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       # taz.de -- Wahlen in Berlin: Verlierer werden Gewinner
       
       > Die Wahlwiederholung bot Abgeordneten die Möglichkeit, ihre Niederlage in
       > ein Comeback zu verwandeln. Etwa bei Burkard Dregger, Innenpolitiker der
       > CDU.
       
   IMG Bild: Burkard Dregger( CDU) bei der Wahlfeier im Abgeordnetenhaus
       
       Berlin taz | Die Arme vor dem blauen Sakko verschränkt steht Burkard
       Dregger in der Menge, die kocht. Soeben ist im Festsaal des
       Abgeordnetenhauses, wo die CDU am Sonntagabend ihre Wahlparty feiert,
       [1][die erste Prognose erschienen]: knappe 28 Prozent für die Schwarzen.
       „Das ist der Wahnsinn“, ruft der auf die Bühne geeilte CDU-Generalsekretär
       Stefan Evers. Fäuste fliegen in die Luft, rote Flecken zeichnen sich auf
       einigen Wangen. Auch Dreggers Gesicht ist gerötet, aber er klatscht nur
       verhalten. Noch ist unklar, ob er in seinem Wahlkreis Reinickendorf 1 für
       die CDU das Direktmandat gewonnen hat.
       
       Bei der Wahl 2021 hatte die Kandidatin der SPD dort das Rennen gemacht.
       Dregger, nicht auf der Landesliste abgesichert, war aus dem
       Abgeordnetenhaus geflogen. Die Wiederholungswahl birgt für den Verlierer
       die Chance, doch noch zum Gewinner zu werden.
       
       Kurz vor 22 Uhr ist klar: Dregger hat es geschafft. Mit 37,2 Prozent, einem
       Plus von 13,3 Prozentpunkten, hat er die Schlappe von 2021 wettgemacht.
       Auch er spricht nun von einem „historischen Sieg“.
       
       Der Blick auf die Berlin-Karte zeigt: Nahezu die gesamte Stadt außerhalb
       des S-Bahn-Rings ist schwarz. Von insgesamt 78 Wahlkreisen hat die CDU bei
       der Wiederholungswahl 48 (zuvor 21) geholt, die Grünen 20, die AfD 2, Linke
       und SPD jeweils 4. Die SPD hatte 2021 noch 25 Wahlkreise inne. Sogar
       Spitzenkandidatin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh haben ihre
       Direktmandate verloren.
       
       Kalt erwischt 
       
       Der 58-jährige Dregger, von Beruf Rechtsanwalt, saß schon von 2011 bis 2021
       im Abgeordnetenhaus. Seit 2016 war er innenpolitischer Sprecher der CDU,
       seit 2018 sogar Fraktionschef. Der Verlust des Mandats erwischte ihn kalt.
       Notgedrungen habe er sein Anwaltsbüro am Ku'damm „wieder hochgefahren“,
       erzählt er.
       
       Hört man sich bei der CDU in der Wahlnacht um, sagen Leute, Dregger sei ein
       politisches Talent. Statt ihm nach der Wahlniederlage 2021 wenigstens einen
       Posten als stellvertretenden Landesvorsitzenden anzubieten, habe ihn
       Parteichef Kai Wegner fallen gelassen. Wieder zurück, habe Dregger jetzt
       die Chance, Präsident des Abgeordnetenhauses zu werden. Es ist ein
       ungeschriebenes Gesetz, dass die stärkste Fraktion den Posten besetzt. Im
       Falle einer Regierungsbildung unter Führung der CDU sehe man Dregger sogar
       auf dem Posten des Innensenators.
       
       Dregger selbst wehrt ab. Er beteilige sich nicht an Spekulationen. Auch in
       der Sondierungskommission der CDU sehe er sich nicht. Am Sonntag, als noch
       nicht klar war, ob er es schafft, sagte er, er sehe sich in der Rolle des
       „Hinterbänklers“. Am Montag klingt das schon ein bisschen anders. „Ich
       kenne meine Qualifikation, aber ich will demütig sein und abwarten, was
       passiert.“ Sein Anwaltsbüro werde er jetzt aber wieder „runterfahren“.
       
       ## Stramm konservativ
       
       Dregger gilt als stramm konservativ. Einige Äußerungen von ihm seien
       „mitunter nah dran an der AfD-Programmatik“, hatte der frühere
       Linkenfraktionschef Udo Wolf 2016 im taz-Interview gesagt. Das war kurz vor
       den Landtagswahlen, bei der die CDU nach kurzem Intermezzo aus der
       Regierung gewählt worden war.
       
       Er lasse sich politisch nicht in eine bestimmte Ecke drängen, sagt Dregger.
       „Ich bin für Vernunft – für Recht und Ordnung.“ Er sei nicht mehr bereit,
       das Chaos hinzunehmen, das [2][Rot-Grün-Rot] in dieser Stadt „angerichtet“
       habe. Es könne nicht angehen, dass kriminelle Banden den Alexanderplatz
       beherrschten, dass ein Clanchef, obwohl zu sieben Jahren verurteilt, aus
       dem Vollzug entlassen werde. Die Reihe von inkompetenten SPD-Innensenatoren
       müsse ein Ende haben.
       
       Angesprochen auf die von CDU-Chef Wegner geforderten Vornamen von
       Tatverdächtigen nach den Silvesterkrawallen sagt Dregger, diese Debatte
       interessiere ihn nicht. Entscheidend sei, dass der Rechtsstaat
       durchsetzungsfähig sei – egal wie die Täter heißen. Den Wahlkreis, den er
       der SPD nun zum dritten Mal seit 2011 abgenommen hat, sei ein sozialer
       Brennpunkt ähnlich dem Wedding, viele Zuwanderer lebten dort. Gerade auch
       von den Moscheegemeinden und den Sportverbänden habe er ein
       „hervorrangendes Feedback bekommen“.
       
       [3][Verlängerung des Unterbindungsgewahrsams, Videoüberwachung an
       kriminalitätsbelasteten Orten], null Toleranz in der Drogenpolitik,
       Verteufelung des Antidiskriminierungsgesetzes: All diese Debatten wird
       Dregger im Abgeordnetenhaus nun wieder zu den seinigen machen. Offen mit
       seinen konservativen Positionen zu polarisieren, wie es sein Vater Alfred
       Dregger tat, entspricht aber nicht seinem Naturell. Dregger senior war von
       1982 bis 1991 Fraktionschef der CDU im Bundestag.
       
       Zu den Leuten, die sich bei der CDU-Wahlfeier als Fans von Dregger outen,
       gehört auch die frühere Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters, die
       zum liberalen Flügel des CDU-Landesverbands gehört. Sie habe ihn einst
       überredet, in die Politik zu gehen, erzählt sie. Als Law-and-Order-Mann
       „ohne Schaum vorm Mund“ preist sie Dregger, als eine „kultivierte,
       konservative Stimme“ und einen Mann „mit Anstand und Charakter“.
       
       Menschlich komme man mit Dregger gut klar, bestätigt [4][Niklas Schrader,
       innenpolitischer Sprecher der Linken]. Mit der Verlässlichkeit habe er aber
       andere Erfahrungen gemacht. Entgegen der Absprache habe die CDU die von den
       Linken als Richterin für den Verfassungsgerichtshof nominierte Lena Kreck
       durchfallen lassen. „Wir haben die Kandidatin der CDU gewählt, aber die
       haben uns ausgetrickst“, erzählt Schrader. Kreck ist heute Justizsenatorin.
       
       Dregger war damals Fraktionschef. Er sei an der Absprache beteiligt
       gewesen, bestätigte er am Montag der taz. Auf das Stimmverhalten bei einer
       geheimen Wahl habe er aber naturgemäß keinen Einfluss. „Deshalb kann man
       das nicht kritisieren.“
       
       13 Feb 2023
       
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