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       # taz.de -- Schottlands Nummer eins will abtreten: Sturgeon verlässt das Bute House
       
       > Die erste Ministerin Schottlands verkündet ihren Rücktritt. In den
       > letzten Wochen sank ihr Ansehen stark, doch sie spricht von „persönlichen
       > Gründen“.
       
   IMG Bild: Schottlands erste Ministerin Nicola Sturgeon verkündet ihren Rücktritt
       
       Londontaz | Nicola Sturgeon, Schottlands Erste Ministerin, hat am
       Mittwochmorgen ihren Rücktritt angekündigt. Die Parteiführerin der
       schottischen Nationalpartei (SNP) will nach einem Auswahlverfahren zu ihrer
       Nachfolge das Amt abtreten.
       
       Dahinter steckten, so Sturgeon in einer Pressekonferenz, persönliche
       Gründe. Es sei die richtige Entscheidung – in ihrem Kopf und Herzen, sagte
       sie in ihrer Rede in ihrem Amtssitz Bute House. Das Amt hätte immense Opfer
       von ihr verlangt, und sie hätte seit Längerem darüber nachgedacht.
       
       Inwiefern man ihr das glauben kann, ist fraglich, denn Sturgeons Ansehen
       ist gerade in den letzten Wochen stark gesunken. Eine Umfrage des
       Meinungsforschungsinstituts YouGov für die Sunday Times gab am Anfang des
       Monats an, dass ihr Ansehen seit Oktober enorm gesunken sei.
       
       Außerdem ist Schottlands Hunger auf Unabhängigkeit, das Hauptanliegen der
       SNP, auf 47 Prozent gesunken.
       
       ## Stimme der Vernunft gegen Boris Johnson
       
       Während der Jahre des Referendums und des Brexits sowie während der
       Pandemie hatte sich die heute 52-jährige Sturgeon, eine Rechtsanwältin, als
       Stimme der Verantwortung entgegen der [1][bombastischen und populistischen
       Politik Boris Johnsons] behauptet.
       
       2008 wurde sie Parteiführerin, davor war sie unter Alex Salmond
       stellvertretende Erste Ministerin. Sie ist seit Eröffnung des schottischen
       Parlaments im Jahr 1999 Abgeordnete, eine Konsequenz der
       Dezentralisierungspolitik Tony Blairs.
       
       Als das Ende der Pandemie absehbar war, kündigte Sturgeon an, dass sie im
       Herbst 2023 ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands abhalten
       wolle. Schon damals fragten viele, ob das nun Priorität habe. Nachdem die
       Regierung in London dies nicht gewährte, ließ sie dies vom höchsten Gericht
       des Vereinigten Königreichs untersuchen – und verlor.
       
       Kurz danach verabschiedete die schottische Regierung ein Gesetz zur
       Geschlechtsumwandlung ohne medizinische Diagnose, wobei gleichzeitig das
       Mindestalter für eine Transition herabgesenkt wurde. Das war selbst
       innerhalb der eigenen Fraktion umstritten. Neun SNP-Abgeordnete des
       schottischen Parlaments stellten sich dagegen, und die SNP-Ministerin für
       Sicherheit in den Kommunen, Ash Regan, trat deswegen sogar zurück.
       
       ## Gesetz zur Selbstbestimmung des Geschlechts scheiterte
       
       Die Westminster-Regierung genehmigte das Gesetz nicht, da es sich gegen das
       Gleichberechtigungsgesetz des Vereinigten Königreichs richte. Noch wollte
       Sturgeon dieses Veto richterlich prüfen lassen, da wurde sie mit Fällen
       konfrontiert, vor denen Oppositionskräfte und Gegner:innen des Gesetztes
       zuvor gewarnt hatten. [2][Zwei Sexualstraftäter identifizierten sich, nach
       Begehen der Taten, als weiblich].
       
       Eine Person war bereits hinter Gittern, bei der anderen hatte das
       Strafverfahren begonnen. Die Gefängnisverwaltung wies beide zunächst in
       Frauengefängnisse ein. Als das an die Öffentlichkeit kam, gab es Rückzieher
       und alle ähnlichen Fälle wurden einer Überprüfung unterzogen.
       
       Dazu kommt: Drei Tage vor der Ankündigung ihres Rücktritts begann die
       schottische Polizei Befragungen zu einem nicht deklarierten Darlehen in
       Höhe von umgerechnet 121.000 Euro an die SNP. Weitere Fragen bestehen zu
       Geldspenden für ein Unabhängigkeitsreferendum in Höhe von 740.000 Euro.
       
       ## Schottland in die Unabhängigkeit geführt
       
       Sturgeon hinterlässt eine Partei im Streit, das bewies bereits die
       [3][Genderdebatte]. In ihrer Rücktrittsrede gab sie an, dass sie Schottland
       in die Endphase für die Unabhängigkeit geführt hätte. Doch Labour und die
       Konservativen holen dazu auf. Nun muss die SNP ihre Glaubwürdigkeit und
       Richtung erst wieder neu definieren.
       
       Labours Parteiführer in Schottland, [4][Anas Sarwar,] fand dennoch warme
       Worte für Sturgeon nach ihrer Rücktrittsrede. Sie hätte das Land durch
       schwere Zeiten, vor allem die Pandemie, gesteuert.
       
       15 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Boris-Johnson-im-Portraet/!5862739
   DIR [2] /Transrechte-in-Schottland/!5914854
   DIR [3] /Debatte-ums-Selbstbestimmungsgesetz/!5857771
   DIR [4] https://twitter.com/AnasSarwar/status/1625832947159900162?s=20
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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