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       # taz.de -- Debatte um Leopard-2-Panzer: Genie oder Getriebener
       
       > Olaf Scholz machte bei der Debatte um die Kampfpanzer-Lieferung
       > öffentlich kein gutes Bild. Ob er letztendlich doch Gewinner ist, bleibt
       > im Dunkeln.
       
   IMG Bild: Olaf Scholz spricht vor einem Kampfpanzer Leopard 2 nach einer Übung zu Soldaten (Oktober 2022)
       
       Souverän sah Olaf Scholz auf dem Weg zur Leopard-Lieferung nicht aus. Er
       konnte nie stringent erklären, warum der Ukraine-Krieg ausgerechnet durch
       westliche Kampfpanzer eskalieren sollte. Er ließ Zeit verstreichen, die nun
       wohl fehlt, um die Fahrzeuge vor einer möglichen russischen
       Frühjahrsoffensive an die Front zu schicken. Und als exponiertester Bremser
       innerhalb des westlichen Bündnisses zog er den [1][Groll vor allem
       mittelosteuropäischer Staaten] auf sich und die Bundesrepublik.
       
       Und doch hat er am Ende gewonnen? Das ist die eine Deutung der
       Medienberichte vom Dienstag, denen zufolge Deutschland nach langem Ringen
       nun doch Leopard-2-Panzer liefern wird, im Gleichschritt mit den USA, die
       der Ukraine ihrerseits Abrams-Kampfpanzer zur Verfügung stellen.
       
       Letzteres soll der Kanzler zur Bedingung für Ersteres gemacht haben, was
       Wohlwollende zu dem Schluss bringt: Durch [2][seine Standhaftigkeit] hat er
       für die Ukraine das Maximum herausgeholt. Er hat eine Handvoll eigener
       Fahrzeug als Hebel genutzt, um die USA mit ins Boot zu bekommen und so ein
       richtig dickes Panzerpaket zu schnüren. Eine in sich schlüssige
       Interpretation – allerdings auch nicht mehr oder weniger schlüssig als die
       Konkurrenzvariante.
       
       Ihr zufolge wollte Scholz bis zuletzt keine Kampfpanzer liefern. Über
       Monate hat er sich demnach von einer Ausrede zur nächsten gehangelt. Dass
       er nicht ohne die USA handeln wolle, war demnach seine letzte Ausflucht –
       die letztendlich, weil Washington gerade umschwenkt, auch nicht länger
       haltbar war. Der Druck ist also schlicht zu groß geworden. In dieser
       Variante ist der Kanzler kein Genie, sondern schlicht ein Getriebener.
       
       Ob Version A oder Version B stimmt, oder am Ende vielleicht eine Mischung
       aus beiden Versionen? Schwer zu sagen. Die Debatte über die
       Waffenlieferungen hat einen besonderen Charakter, der die Deutung
       erschwert. Es geht um Krieg und Frieden, also legen die Beteiligten
       naturgemäß nicht vollumfänglich offen, wie ihre Abwägungen aussehen.
       Stattdessen werfen sie allerhand argumentative Nebelkerzen, zum Teil
       bedingt durch sachfremde Interessen.
       
       ## Letzter Akt der Waffen-Debatte
       
       Bei der [3][polnischen Regierung] zum Beispiel, die in den letzten Tagen am
       sichtbarsten Druck machte, spielt wohl der anstehende Wahlkampf eine Rolle.
       Beim Kanzler ist es vielleicht die eigene Sturheit in Verbindung mit der
       Dynamik innerhalb der Ampel: Bloß nicht den Eindruck erwecken, dass sich
       die Strack-Zimmermann durchgesetzt hat.
       
       Im Ergebnis wird es Klarheit darüber, wie die Panzer-Entscheidung genau
       abgelaufen ist, wohl erst in Jahrzehnten geben: Wenn die dazugehörigen
       Akten nicht mehr geheim sind und die Historiker in die Archive dürfen. Fürs
       Erste aber bleibt es in Ermangelung einer klaren, lagerübergreifend
       anerkannten Faktenlage primär eine Glaubensfrage, ob Scholz nun der Held
       ist oder der Verlierer.
       
       Die gute Nachricht: Lange wird sich die Waffen-Debatte in dieser Form nicht
       mehr fortsetzen. Nachdem die Panzer durch sind, könnte es zwar mit den
       Kampfjets weitergehen. Hier wird Deutschland aber nicht so sehr im Fokus
       stehen. Fliegen ist komplizierter als Fahren. Die Tornados und Eurofighter
       bieten sich daher weniger an als osteuropäische Flugzeuge, mit denen
       ukrainische Piloten schon lange vertraut sind, und US-amerikanische, an
       denen die Ausbildung angeblich schon läuft.
       
       Wenn irgendwann auch Jets geliefert sind, wird sich die Debatte nicht mehr
       um die symbolisch so aufgeladene Frage drehen, welche neuen Waffentypen die
       Ukraine jetzt noch bekommen könnte. Dann wird es eher darum gehen, ob
       irgendwo noch Nachschub und Ersatz für die schon jetzt gelieferten Systeme
       aufzutreiben ist. Diese Fragen lassen sich weniger zuspitzen, sie werden
       weniger verbissen und weniger unerbittlich diskutiert werden. Nach den
       wiederholten und ermüdenden Debatten der vergangenen Monate ist das
       immerhin etwas.
       
       25 Jan 2023
       
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