URI: 
       # taz.de -- Essen im Übermaß: Verbietet „All you can eat“!
       
       > Ein „All you can eat“-Restaurant in Norden will eine Strafgebühr für
       > nicht angerührte Teller einführen. Das Problem liegt aber am
       > Vollfress-Prinzip.
       
   IMG Bild: Lecker, Schnitzel! Wer sich einfach nur auftut, ohne zu probieren, soll in Norden Strafe zahlen
       
       Der Chef eines Asia-Restaurants in Norden hat die Nase voll davon, jeden
       Tag kiloweise Reste wegzuwerfen. Er will künftig eine Strafgebühr erheben,
       wenn Leute sich am Büfett den Teller vollschaufeln und das Zeug nachher
       stehen lassen. Klingt doch erst einmal gut, gegen Lebensmittelverschwendung
       sind wir schließlich alle. Er ist auch nicht der erste, der auf diese Idee
       kommt. In den Kommentarspalten häufen sich folgerichtig die
       Beifall-Klatscher.
       
       Der Haken ist nur: Wer die Leute mit dem Angebot „All you can eat“ (zu
       Deutsch: „Friss, bis du platzt“) in sein Restaurant lockt, trägt erst
       einmal selbst zu einer Haltung bei, die Essen nicht besonders wertschätzt.
       Und wer stellt eigentlich fest, wie viel Liegengelassenes zu viel ist? Der
       Restaurantchef spricht von vollen Tellern, die nicht einmal angerührt
       werden. Muss dann irgendeine arme Servicekraft mitzählen, wie oft man mit
       der Gabel darin herumgestochert hat oder nicht? Was ist, wenn das Essen
       schlicht nicht schmeckt?
       
       Dass hungrige Augen größer sind als der Magen, ist ein allgemein
       menschliches Phänomen. Kinder zum Aufessen zu zwingen, ist übrigens der
       sicherste Weg, ihnen eine Essstörung anzutrainieren – weil man ihnen auf
       diese Weise beibringt, das natürliche Sättigungsgefühl zu ignorieren.
       
       Das ist bei Erwachsenen nicht anders, [1][unsere zunehmend adipöse
       Gesellschaft] ist der Beweis. Wer Gäste erziehen will, sollte vielleicht
       den wichtigsten Grundsatz der Pädagogik überhaupt beherzigen: keine
       Erziehung ohne Beziehung.
       
       ## Hilfe am Buffet kann für soziale Kontrolle sorgen
       
       Statt Strafgebühren zu kassieren, könnten kleinere Teller am Büfett stehen,
       daneben eine freundliche Auffüllhilfe, die etwas zu den Speisen sagt,
       [2][zu ihrer Wertschätzung beiträgt] und ganz nebenbei – allein durch die
       soziale Kontrolle, die aus einem Paar menschlicher Augen spricht –
       blindwütiges Vollschaufeln verhindert.
       
       Oder die Kellner*innen könnten höchst besorgt nachfragen, warum es denn
       nicht geschmeckt habe, wenn der Teller voll stehenbleibt. Jeder normale
       Mensch würde sich beim nächsten Mal zweimal überlegen, wie voll er diesen
       macht. Aber das setzt voraus, dass im Restaurant genug qualifiziertes
       Personal herumläuft.
       
       Das läuft natürlich dem „All you can eat“-Prinzip entgegen, das letztlich
       darauf zielt, Personal einzusparen. Vielleicht ist die Lösung doch eine
       Strafzahlung für geizige Gastronomen. [3][Wer seine Ware verramscht und]
       auf Massenabfütterung setzt, sollte jedenfalls nicht rumheulen, wenn er die
       Kunden bekommt, die er verdient.
       
       Oder noch besser: „All you can eat“ verbieten. Viel gerechter wäre ja
       ohnehin das Prinzip „comida a kilo“, wie es in vielen südamerikanischen
       Ländern üblich ist. Da bedient sich der Gast selbst am Buffett, lässt den
       Teller an der Kasse wiegen und zahlt Summe x pro 100 Gramm. So macht man
       keine Mischkalkulation auf, die am Ende immer darauf setzen muss, [4][dass
       sich die Vielfraße] und die Spatzenesser irgendwie die Waage halten.
       
       12 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Dickfeindlichkeit-in-der-Pandemie/!5773258
   DIR [2] /Supermarkt-verschenkt-Lebensmittel/!5911311
   DIR [3] /Verstoesse-gegen-Mehrwegpflicht/!5911169
   DIR [4] https://www.spiegel.de/panorama/china-all-you-can-eat-restaurant-erteilt-hausverbot-weil-mann-zu-viel-isst-a-829b2e06-2b3f-42f3-a1f9-62d43e5caec5
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
       ## TAGS
       
   DIR Lebensmittel
   DIR Gastronomie
   DIR Verschwendung
   DIR Ernährung
   DIR Erziehung
   DIR WHO
   DIR Müll
   DIR Lebensmittelrettung
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Globale Ernährungssicherheit: Lokalen Wegen eine Chance
       
       Anstatt neue Abhängigkeiten zu schaffen, sollten die Industrienationen
       lokale Projekte vor Ort fördern. Die Höfe vor Ort müssen eigene Lösungen
       finden.
       
   DIR Verstöße gegen Mehrwegpflicht: Unverschämter Müll
       
       Lebensmittelgeschäfte müssen Mehrweggeschirr anbieten. Halten sich die
       großen Ketten daran? Die Deutsche Umwelthilfe hat das geprüft.
       
   DIR Supermarkt verschenkt Lebensmittel: Essen für die goldene Tonne
       
       In Osnabrück verschenkt ein Einzelhändler unverkäufliche Lebensmittel in
       einer goldenen Tonne. Das soll auch dem Containern vorbeugen.
       
   DIR Dickfeindlichkeit in der Pandemie: Die Corona-Wampe als Feind
       
       Viele freuen sich dieser Tage auf die Rückkehr der „alten Normalität“. Eine
       Normalität, die für dicke Menschen oft Diskriminierung bedeutet.