalenderwoche waren laut
       Bundesamt für Statistik in den Jahren 2018 bis 2021 im Median 20.777
       Menschen gestorben. In der 51. Woche des Jahres 2022 waren es laut
       vorläufigen Zahlen 27.912. Demnach lag die Übersterblichkeit bei rund 34
       Prozent.
       
       Das ist der höchste Wert des Jahres 2022. Selbst im Sommer, [4][als die
       Zahl der Toten durch die Hitzewellen im Juli stark gestiegen war], hatte
       die Übersterblichkeit nur bei maximal 24 Prozent gelegen.
       
       Die Ursache für die deutlich gestiegene Totenzahl lässt sich aktuell nur
       vermuten. Auch in den ersten beiden Jahren der Coronapandemie war an oder
       kurz vor Weihnachten die Sterbeziffer auf ein Rekordniveau geklettert. Laut
       Robert-Koch-Institut wurden Ende 2021 bis zu 6.000 Corona-Tote pro Woche
       gezählt. Ein Jahr später waren es rund 2.500.
       
       Im Dezember 2022 aber hat das RKI deutlich weniger Corona-Opfer registriert
       – laut noch vorläufigen Zahlen waren es rund 800 je Woche. Corona allein
       kann also für die extremen Daten kaum verantwortlich sein.
       
       Die Vermutung liegt daher nahe, dass die herkömmliche Grippewelle viele
       Opfer gefordert hat. Die hatte in diesem Winter ungewöhnlich früh bereits
       Ende Oktober begonnen und ihren Höhepunkt Mitte Dezember erreicht. In
       diesem Zusammenhang sei auch „die Zahl bakterieller Sekundärinfektionen mit
       teils schweren Krankheitsverläufen“ angestiegen, [5][heißt es im jüngsten
       Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza]. Demnach mussten Mitte
       Dezember rund doppelt so viele Influenzapatient:innen ins
       Krankenhaus wie Covid-19-Patient:innen.
       
       Ob die Influenza tatsächlich für die extremen Totenzahlen verantwortlich
       war, wird sich erst in der Rückschau erkennen lassen. Das ist bei
       Grippewellen nicht unüblich. Nach der letzten heftigen Welle, die
       Deutschland im Frühjahr 2018 getroffen hatte, hatte das RKI im Nachhinein
       die Zahl der Opfer auf 25.000 geschätzt. Berechnet wurde auch dieser Wert
       aufgrund der beobachteten Übersterblichkeit. Während der Welle waren nur
       rund 1.600 Opfer per Laborbefund bestätigt worden.
       
       17 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Coronazahlen-vom-1612023/!5908837
   DIR [2] https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Corona/Gesellschaft/bevoelkerung-sterbefaelle.html
   DIR [3] https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/
   DIR [4] /Hitzetote-in-Deutschland/!5873299
   DIR [5] https://influenza.rki.de/Wochenberichte/2022_2023/2023-01.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gereon Asmuth
       
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