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       # taz.de -- In der Wüste Gobi: Zentralheizung ist ein Privileg
       
       > Es ist wunderschön und windig in der Wüste der Mongolei – und kühl. Für
       > unsere Kolumnistin ein Anlass, über Lebensgewohnheiten nachzudenken.
       
   IMG Bild: Eine Jurte in der Wüste Gobi
       
       Sobald der Kamel-Dung ausgebrannt ist, wird es kalt in der Jurte. Der Ofen
       in der Mitte des mongolischen Zeltes dient eher als Einschlafhilfe denn als
       Nachtwärmer. Es ist September [1][in der Gobi-Wüste], wir sind auf einem
       organisierten Treck im Jurtendorf, einem Paradebeispiel für den boomenden
       sogenannten authentischen Tourismus.
       
       Mit Eimerdusche, Kamelzug und eben mit echtem Frieren. [2][Ich mochte die
       Wüste immer]. Sie ist furchteinflößend und ruhespendend zugleich,
       erbarmungslos und friedlich; eine dieser Regionen, die in der Realität viel
       beeindruckender sind als auf Fotos – im Gegensatz zum Palmenstrand, der auf
       Fotos immer besser aussieht als in der öden Realität.
       
       Die Gobi ist im September von einer leichten Grasdecke bewachsen, keine
       Bilderbuchsandwüste, sondern so divers, wie Wüsten in Wahrheit sind: mit
       weiten Steppen, Steinlandschaften und kleinen Flecken Vegetation, mit
       braunen Felsen und scheuen Gazellen, nur Punkte am Horizont. Es ist
       wunderschön, windig und kühl. Bald wird der erste Schnee fallen,
       mongolische Winter sind berüchtigt.
       
       Ich glaube, es gibt eine Sache, die die meisten Deutschen nicht wissen: wie
       gewöhnlich für Menschen im Ausland das Frieren in der eigenen Behausung
       ist, ein Winter ohne jegliche Wärmepause für den Körper. Gerade in den
       Regionen der Welt, wo warme Sommer herrschen.
       
       ## Sommer um 45 Grad, eisige Winternächte
       
       Selten habe ich etwa so gefroren wie bei Freund:innen am Rand des
       marokkanischen Atlas-Gebirges im Winter, in bescheidenen Häusern ohne
       Heizung. Vieles eine Frage der Gewöhnung, die kleine Tochter lief barfuß
       durch den Raum. Und dennoch, jährlich erfrieren im Atlas vor allem Menschen
       in Armut in ihren Häusern. Auch die Anforderungen an den Körper in einem
       Lebensraum wie der Wüste sind enorm: Sommer um die 45 Grad, eisige
       Winternächte.
       
       Zentralheizung ist ein Privileg, das nur die wahrnehmen, die das Leben ohne
       kennen. Selbst in Südeuropa fehlt sie oft, da friert man eher kulturell
       trotzig statt aus Mangel; die Klimaanlage auf 32 Grad tut es auch. „Winter
       ist hässlich“, sagt die Nachbarin in Italien gern, die Lösung ist der
       Frühling.
       
       Tourist:innen wissen dank des „Beste Reisezeit“-Buttons meist wenig
       davon, wie Herbst und Winter sich wirklich anfühlen. Es lohnt sich, diesen
       Horizont zumindest zu erfahren. In der [3][mongolischen Hauptstadt
       Ulaan-Bator], der kältesten Hauptstadt der Welt, erleben wir auch, was der
       Kohleofen bedeutet: Im Herbst bringt er hier eine der höchsten
       Luftverschmutzungen der Welt, wir sind chronisch erkältet vom beißenden
       Smog. Es ist eine große Macht der wohlhabenden Reisenden, von der sie
       selbst kaum wissen: Sie können das Wetter kaufen.
       
       15 Feb 2023
       
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