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       # taz.de -- Drogenkrieg in den USA: Mexikos Drogenbekämpfer vor Gericht
       
       > Der Prozess gegen Mexikos früheren Polizeichef hat begonnen. García Luna
       > arbeitete gegen die Kartelle und bekam gleichzeitig Gelder der Narcos.
       
   IMG Bild: Eine Zeichnung vom 23.01.2023 zeigt den früheren Mafiaboss Villareal Barragán genannt „Der Große“ bei seiner Aussage
       
       OAXACA taz | Sollte der Ex-Mafiaboss „der Große“ die Wahrheit sagen, könnte
       es einigen mexikanischen Politikern an den Kragen gehen. „Mit Hilfe der
       Regierung konnte das Kartell sein Territorium erweitern, den Drogenumsatz
       erhöhen und seine Gegner kaltstellen“, sagte der Zeuge Sergio Villareal
       Barragán („der Große“) im Prozess gegen den früheren mexikanischen
       Polizeichef Genaro García Luna in New York Anfang der Woche. Der
       Ex-Mafiaboss, der seinen Spitznamen „El Grande“ seiner Körpergröße
       verdankt, muss es wissen. Villareal Barragán agierte selbst in der
       kriminellen Organisation und heute sitzt in den USA im Gefängnis.
       
       „Der Große“ war der erste Zeuge im Prozess gegen den Ex-Chef der
       mexikanischen Spezialpolizei, García Luna, der am 23. Januar in New York
       öffentlich begonnen hat. Der Angeklagte, der [1][2019 in Texas verhaftet
       wurde], soll mit dem [2][Sinaloa-Kartell] und einer von dessen Abspaltungen
       kooperiert haben. Die US-Staatsanwaltschaft wirft dem 54-jährigen vor, am
       Schmuggel von Tausenden von Tonnen Kokain und anderen Drogen in die USA
       beteiligt gewesen zu sein. Als Mitglied einer kriminellen Organisation soll
       er Zig Millionen US-Dollar kassiert haben. „Neben seiner Arbeit als
       Sicherheitspolitiker hatte García Luna eine viel schmutzigere, aber
       profitable Arbeit“, sagte Staatsanwalt Philip Pilmar.
       
       García spielte die wohl wichtigste Rolle im „Krieg gegen die Drogenmafia“
       des damaligen Präsidenten Felipe Calderón (2006-2012). Er war Minister für
       Öffentliche Sicherheit und enger Vertrauter des Staatschefs. Als oberster
       Sicherheitschef saß er an zentraler Stelle, als es galt, Soldaten und
       Polizisten gegen die Mafia zu mobilisieren. Zuvor, unter dem Präsidenten
       Vicente Fox (2000 – 2006), leitete García Luna die polizeiliche
       Spezial-Ermittlungseinheit AFI.
       
       Schon damals, so sagte jetzt „El Grande“, habe der ex-Sicherheitsminister
       mit den Kriminellen kooperiert. Folgt man den Aussagen des Kronzeugen, hat
       García Luna als AFI-Chef monatlich ein bis einhalb Millionen US-Dollar von
       der Mafia kassiert. „Die Zahlung stiegen proportional zum Anwachsen des
       Kartells, ohne diese Hilfe wäre die Ausweitung gar nicht möglich gewesen,“
       sagte Villareal. Es habe gemeinsame Operationen gegen andere Kartelle
       gegeben, in denen Mafiakiller in AFI-Uniformen agiert hätten. García Lunas
       Spezialeinheit habe dafür gesorgt, Schmuggelrouten über Land, Wasser und
       Luft für die Organisation freizuhalten und sei zugleich gegen deren
       Konkurrenz vorgegangen.
       
       ## 750 Millionen US-Dollar an öffentlichen Geldern hinterzogen
       
       Der Verdacht, dass mexikanische Regierungen im Interesse des
       Sinaloa-Kartells agiert haben, ist nicht neu. Experten signalisierten immer
       wieder, dass die Organisation [3][in Calderóns „Drogenkrieg“] auffällig
       selten angegangen worden sei. Die geladenen Zeugen, unter ihnen mehrere
       inhaftierte Mafiabosse, könnten im New Yorker Verfahren diese Annahme
       bestätigen und Namen von Politikern, Juristen oder Militärs nennen, die in
       García Lunas Geschäfte involviert waren. Das könnte auch Calderón treffen.
       Jedenfalls existieren große Zweifel daran, dass der damalige Präsident
       nichts über das Tun seines engen Vertrauten und obersten Sicherheitschefs
       wusste.
       
       Dennoch sind Aussagen wie die Villareals mit Vorsicht zu genießen. Wie
       zahlreiche andere, die noch in dem Prozess auftreten werden, dürfte den
       Aussagen des Gefangenen ein Deal mit den US-Behörden zugrundeliegen:
       Haftminderung gegen Beschuldigung. Als oberster Sicherheitspolitiker hat
       García Luna aber auch eng mit der US-Antidrogenbehörde DEA zusammen
       gearbeitet, die selbst immer wieder in illegalen Geschäfte verstrickt ist.
       Was „der Große“ preisgibt und was nicht, kann also durchaus
       interessengeleitet sein.
       
       Allerdings hat auch die mexikanische Regierung Informationen
       veröffentlicht, die eine hohe kriminelle Energie des Ex-Ministers nahe
       liegen. Nach Angaben des Finanzamts soll García Luna zwischen 2009 und 2018
       knapp 750 Millionen US-Dollar an öffentlichen Geldern in Mexiko hinterzogen
       haben. Der Hintergrund sind offenbar fingierte Verträge mit der
       Bundespolizei, dem Innenministerium und der Staatsanwaltschaft von
       Mexiko-Stadt.
       
       Diese Vorwürfe werden nicht vor dem Brooklyner Gericht verhandelt werden.
       Ob die für García Lunas Mafiatätigkeiten vorgelegten Beweise reichen
       werden, die Geschworenen zu überzeugen, ist noch nicht ausgemacht. Sein
       Verteidiger Cesar de Castro jedenfalls behauptet selbstsicher, die
       Staatsanwaltschaft rede Unsinn. „Sie haben kein einziges Audio, keine Post,
       kein Video, keine Textnachricht, kein Foto, kein Dokument gefunden, die die
       Angaben bestätigen.“
       
       28 Jan 2023
       
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   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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