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       # taz.de -- Performance in Hannover: Empowerment in Lichtgeschwindigkeit
       
       > Im Stück „K(no)w Black Heroes“ von Mable Preach zeigen zwei Schwarze
       > Frauen ihr Ringen um Identität und kulturelle Heimat.
       
   IMG Bild: Furien der Erinnerung: Florence Adjidome und Precious Wiesner
       
       Hannover taz | Zwei überbordend verspielte Comedy-Frauen singen, tanzen und
       skandieren in stilvoll bunten Jumpsuits: Es geht um ihre Lebenseinstellung
       als Schwarze mit bundesrepublikanischem Pass, nämlich trotzdem afrikanisch
       sein zu wollen, auch wenn wir sie lieber deutsch hätten, und trotzdem
       deutsch sein zu wollen, auch wenn uns ihr Schwarz-Sein nicht passe.
       Grenzenlos und unverschämt bleiben, ist ihr geäußertes Ziel.
       
       Mitreißend unerschütterlich dabei die Energie, ansteckend der politische
       Wille des Empowerments. Fast alle Zuschauer:innen der Premiere von
       [1][„K(no)w Black Heroes“] erheben sich prompt zu Standing Ovations im
       Ballhof 2 am Staatstheater Hannover. Das Bedürfnis scheint groß für solche
       Selbstermächtigungen, an denen jede:r mit eigenen Debatten um Identität
       und kultureller Heimat emotional andocken kann. Dass hier aber mal die
       Black Community einige Fragen ihrer Lebensrealität von ausschließlich
       Schwarzen Künstlerinnen auf einer Bühne des deutschen Stadt- und
       Staatstheatersystems gespiegelt und mehrheitsgesellschaftliche Narrative
       neu geschrieben sieht, ist eine große Ausnahme und daher umso erfreulicher.
       Erst recht, weil es nicht um theatrale Umarmungsgesten, sondern das
       Ausstellen von Differenz geht.
       
       Dass dafür [2][Mable Preach] als regieführende Anheizerin engagiert wurde,
       überrascht nicht, hat sie sich doch in Hamburg mit ihrer Arbeit auf
       Kampnagel mit dem Kultur- und Jugendverein Lukulule den allerbesten Ruf als
       virile Animateurin emanzipatorischen Theaters erarbeitet. Nach Hannover
       bringt sie die Schauspielerin/Sängerin/Tänzerin Precious Wiesner mit und
       lädt aus dem Staatstheater-Ensemble Florence Adjidome dazu.
       
       In den Rollen von Akos und Essinam geben sie sich genervt von einer Welt,
       die keine Schwarzen Held:innen der Wissenschaft kenne. „Blame das
       Bildungssystem!“, rufen die beiden. Sie fühlen sich fremd in Europa, wie
       Aliens, und düsen mit ihren Träumen von einer besseren Welt in einem
       selbstgebauten Raumschiff – als „safer space“ gegen rassistische Mikro- und
       Makroaggression – ins Universum Richtung Stern Kepler-160. „Space is the
       place“, ist Fluchtpunkt vor Rassismus und utopische Projektionsfläche von
       Gleichberechtigung, das hatte der afroamerikanische Jazzer Sun Ra bereits
       in den 1970er Jahren behauptet. Die Flugzeit in Lichtgeschwindigkeit wollen
       die Astronautinnen nutzen, um sich mit Schwarzen Erfinder:innen als
       Held:innen zu beschäftigen, die von weißer Geschichtsschreibung verdrängt
       bis verleugnet worden seien. Nun sollen sie als Vorbilder dienen.
       
       Akos und Essinam sind aufklärerische „Furien der Erinnerung“ wie schon die
       [3][Frl. Wunder AG] mit ihrem Gastspiel am Staatstheater. Das
       Performancekollektiv hatte 2020 ebenfalls im Ballhof 2 die Präsenz von
       Frauen in der Geschichte der Kunst dem Vergessen entreißen wollen. Für neun
       Biografien gab es jeweils eine Mini-Hommage. Die szenischen Mittel und die
       Dramaturgie der Lecture Performance waren eher schlicht, die Darbietung
       selbst aber höchst charmant. So ist es nun wieder – wenn die Schwarzen
       Kreateur:innen etwa des Bleistiftanspitzers, der Monatsbinde, Ampel,
       Gasmaske, Teigknetmaschine oder des Wandklappbetts im Plaudertonfall
       erwähnt, aber leider nicht inhaltlich groß gewürdigt werden.
       
       Die Namen sind eher Kicks für die „Be proud of your past“-Didaktik: „for a
       powerfull future“. Die im hektischen Entertainmentkonzept des Abends aber
       kaum erblüht. Kann sich das Darstellerinnen-Duo doch nie lange auf den
       Cockpitstühlen halten und wechselt gefühlt im Minutentakt zwischen
       Name-Dropping, spaßigen Kabbeleien, Zitaten Schwarzer Popkultur wie auch
       Quiz-Spielen, Bewegungen zu Musik, einer wunderbaren Blues-Einlage Wiesners
       und Kürzestreferaten. Da geht es dann um die Nutzung des N-Wortes im
       Hip-Hop oder die These, der Begriff Rasse sei kein soziales, sondern ein
       koloniales Konstrukt.
       
       Eine locker-lustig performative Show entsteht so, die vieles antippt,
       nichts wirklich verhandelt, sodass die flotten Themensetzungen schnell
       verpuffen. Aber alles läuft auf die Empowerment-Szene des Finales zu, ein
       Moment nur, aber ein hochwirksamer.
       
       19 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://staatstheater-hannover.de/de_DE/programm-schauspiel/k-no-w-black-heroes.1326700
   DIR [2] http://www.lukulule.de/lukulule/startseite/das-team/mable/
   DIR [3] /Erinnerungs-Theater-in-Hannover/!5657202
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Fischer
       
       ## TAGS
       
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