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       # taz.de -- Bundesanwaltschaft gegen Reichsbürger: Anklage statt Lauterbach-Entführung
       
       > Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen fünf Reichsbürger: Sie sollen
       > einen Umsturz und die Entführung des Gesundheitsministers geplant haben.
       
   IMG Bild: Terroranklage gegen fünf Reichsbürger: Sie sollen die Entführung des Gesundheitsministers geplant haben
       
       Berlin taz | Der Vorwurf lautet auf Bildung einer terroristischen
       Vereinigung und Vorbereitung eines „hochverräterischen Unternehmens gegen
       den Bund“. Am Montag teilte die Bundesanwaltschaft mit, dass sie Anklage
       gegen fünf Reichsbürger:innen erhoben hat. Sie werden beschuldigt,
       einen Umsturz und die [1][Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl
       Lauterbach (SPD)] geplant zu haben.
       
       Bereits im April 2022 waren die vier Reichsbürger Sven B., Michael H.,
       Thomas O. und Thomas K. in Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersachsen und
       Brandenburg [2][festgenommen worden]. Im Oktober folgte dann die Festnahme
       der [3][75-jährigen Sächsin Elisabeth R.]
       
       Die Gruppe soll sich spätestens Mitte Januar 2022 zusammengefunden, über
       Telegramgruppen wie „Vereinte Patrioten“ vernetzt und dort nach weiteren
       Unterstützer:innen gesucht haben. Zwischen Dezember 2021 und Februar
       2022 hätten laut Anklage auch vier Treffen in Hessen, Niedersachsen,
       Rheinland-Pfalz und Thüringen stattgefunden, mit Beteiligung von weiteren
       Gleichgesinnten.
       
       ## Personenschützer sollten gegebenenfalls getötet werden
       
       Das Quintett fungierte dabei laut Bundesanwaltschaft als Rädelsführer und
       in zwei Armen. Sven B., Thomas K. und Thomas O. hätten zum „militärischen
       Zweig“ gehört, Elisabeth R. und Michael H. zum „administrativen Zweig“.
       Ihren Umsturz sollen sie in drei Stufen geplant haben – und die
       Vorbereitungen waren dabei offenbar durchaus konkret.
       
       Zunächst sollte ein bundesweiter Blackout herbeigeführt werden. Der
       Rheinland-Pfälzer Thomas O. soll hierfür bereits mehrere Objekte der
       Strominfrastruktur ausgespäht und Kartenmaterial besorgt haben. Die Anlagen
       sollten beschädigt oder zerstört werden, um für einen längeren,
       bundesweiten Stromausfall zu sorgen. Auch Thomas K. war hierfür offenbar
       vorgesehen.
       
       Der Brandenburger Finanzbuchhalter Sven B. wiederum soll federführend die
       Entführung von Lauterbach geplant haben. Dafür sollten gegebenenfalls auch
       dessen Personenschützer getötet werden. Die Reichsbürger erwarteten sich
       nach der Entführung laut Anklage den Ausbruch von Unruhen.
       
       Dann wird der Plan wild: Mittels einer „False Flag“-Aktion, die Michael H.
       geplant habe, sollten Schauspieler Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
       oder Kanzler Olaf Scholz in einer Livesendung im Fernsehen imitieren und
       verkünden, dass die Bundesregierung abgesetzt sei und wieder die Verfassung
       von 1871 gelte. Danach sollte in Berlin eine „konstituierende Versammlung“
       zusammentreten, die Sven B. militärisch absichern sollte. In einer neuen
       Regierung hätte das Quintett dann „zentrale Funktionen“ übernommen, so die
       Anklage.
       
       ## Gruppe suchte intensiv nach Waffen
       
       Auch wenn der Plan abwegig klingt, meinten es die Festgenommenen offenbar
       ernst. Laut Anklage sollen Thomas O. und Sven B. versucht haben, mehrere
       Tonnen Sprengstoff und Waffen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu besorgen.
       Sven B. soll dafür Gelder transferiert und auch selbst welches eingezahlt
       haben. Auch Thomas K. soll sich bereit erklärt haben, eigene Schusswaffen
       beizusteuern.
       
       Am Ende war es Thomas O., der festgenommen wurde, als er bei einem von
       Ermittlern fingierten Verkaufstreffen zwei vollautomatische AK 47
       Sturmgewehre und vier Glock-Pistolen samt Munition entgegennahm.
       
       Elisabeth R., eine pensionierte Lehrerin, sei bei alledem für die Anwerbung
       potentieller Mitstreiter:innen beschäftigt gewesen und habe auf eine
       rasche Umsetzung des Plans gedrängt, so die Bundesanwaltschaft. Immer
       wieder habe sie dafür Termine ins Spiel gebracht. Auch habe sie
       Schriftsätze für die Gruppe verfasst.
       
       Die Anklage wurde bereits am 16. Januar erhoben, aber erst jetzt publik
       gemacht. Der Prozess gegen die Gruppe soll vor dem Oberlandesgericht
       Koblenz verhandelt werden. Lauterbach dankte am Montag den Ermittlern für
       die Festnahmen und seinen Personenschützern: „Die BKA-Beamten riskieren ihr
       Leben für uns. Das ist eine große Leistung.“
       
       23 Jan 2023
       
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