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       # taz.de -- Begegnungszentrum Deutsche Einheit: In Zukunft in Halle
       
       > In Halle an der Saale soll das „Zukunftszentrum Deutsche Einheit“
       > entstehen und ostdeutsche Erfahrungen sichtbarer machen. Doch es gibt
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Eine „Steuergeldverbrennungseinrichtung“? Das Zukunftszentrum Deutsche Einheit soll in Halle stehen
       
       Berlin taz | Das „Zukunftszentrum Deutsche Einheit“ wird in Halle an der
       Saale gebaut werden. Das entschied eine Jury am Dienstagabend. Der
       Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), bestätigte die
       Entscheidung im Namen der Bundesregierung am Mittwoch.
       
       Der auf Kosten von 200 Millionen Euro veranschlagte Bau soll am Hallenser
       Verkehrsknotenpunkt Riebeckplatz in der Nähe des Bahnhofs entstehen. Die
       verkehrsgünstige Lage Halles auf der ICE-Achse Berlin-München war wohl
       mitausschlaggebend für die Entscheidung gegen [1][die ostdeutschen
       Mitbewerber] Frankfurt (Oder), Leipzig, Plauen, Jena und Eisenach.
       
       Weniger berücksichtigt wurde wohl die historische Bedeutung der
       Bewerberstädte: Leipzig und Plauen hatten damit geworben, eine besonders
       aktive Rolle beim Auf- und Umbruch in der DDR 1989 gespielt zu haben.
       
       [2][Das Projekt] geht zurück auf eine Empfehlung der Regierungskommission
       „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ vom Dezember 2020.
       Erfahrungen und Leistungen ostdeutscher Bürger in den letzten 30 Jahren
       sollen im Zentrum sichtbar gemacht werden, so der Plan. Auch die
       Erforschung von Transformationsgesellschaften allgemein ist angedacht. Das
       Zentrum soll außerdem „Raum für Kultur, Dialog und lebendige Diskussionen“
       bieten und bundesweit aktiv sein.
       
       ## Ostbeauftragter bleibt unbeirrt
       
       Der Jury, die über den Standort entschied, sitzt die sachsen-anhaltische
       SPD-Politikerin Karin Budde vor. Zu dem Gremium gehörten auch die frühere
       Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, oder der
       ehemalige sächsische und Bundesinnenminister Thomas de Maizière.
       
       Kritik am Konzept äußerte schon im Mai 2022 eine Gruppe von 95
       Wissenschaftlern um den Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk. Ihnen erschienen
       das Projekt des Zukunftszentrums [3][zu selbstbezogen und zu wenig
       europäisch orientiert]. „Spätestens der russische Angriffskrieg sollte
       allen gezeigt haben, dass eine Beschränkung auf die Zeit nach 1989 ebenso
       zu kurz greift wie die Idee, Deutschland allein ins Zentrum zu rücken“,
       schrieben die Unterzeichner.
       
       Unbeirrt hält indessen der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten
       Schneider, am Projekt fest. Am Mittwoch sagte er, das in Halle zu bauende
       Zukunftszentrum sei „eines der wichtigsten Projekte für die Festigung der
       Einheit in der deutschen Gesellschaft und des Zusammenhalts in Europa“.
       
       ## Vor Zufriedenheit am strahlen
       
       Halles Bürgermeister Egbert Geier (SPD) strahlte am Mittwoch vor
       Zufriedenheit. Das Zentrum werde als ein „lebendiger Ort in einer Stadt im
       Herzen Deutschlands und Europas“ entstehen und werde „30 Jahre nach der
       Wiedervereinigung mehr gebraucht denn je“. Sachsen-Anhalts
       Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem „idealen
       Standort“.
       
       In anderen Ostländern waren die Reaktionen deutlich unterkühlter:
       Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zeigte sich „enttäuscht“ von der
       Entscheidung der Jury. Die Landesregierung Sachsens schwieg am Dienstag und
       Mittwoch gleich ganz.
       
       In Rundfunk-Spontanumfragen äußerten Hallenser Bürger Genugtuung, dass die
       in einem schlechten Ruf stehende Industrieregion Halle-Leuna auch etwas
       „vom großen Kuchen“ abbekommt. Außerdem würden bei Verdiensten um das Ende
       der DDR und um die deutsche Einheit meist zuerst Leipzig oder Dresden
       genannt.
       
       In den Onlinekommentaren des MDR dominiert Kritik. Die „sinnlose
       Millionenverschwendung“ interessiere ohnehin niemanden, es gäbe
       „Wichtigeres in Halle oder in Deutschland“. Die Aufgabenbeschreibung bleibe
       „schleierhaft“ und klinge „nach einer Jobmaschine für Schwafler“. „An der
       Abwärme dieser Steuergeldverbrennungseinrichtung kann sich Halle etwas
       aufwärmen“, lautet ein weiterer Bürgerkommentar.
       
       15 Feb 2023
       
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