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       # taz.de -- Nachfolge für Transsexuellengesetz: Nächste Etappe zur Selbstbestimmung
       
       > Seit Monaten liegen die Eckpunkte für das geplante
       > Selbstbestimmungsgesetz vor. Nun scheinen die zuständigen Ministerien vor
       > einer Einigung.
       
   IMG Bild: Beim ihm liegt gerade der Referentenentwurf zum Gesetz: Justizminister Marco Buschmann (FDP)
       
       Berlin taz | Monatelang wurde der Gesetzentwurf für das geplante
       Selbstbestimmungsgesetz zwischen Justiz- und Familienministerium hin und
       her geschoben. Jetzt scheint es aber einige Einigung zu geben. Wie
       Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) [1][dem Tagesspiegel sagte], ist
       der Entwurf „weitgehend abgeschlossen“. Gegenüber der taz bestätigte ein
       Mitarbeiter des Familienministeriums: Nun werden Details geklärt. Wann der
       Gesetzentwurf fertiggestellt wird, liegt wohl an terminlichen Fragen.
       
       Sven Lehmann (Grüne), Queerbeauftragter der Bundesregierung und
       Staatssekretär des Familienministeriums, übte nach Buschmanns Äußerung
       [2][auf Twitter Druck auf Buschmann aus]: „Es wäre wichtig, wenn es endlich
       grünes Licht dafür gäbe, damit wir mit der Gesetzgebung starten können. Das
       diskriminierende Transsexuellengesetz muss dieses Jahr abgelöst werden, das
       sind wir den Menschen schuldig.“
       
       [3][Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz] stellten Buschmann und
       Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bereits im Juni letzten Jahres
       vor. Darin wurde bekannt gegeben, dass es künftig eine einheitliche
       Regelung für alle transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und
       intergeschlechtlichen Menschen geben wird, die ihren Geschlechtseintrag
       oder ihre Vornamen ändern wollen. Geschlechtsangleichende Maßnahmen sind
       nicht Teil des geplanten Selbstbestimmungsgesetzes.
       
       Das Selbstbestimmungsgesetz soll das seit 1981 geltende
       [4][Transsexuellengesetz] ablösen, da es in Teilen als verfassungswidrig
       erklärt wurde. Momentan sind zwei psychologische Gutachten nötig, um den
       Geschlechtsantrag anzupassen. Dabei werden teils intime Fragen gestellt
       wie: „Wie oft masturbieren Sie wöchentlich?“
       
       ## Verbände warten auf den Entwurf
       
       Dass diese Praxis entwürdigend ist, erkennt auch Buschmann in einem
       [5][Interview mit der Zeit] an: „Der Staat muss die geschlechtliche
       Identität respektieren, die eine Bürgerin oder ein Bürger hat. Deshalb darf
       er Personen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen wollen, nicht durch
       quälende Verfahren zwingen.“
       
       Doch im Bundesjustizministerium scheint man Sorge zu haben vor [6][Männern,
       die ihren Geschlechtseintrag anpassen, um in Frauenschutzräume zu dringen].
       So äußerte sich Buschmann Anfang Januar im gleichen Interview mit der Zeit,
       dass geprüft werden müsse, inwiefern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
       ausgesetzt werden können, wenn eine Betreiberin einer Frauensauna einer
       Person angeknüpft an die äußere Erscheinung den Zutritt verweigern könne.
       
       Aktivist_innen beobachten diese Äußerungen kritisch. So sagte Kalle
       Hümpfner vom Bundesverband Trans*: „Wir erleben, dass seit einigen Wochen
       Marco Buschmann von vermeintlich nicht geklärten Fragen spricht.“ Das
       Selbstbestimmungsgesetz solle [7][nicht dazu führen, dass das AGG
       ausgehebelt werde]. „Es ist wichtig, dass nicht unterschieden wird zwischen
       trans Personen, die operiert sind, und solchen, die nicht operiert sind.“
       
       Für Hümpfner ist wichtig, dass das Selbstbestimmungsgesetz bald kommt und
       der Referent_innenentwurf den Verbänden zur Abstimmung geschickt wird:
       „[8][Wir kennen die Eckpunkte]. Die Selbstauskunft wird ausschlaggebend
       sein. Dass das Verfahren vorm Standesamt geführt wird, ebenso.“
       
       Ähnlich äußerte sich Nora Eckert, Vorständin bei TransInterQueer: „Es soll
       so niedrigschwellig wie möglich sein. Wünschenswert wäre, wenn
       Namensänderung und Personenstandsänderung ab 14 ohne Zustimmung der
       Sorgeberechtigten möglich würde.“ Nach den aktuellen Eckpunkten haben
       [9][14-Jährige die Möglichkeit, ihren Geschlechtsantrag anzupassen], die
       Eltern müssen zustimmen. Tun sie das nicht, haben Jugendliche die
       Möglichkeit, vor das Familiengericht zu ziehen.
       
       Eckert bewertet das kritisch: „Man muss sich die Situation vorstellen, wenn
       die Sorgeberechtigten nicht zustimmen: Da ist eine junge Person mit ihren
       Problemen. Dazu kommen die Schwierigkeiten mit den Eltern, und dann sollen
       sie im Konfliktfall noch vor das Familiengericht gehen. Das soll einem
       [10][14-Jährigen abverlangt] werden.“ Im Moment ist den meisten
       LGBTIQ+-Verbänden wichtig, dass das Selbstbestimmungsgesetz überhaupt
       vorangebracht wird.
       
       6 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesspiegel.de/politik/justizminister-marco-buschmann-der-staat-muss-die-geschlechtliche-identitat-respektieren-9288621.html
   DIR [2] https://twitter.com/svenlehmann/status/1621984008656535553?s=20
   DIR [3] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/199382/1e751a6b7f366eec396d146b3813eed2/20220630-selbstbestimmungsgesetz-eckpunkte-data.pdf
   DIR [4] /Transrechte-in-Deutschland/!5903898
   DIR [5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-01/marco-buschmann-selbstbestimmungsgesetz-atomkraft-silvesternacht-interview/seite-3
   DIR [6] /Verzoegerung-von-Selbstbestimmungsgesetz/!5904850
   DIR [7] /Debatten-ueber-Selbstbestimmungsgesetz/!5905243
   DIR [8] /Mehr-Anerkennung-fuer-trans-Menschen/!5861282
   DIR [9] /Transgender-Kinder-und-Jugendliche/!5798327
   DIR [10] /Transgender-in-jungen-Jahren/!5882654
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicole Opitz
       
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