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       # taz.de -- Unterbezahlte Hilfskräfte: Uni soll Tarif zahlen
       
       > SPD und Grüne in Hamburg wollen bessere Arbeitsbedingungen für
       > studentische Beschäftigte von ihrem Senat prüfen lassen.
       
   IMG Bild: 2011 war der Traum der studentischen Mitarbeiter:innen vom Tarifvertrag schnell wieder geplatzt
       
       Hamburg taz | Prekäre Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte sind
       an deutschen Hochschulen schon lange ein Thema. Sie sind besonders stark
       von Kettenverträgen, fehlendem Mitspracherecht und lausiger Bezahlung
       betroffen und von dem sonst geltenden Tarifvertrag der Länder an
       Hochschulen ausgenommen.
       
       Nun gibt es in Hamburg einen Vorstoß, um diesen Missstand zu beenden. SPD
       und Grüne haben dazu am Mittwoch in der Bürgerschaft einen gemeinsamen
       Antrag an den Senat gestellt. Darin fordern sie, zu prüfen, wie eine
       Mindestvertragsdauer von zwölf Monaten für studentische Beschäftigte
       gesetzlich verankert werden kann. Derzeit ist laut der Gewerkschaft Ver.di
       die große Mehrheit, nämlich 70 Prozent der studentischen Beschäftigten, mit
       Laufzeiten von nur zwei bis vier Monaten angestellt. Außerdem soll sich der
       Senat auf Bundesebene für einen Tarifvertrag einsetzen.
       
       Der Hamburger Linksfraktion ist das nicht genug. Sie hat einen Zusatzantrag
       gestellt, in dem sie eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten ab dem
       Wintersemester 2023/24 und Personalräte für studentische Beschäftigte
       fordert. Stephanie Rose, die wissenschaftspolitische Sprecherin der
       Linksfraktion, erklärt dazu: „Wenn der Senat es ernst meint mit der ‚Stadt
       der guten Arbeit‘, braucht er unseren konkreten Maßnahmenkatalog und nicht
       nur die vagen Prüfaufträge aus dem Antrag der Regierungsparteien.“
       
       ## Bezahlung knapp über Mindestlohn
       
       Diese Forderungen unterstützt auch die gewerkschaftlich organisierte
       Initiative „TVStud Hamburg“, die sich seit drei Jahren für einen
       Tarifvertrag auf Landes- sowie auf Bundesebene einsetzt. Auch wenn man den
       Vorschlag von SPD und Grünen als „einen ersten guten Schritt“ anerkenne,
       reiche das noch nicht aus, sagt Ludwig Ipach von TVStud Hamburg, der
       wissenschaftliche Hilfskraft an der Uni Hamburg ist. Denn: „Wir leisten an
       der Universität sehr anspruchsvolle Arbeit und werden knapp über
       Mindestlohn bezahlt.“
       
       Der Druck, sich für die Verlängerung des Arbeitsvertrages ständig beweisen
       zu müssen, sorge dafür, dass [1][widrige Arbeitsbedingungen] in Kauf
       genommen werden. Ipach berichtet, dass „die studentischen Angestellten ihr
       Urlaubsrecht oft nicht wahrnehmen oder [2][Krankheitstage nacharbeiten]“
       würden. Da ständig neue Verträge abgeschlossen werden müssen, komme es
       außerdem zu einer „stetig bürokratischen Überforderung“ an den Hochschulen.
       „Studierende arbeiten deswegen oft vor Vertragsbeginn oder darüber hinaus“,
       sagt Ipach. Auch das Gehalt komme öfter zu spät an. „Dass die studentischen
       Beschäftigten in Hamburg explizit aus dem Personalvertretungsgesetz
       ausgenommen sind, erschwert es, gegen diese Verstöße des Arbeitsrechts
       vorzugehen.“
       
       Kritik an den Forderungen kommt laut TVStud Hamburg vor allem von den
       Kanzler*innen der Hochschulen in Hamburg. Die argumentieren, dass ein
       Tarifvertrag zu teuer sei. Für Ipach ist das nicht überzeugend. „Es ist für
       das gesamte Wissenschaftssystem besser, wenn wirkliche Arbeitsstellen
       geschaffen werden, statt studentische Beschäftigte weiterhin als
       Lohndrücker zu nutzen.“ Es sei dann vor allem „die Aufgabe der
       Landesregierung zu gewährleisten, dass die Wissenschaft ausreichend
       finanziert ist, um gute Arbeitsplätze zu gewährleisten“. Präsident und
       Kanzler der Universität Hamburg wollen sich auf Anfrage der taz nicht zum
       Thema äußern.
       
       Schwung in die Debatte hat eine bundesweite Studie zur Situation der
       studentischen Beschäftigten gebracht, die am Freitag veröffentlicht wird.
       Die Untersuchung hat TVStud gemeinsam mit der Bremer Uni auf den Weg
       gebracht, nachdem die Tarifrunde der Länder weitere Verhandlungen nur nach
       einer Bestandsaufnahme der Situation zugesagt hatte.
       
       ## Berlin ist Vorreiter in Sachen Tarif
       
       Sie umfasst die Befragung von 11.000 studentischen Angestellten, davon rund
       900 aus Hamburg. Eines der Ergebnisse ist, dass studentische Angestellte in
       Berlin die besten Arbeitsbedingungen haben, was darauf zurückzuführen ist,
       dass es dort im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern [3][einen
       Tarifvertrag gibt].
       
       Wann sich die Situation der studentischen Beschäftigten jenseits von Berlin
       konkret verbessern könnte, ist ungewiss. Miriam Block, Sprecherin für
       Wissenschaftspolitik der Grünen-Fraktion Hamburg, erwartet, „dass
       spätestens im Sommer 2023 an den Hochschulen eine Vertragslaufzeit von
       mindestens zwei Semestern gilt“. Der aktuelle Antrag aus der Bürgerschaft
       sieht allerdings zunächst nur die Prüfung einer möglichen Umsetzung vor.
       
       Auf Bundesebene setzt die TVStud Hamburg große Hoffnung in Andreas Dressel
       (SPD), den Hamburger Finanzsenator, der derzeit auch Vorsitzender des
       Arbeitgeberverbandes der Länder ist. Er soll sich bei der Tarifrunde
       deutscher Länder (TdL) für einen Tarifvertrag nach Berliner Vorbild für die
       über 300.000 studentischen Beschäftigten einsetzen. Bislang ist das von der
       Mehrheit der TdL-Mitgliedsländer abgelehnt worden. Die nächste Chance
       bietet die Tarifrunde im Herbst 2023.
       
       19 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR Paul Weinheimer
       
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       Celia Bouali hat mitgekämpft und am neuen Buch zur Kampagne mitgearbeitet.