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       # taz.de -- Soziale Lage verschärft sich: Jedes fünfte Kind armutsgefährdet
       
       > Die soziale Lage in Deutschland hat sich verschärft, insbesondere für
       > junge und große Familien. Studienautor*innen fordern Tempo bei der
       > Kindergrundsicherung.
       
   IMG Bild: Armut in Deutschland: Besonders junge Familien sind gefährdet
       
       Gütersloh epd/dpa | Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge
       Erwachsene in Deutschland sind einer Studie zufolge armutsgefährdet.
       Betroffen sind unter den Kindern vor allem [1][Jungen und Mädchen in
       alleinerziehenden Familien oder in Mehrkindfamilien] mit drei und mehr
       Heranwachsenden, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten [2][Analyse]
       der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. [3][Kinder- und Jugendarmut] bleibe
       ein ungelöstes Problem.
       
       Es gebe erhebliche regionale Unterschiede: Am höchsten falle die
       Armutsgefährdungsquote in Bremen aus, am niedrigsten in Bayern, das
       bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liege etwa im
       Mittelfeld.
       
       „Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, leidet täglich unter Mangel,
       Verzicht und Scham und hat zugleich deutlich schlechtere
       Zukunftsaussichten“, sagte Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung
       und Next Generation bei der Bertelsmann Stiftung. Die derzeitigen Krisen
       und Preissteigerungen verschärften das Problem. Stein appellierte an die
       Bundesregierung, die geplante Kindergrundsicherung zügig zu beschließen, um
       „gezielt denjenigen helfen, die besonders darauf angewiesen sind“.
       
       Für die Studie wurden den Angaben zufolge unter anderem auch aktuelle Daten
       der Bundesagentur für Arbeit zu Kindern und Jugendlichen, deren Familien
       staatliche Unterstützung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II beantragt
       haben, aus dem Sommer 2022 herangezogen.
       
       ## Ukrainische Geflüchtete oft in prekärer Lage
       
       Die Statistiken zeigten, dass sowohl die Anzahl als auch der Anteil von
       Kindern in SGB-II-Haushalten erstmals seit fünf Jahren deutlich gestiegen
       sei, hieß es. Die Studien-Autorinnen führen die Zunahme vor allem auf die
       aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen zurück. Ukrainische
       Kriegsflüchtlinge haben seit dem 1. Juni 2022 Anspruch auf Grundsicherung.
       
       Demnach lebten im vergangenen Sommer rund 1,9 Millionen junge Menschen
       unter 18 Jahren in Haushalten mit SGB-II-Bezug. Die Quote betrug im Juni
       2022 in Westdeutschland 13,4 Prozent und in Ostdeutschland 16 Prozent. Der
       Studie zufolge ist die Armut in den Städten deutlich stärker ausgeprägt:
       Die höchste Quote weist die konjunkturschwache Ruhrgebietsstadt
       Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen mit 41,7 Prozent auf.
       
       Auch die norddeutschen Städte Bremerhaven (36,3) und Bremen (30,9) haben
       hohe Quoten von Kindern und Jugendlichen im SGB-II-Bezug. Weit unter 10
       Prozent bleiben dagegen häufig ländliche Regionen wie Roth in Bayern (2,7),
       Biberach in Baden-Württemberg (5,2) oder Eichsfeld in Thüringen (6,6).
       
       Besonders betroffen von Armut sind Haushalte von Alleinerziehenden und
       Eltern mit mehr als drei Kindern. Die in diesen Fällen sehr aufwendige
       Sorge- und Betreuungsverantwortung mache es den Eltern oftmals unmöglich,
       einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, hieß es. Das größte Armutsrisiko
       hätten Kinder in Mehrkindfamilien mit einem alleinerziehenden Elternteil
       (86 Prozent). Hier stützen sich die Studien-Autorinnen auf Daten des
       Statistischen Bundesamts aus dem Mikrozensus sowie der Bundesagentur für
       Arbeit von 2021.
       
       Auch viele junge Erwachsene seien mit Armut konfrontiert, hieß es weiter.
       So wiesen die 18- bis 25-Jährigen im bundesweiten Vergleich mit 25,5
       Prozent sogar das höchste Armutsrisiko aller Altersgruppen auf. Frauen
       seien dabei stärker betroffen als Männer, junge Menschen in Ostdeutschland
       häufiger als die in Westdeutschland.
       
       SGB-II-Leistungen bezögen nur 7 Prozent dieser Altersgruppe, was auf den
       ersten Blick überrasche, sagte Anette Stein. Das liegt ihren Worten zufolge
       hauptsächlich daran, dass junge Erwachsene für gewöhnlich eine Ausbildung
       oder ein Studium absolvieren und erstmals allein leben. Sie beantragten
       entsprechend andere Leistungen wie BAföG oder Wohngeld. „Die hohe
       Armutsbetroffenheit junger Erwachsener weist jedoch darauf hin, dass die
       verschiedenen Systeme nicht gut zusammenwirken“, betonte die Expertin der
       Stiftung.
       
       26 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Finanzielle-Situation-von-Jugendlichen/!5897645
   DIR [2] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/januar/neue-zahlen-zur-kinder-und-jugendarmut-jetzt-braucht-es-die-kindergrundsicherung
   DIR [3] /Schwerpunkt-Armut/!t5007647
       
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