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       # taz.de -- Urteil gegen Kinderbuchverbot: Happy End für lesbische Prinzessinnen
       
       > In Litauen wurde ein Märchenbuch verboten, das queere Paare zeigt. Nun
       > gibt der EGMR der Autorin recht. Litauen muss Strafe zahlen.
       
   IMG Bild: Litauen betrachtet homosexuelle Partnerschaften als „Verachtung für die Werte der Familie“
       
       Berlin taz | Schon wieder Streit [1][zwischen Amber Heard und Johnny Depp?]
       Nicht ganz. Das Buch, um das es dem Europäischen Gerichtshof für
       Menschenrechte (EGMR) geht, nennt sich „Amber Heart“ – und die Signifikanz
       dieses Märchens hat sich das EGMR nun zu Herzen genommen.
       
       Am Montag verurteilte der EGMR Litauen zu 12.000 Euro Schadenersatz und
       5.000 Euro Prozesskosten, da das Land gegen das Märchen vorgegangen war.
       Das Buch war im Jahr 2013 von der litauischen Universität mit einem
       Zuschuss des Kulturministeriums veröffentlicht worden und lehnt sich an
       traditionelle Märchen an.
       
       Der [2][Unterschied zu konventionellen] Erzählungen des Genres liegt bei
       „Amber Heart“ darin, dass die sechs Geschichten Themen wie Migration,
       Behinderung, Rassismus und Mobbing thematisieren. Zwei Geschichten handeln
       zudem von romantischen Beziehungen und Eheschließungen zwischen
       gleichgeschlechtlichen Paaren, was bei Familienverbänden für Aufruhr
       sorgte.
       
       Dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) zufolge zählt Litauen
       neben Bulgarien, Rumänien oder Polen zu den wenigen EU-Ländern, in denen
       die gleichgeschlechtliche Partnerschaft rechtlich nicht anerkannt wird. So
       gibt es in Litauen weder die eingetragene Lebenspartnerschaft noch die Ehe
       für alle.
       
       ## Queere Geschichten gefährlich für Kinder unter 14?
       
       Nach den Beschwerden sah sich die Aufsichtsbehörde für Journalistische
       Ethik das Märchenbuch, geschrieben von Neringa Dangvydė, genauer an – und
       kam zum Schluss, dass die zwei genannten Erzählungen nicht mit dem Artikel
       4 Paragraph 2 Satz 16 des Gesetzes über „den Schutz von Minderjährigen vor
       schädlichen Auswirkungen öffentlicher Informationen“ übereinstimmten.
       
       Das Gesetz besagt, dass jede Information als negative Auswirkung für
       Minderjährige interpretiert wird, die eine „Verachtung für die Werte der
       Familie zum Ausdruck bringt“ oder „ein anderes Konzept von Ehe und
       Familiengründung als das in der Verfassung oder im Bürgerlichen Gesetzbuch
       verankerte“ fördert. Der Verkauf des Buches wurde zwischenzeitlich gestoppt
       und schon ausgelieferte Exemplare wurden mit einem Warnhinweis versehen. Es
       sei gefährlich für Kinder unter 14, hieß es. Das Buch richtet sich an Neun-
       bis Zehnjährige.
       
       Die Autorin Dangvydė, auch bekannt unter dem Namen Neringa Macatė, legte
       eine Zivilklage gegen den Verlag ein. Die Gerichte wiesen ihre Klage ab mit
       der Begründung, der Verlag habe im Einklang mit dem nationalen Recht
       gehandelt.
       
       ## Kinder sollen Respekt für alle lernen
       
       Daraufhin reichte die Autorin am 22. November 2019 eine [3][Beschwerde beim
       EGMR ein] und berief sich auf die Freiheit der Meinungsäußerung sowie das
       Diskriminierungsverbot. Die litauische Autorin, die selbst offen lesbisch
       lebte, brachte zudem vor, dass das Gesetz zum Schutz von Minderjährigen als
       Vorwand genutzt werde, um die Verbreitung von positiven Informationen über
       die queere Community zu unterbinden.
       
       Dieser Beschwerde gab das EGMR nun recht. So würden in den beiden
       Geschichten homosexuelle Paare nicht stärker hervorgehoben als andere
       Paare. Da die Geschichten Respekt für alle Mitglieder der Gesellschaft
       propagierten, sollte Kindern der Zugang nicht verwehrt werden.
       
       Dangvydė selbst bekam die Entscheidung nicht mehr mit: Die litauische
       Autorin verstarb im Alter von 44 Jahren im März 2020, seitdem war das
       Verfahren von ihrer Mutter weitergeführt worden. Das Buch hingegen ist
       [4][online zugänglich] für alle – und kann nicht nur litauische, sondern
       Kinder weltweit beglücken.
       
       24 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Johnny-Depp-vs-Amber-Heard/!5856363
   DIR [2] /Petition-der-Woche/!5790982
   DIR [3] https://hudoc.echr.coe.int/app/conversion/pdf/?library=ECHR&id=003-7292567-9939175&filename=Grand%20Chamber%20hearing%20Macate%20v.%20Lithuania.pdf
   DIR [4] http://amberheart.lt/book.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Shoko Bethke
       
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