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       # taz.de -- Ein tiefer Fall kommt selten allein: Mehr als Pool und Wanne
       
       > Was haben der Politiker John Profumo und Königsbruder Prinz Andrew
       > gemeinsam? Beiden wurde von einflussreichen Männern junge Mädchen
       > vermittelt.
       
   IMG Bild: Christine Keeler 1963 in London
       
       Der Swimmingpool auf dem englischen Landsitz Cliveden ist berühmt. Jedes
       Jahr findet in Cliveden ein renommiertes Literaturfestival statt, aber die
       meisten Besucher wollen den Swimmingpool sehen. Er ist unbeheizt und nicht
       besonders groß, aber er bietet eine interessante Geschichte.
       
       1961 zog hier Christine Keeler nackt ihre Bahnen und wurde anschließend vom
       Kriegsminister John Profumo abgetrocknet. Profumo war ein fast 30 Jahre
       älterer, verheirateter Mann, der nach dem Abtrocknen mit Keeler eine Affäre
       begann.
       
       All das wäre kein Problem gewesen, wenn Keeler nicht gleichzeitig noch mit
       Jewgeni Iwanow, einem Agenten des sowjetischen Militärgeheimdiensts GRU,
       geschlafen hätte. Orchestriert wurden Keelers sexuelle Dienste von Stephen
       Ward, einem Osteopathen und Hobbymaler. Der gesellschaftlich perfekt
       vernetzte Ward hatte ein ähnliches Geschäftsmodell entwickelt wie 40 Jahre
       später [1][der amerikanische Geschäftsmann Jeffrey Epstein.] Beide Herren
       vermittelten junge Mädchen an einflussreiche Männer.
       
       Die 19-jährige Keeler und die 17-jährige Virginia Giuffre, die 2001 mit
       Prinz Andrew schlafen musste, hatten einiges gemeinsam. Sie waren schon in
       ihrer Jugend missbraucht worden und wehrten sich daher lange Zeit nicht.
       Als sie dann doch bei der Polizei aussagten, glaubte man ihnen kein Wort.
       Erst nachdem die Presse die Skandale aufgriff, änderte sich etwas. Ward und
       Epstein wurden von ihren einflussreichen Freunden über Nacht fallengelassen
       und angeklagt. Ward beging 1963 Suizid, Jeffrey Epstein 2019.
       
       ## Sex- statt Spionageskandal
       
       Welche Politiker und Geschäftsmänner Epstein erpresste, ist bis heute nicht
       aufgeklärt worden. Aber dank einer neuen Auswertung der Memoiren von Iwanow
       wissen wir nun endlich, was er plante. Stephen Ward verschaffte ihm Zugang
       zu Profumo. Der konservative Kriegsminister Profumo galt als wichtiger
       Geheimnisträger. Er war in die Verhandlungen mit den Amerikanern über das
       Polaris-U-Boot-Programm involviert und kannte Details über die geplanten
       Atomwaffenlieferungen an die BRD.
       
       Bevor Iwanow jedoch ans Ziel kam und Profumo erpressen konnte, eskalierte
       die Situation. Die Presse deckte die Sex-Affäre auf, Profumo log daraufhin
       das britische Unterhaus an und musste zurücktreten. Für das britische
       Establishment war es die beste Lösung. Die Profumo-Affäre ging dadurch als
       Sex- und nicht als Spionageskandal in die Geschichte ein.
       
       Auch Stephen Wards illustrer Bekanntenkreis, darunter Prinz Philip, konnte
       aus der Sache herausgehalten werden. Der Ehemann der Queen mochte schöne
       Frauen und war öfters aushäusig. Auf einem abgelegenen Korridor in Cliveden
       kann man heute noch die Zeichnungen finden, die Stephen Ward 1961 von Prinz
       Philip und Christine Keeler anfertigte.
       
       Philips Sohn, Prinz Andrew, hatte sechzig Jahre später allerdings weniger
       Glück. Die Ehrerbietung der Presse gegenüber den Royals war mittlerweile
       abhandengekommen. Andrew wurde dank britischer Journalisten zum
       bekanntesten Kunden Epsteins. Virginia Giuffre verklagte ihn und bekam
       [2][außergerichtlich circa 12 Millionen Pfund zugesprochen.] Damit schien
       die Sache beendet.
       
       Mittlerweile hat Andrew es sich jedoch wieder anders überlegt und will das
       Geld zurückhaben. Neue Anwälte und PR-Berater sollen jetzt seinen Ruf
       retten. Diese Mammutaufgabe treibt bereits bizarre Blüten. Der Daily
       Telegraph veröffentlichte ein Foto von zwei Leuten, die schwer verrenkt in
       einer Badewanne lagen und Prinz-Andrew- und Giuffre-Masken trugen. Das Foto
       sollte belegen, dass die authentische Wanne zu klein für Sexspiele gewesen
       wäre.
       
       Kenner zeigten sich von dem Foto nicht überzeugt. Vielleicht hätte Andrew
       sich also doch lieber an Profumo ein Vorbild nehmen sollen. Nach seinem
       tiefen Fall hatte der 40 Jahre lang in der Obdachlosenhilfe gearbeitet. Für
       Andrew scheint diese Option jedoch zu anstrengend zu sein. Er hat einfach
       kein Talent für Wohltätigkeit.
       
       7 Feb 2023
       
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