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       # taz.de -- Leuchtturmprojekt im Thüringer Wald: Die Oberhofwichtigen
       
       > In Thüringen wird bei der Biathlon-Weltmeisterschaft aberwitzig hoch
       > subventionierter Eventsport gefeiert. Zumindest die Boomer sind aus dem
       > Häuschen.
       
   IMG Bild: Millionen für Elitesportler: In Oberhof bündeln sich die Sportinvestitionen
       
       Während das [1][Ministerium für alberne Gänge (Ministry of silly walks)]
       leider nur in der Welt von Monty Python existierte, gibt es den
       Oberhofbeauftragten der Thüringer Landesregierung wirklich. Hartmut
       Schubert heißt der Mann, und solche Typen im Sondereinsatz für Land und
       Leute sollten häufiger berufen werden. Warum nicht einen
       Weißwurstbeauftragten in München installieren oder einen
       Bocholtbeauftragten in NRW?
       
       Die Konzentration auf das Wesentliche läuft in Thüringen, und nichts ist
       wichtiger in diesen Tagen als Oberhof. Es ist oberwichtig. Und die
       Oberhofwichtigen feiern derzeit den hoch subventionierten Eventsport, erst
       im Zuge der Rodel-WM und nun bei den Biathlon-Weltmeisterschaften. Mit
       Fantastillionen haben sie die Sportanlagen „ertüchtigt“, ein netter
       Euphemismus für die Betonierung von Steuergeld, das Primat des
       Leistungssports zum Zwecke der Profilierung von wenigen.
       
       [2][Der Oberhofbeauftragte] wird unterstützt von einer Steuerungsgruppe,
       einer Kernsteuerungsgruppe, der AG Infrastruktur Biathlon, dem Zweckverband
       Thüringer Wintersportzentrum und noch allerlei anderen silly Gremien, die
       allesamt dokumentieren, wie ein Dorf mit 1.300 Einwohnern oberhofiert
       werden kann, wenn man nur will. Der gemeine Tourist zahlt in diesen Tagen
       der loipelnden Ballerei über 250 Euro die Nacht für ein Zimmer in Oberhof,
       und die betuchte Familie darf im [3][mit knapp 20 Millionen Euro
       subventionierten Luxushotel] schon mal 500 Euro pro Übernachtung ausgeben.
       Leuchtturmprojekt sagen Politiker zu solchen Investmentstandorten wie
       Oberhof. Und stünde so ein Leuchtturm tatsächlich [4][auf dem Grenzadler]
       nahe der Biathlonarena, dann würde er winters zumeist in die Wolle dicker
       Wolken piksen, denn Oberhof ist verschrien als Nebelnest.
       
       Dass jetzt zu Beginn der WM die Sonne scheint und sogar ein bisschen Schnee
       liegt, gilt selbst in der Thüringer Presse, die das Treiben überwiegend
       jubelnd begleitet, als schicksalhafte Fügung – nach dem Motto: Petrus ist
       ein Oberhofer, und hoch überm Rennsteig thront noch ein weiterer
       Oberhofbeauftragter.
       
       ## Das Lourdes der Zweikampffreunde
       
       Die Massen ziehen mit, singen [5][das Rennsteiglied im Zehn-Minuten-Takt],
       essen Bratwürste sonder Zahl und stöhnen laut auf, wenn ein deutscher
       Birkebeiner die Schießscheibe verfehlt. Sie sind glücklich ihrem
       Fernsehsessel entstiegen, von dem aus sie jede Biathlonübertragung
       konsumieren: Was Lourdes für die Kranken und Siechen, ist Oberhof für die
       Zweikampffreunde – sowie Antholz oder die Pokljuka (das „die“ ist ganz
       wichtig).
       
       Stundenlang senden die Öffis für ein altes Publikum; die Boomer gucken
       Biathlon, die vielleicht deutscheste aller Sportarten. 63 Prozent sind
       älter als 60 Jahre und 82 Prozent über 50. Die Mixed-Staffel am Mittwoch,
       bei der die enthusiasmierten Biathlon-Boomer viele „Uuuhs“ und „Aaahs“
       wegen der Minderleistungen ihrer Lieblinge über die Strecke schickten,
       [6][sahen zur Kaffee-und-Kuchen-Zeit 3,64 Millionen], aber nur 0,37
       Millionen in der, wie es heißt, werberelevanten Zielgruppe zwischen 14 und
       49 Jahren.
       
       So crashte der Marktanteil von 32,6 Prozent (alle) auf 20,9 (wichtige
       Zuschauer). Egal, die Sache läuft für Oberhof. Die Touristinfo schickt
       „weltmeisterliche Grüße“, der Oberhofbeauftragte versendet seine Visionen
       via Funk und Fernsehen. Nur der gemeine Langläufer schaut dieser Tage in
       die Röhre, will er zu einer Fahrt nach Oberhof und einer Rennsteigtour
       aufbrechen. Das Event-Nest ist komplett abgeriegelt für den
       Individualverkehr.
       
       Man muss halt Opfer bringen für das große Ganze, und es wird noch
       interessant werden, wie Oberhof gewisse Widersprüche lösen wird. Es sind
       nicht nur Traditions-Touris, die mit der Wellness-Hautevolee fremdeln. Die
       Fokussierung auf Oberhof führt überall im Thüringer Wald zu Neidkomplexen
       und Fragen der sinnvollen Nachnutzung von scheißteuren Sportanlagen. Warum
       kriegen die alles und wir nichts? Gott sei Dank gibt es einen
       Oberhofbeauftragten der Landesregierung, der sich darum kümmert.
       Zickezacke, zickezacke, einszweidrei.
       
       10 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=TNeeovY4qNU
   DIR [2] https://finanzen.thueringen.de/themen/wm-und-oberhofbeauftragter
   DIR [3] https://www.thegrandgreen.de/
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Grenzadler_(Oberhof)
   DIR [5] https://www.rennsteig.de/wandern/rennsteiglied
   DIR [6] https://www.dwdl.de/zahlenzentrale/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
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