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       # taz.de -- EU-Wirtschaftsprognose für 2023: Wahrscheinlich doch keine Rezession
       
       > Die Kommission sagt bessere Zeiten für 2023 voraus. Inflation und
       > Energiekosten bleiben jedoch hoch – ein Problem für viele Bürgerinnen und
       > Bürger.
       
   IMG Bild: Deutschlands Wirtschaft wächst weniger als in anderen EU-Ländern
       
       Brüssel taz | Die EU und Deutschland könnten in diesem Jahr um eine
       Rezession herumkommen. Allerdings hinkt Deutschlands Wirtschaftswachstum
       immer noch hinterher, und die Inflation dürfte auch nur leicht zurückgehen.
       Das geht aus der Frühjahrsprognose zur Konjunktur in der EU und in der
       Eurozone hervor, die die EU-Kommission am Montag in Brüssel vorgelegt hat.
       
       „Den Europäerinnen und Europäern stehen nach wie vor schwere Zeiten bevor“,
       sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Die Energiekosten seien
       immer noch hoch, und die Kerninflation – also der Preisanstieg ohne Energie
       und unverarbeitete Nahrungsmittel – habe im Januar weiter angezogen. Die
       Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger werde somit weiter ausgehöhlt.
       
       Immerhin dürfte die Wirtschaft im neuen Jahr nicht in eine tiefe Krise
       rutschen. Die Brüsseler Behörde geht für die EU von einem Wachstum von 0,8
       Prozent und für die Euro-Staaten von 0,9 Prozent aus. Deutschland gehört
       mit nur 0,2 Prozent zu den Schwächsten. Für lediglich fünf der 27 EU-Länder
       wird noch weniger Wachstum erwartet.
       
       Dass es besser läuft als erwartet, führt die EU-Kommission vor allem auf
       sinkende Gaspreise und einen robusten Arbeitsmarkt in Europa zurück.
       Allerdings bleibe der Gegenwind rau. Zum Risiko wird vor allem die
       Geldpolitik. Wegen der anhaltenden Inflation will die Europäische
       Zentralbank die Leitzinsen weiter anheben, was dämpfend auf die Konjunktur
       wirkt.
       
       ## Weniger Geld für die russische Kriegskasse
       
       Auch der Krieg in der Ukraine ist mit Risiken verbunden. Die Kommission
       geht davon aus, dass der russische Angriffskrieg zwar nicht eskalieren,
       aber das ganze Jahr lang weitergehen wird. Was passiert, wenn sich der
       Krieg ausweitet, sagte Gentiloni nicht. Auch auf die Folgen der
       EU-Sanktionen ging der Wirtschaftskommissar nicht ein.
       
       Ein Diplomat sagte, bisher habe [1][Russland den Strafmaßnahmen besser als
       erwartet] widerstanden. Dies liege vor allem an den hohen Energiepreisen.
       Sie haben im vergangenen Jahr viel Geld in die russische Kriegskasse
       gespült und das Wachstum in der EU einbrechen lassen. Im neuen Jahr soll
       sich dies ändern, so die Hoffnung in Brüssel.
       
       Sollte sich die Prognose bewahrheiten, so will die EU zum Jahresende wieder
       zu den alten Schuldenregeln nach den Maastricht-Kriterien zurückkehren. Sie
       waren zu Beginn der Coronakrise ausgesetzt worden. Dann führten die
       russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 und die in der Folge
       [2][angestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise] zu einer Verlängerung
       bis Ende 2023. Eine Verlängerung sei bei besserer Konjunktur nicht zu
       rechtfertigen, sagte Gentiloni. „Wir hatten bereits genug außerordentliche
       Ereignisse“, sagte er mit Blick auf die Pandemie und den Krieg.
       
       ## Keine Einigung, wie die Schuldenregeln aussehen sollen
       
       Allerdings sollen [3][die Schuldenregeln reformiert werden]. Darüber, wie
       genau diese Reform aussehen könnte, zeichnet sich jedoch keine Einigung ab.
       Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, für jedes Euroland individuelle Wege
       zum Schuldenabbau zu formulieren. Dies lehnt Bundesfinanzminister Christian
       Lindner (FDP) jedoch strikt ab. Für das Treffen der Eurogruppe am
       Montagabend wurde deshalb eine kontroverse Debatte erwartet.
       
       Der Stabilitätspakt, der den Wert des Euro sichern soll, begrenzt die
       Neuverschuldung von EU-Staaten eigentlich auf 3 Prozent und die
       Gesamtverschuldung auf 60 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung. Gegen
       diese Regeln wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne
       dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte.
       
       Derzeit erfüllt auch Deutschland nicht alle Schuldenregeln. Wegen des
       Ukrainekrieges und der Energiekonflikte mit Russland hatte Lindner
       [4][milliardenschwere neue „Sondervermögen“] gegründet, also neue Schulden
       gemacht. Auch Griechenland, Italien und Belgien sind hoch verschuldet. Ein
       abrupter Abbau der Schulden könnte die Eurozone in eine neue Krise stürzen.
       
       13 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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