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       # taz.de -- Helferin zur Situation in Syrien: „Menschen in Panik“
       
       > Das Erdbeben hat in Syrien große Verwüstung angerichtet. Auch Bohrlöcher
       > wurden zerstört – was die Wasserkrise verschärfe, so Bahia Zrikem von der
       > Hilfsorganisation NRC.
       
   IMG Bild: Das Beben hinterlässt zerstörte Häuser: Die syrische Stadt Aleppo am Montag
       
       taz: Frau Zrikem, [1][das Erdbeben] hat in Syrien besonders schwer in
       Landesteilen gewütet, die nicht unter der Kontrolle der Regierung stehen.
       War man dort vorbereitet auf eine solche Katastrophe? 
       
       Bahia Zrikem: Keine Region Syriens war auf ein Desaster wie dieses
       vorbereitet. Häuser sind in sich zusammengestürzt, Schulen und
       Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört. Die Krankenhäuser sind voller
       Verletzter. Viele arbeiten jetzt zur Sicherheit außerhalb der Gebäude.
       Meine Kolleg*innen in ganz Syrien berichten über Nachbeben und Warnungen
       vor weiteren Beben. Die Menschen haben Angst, sind in Panik, wissen nicht,
       was passiert.
       
       Ausgerechnet das Rebellengebiet in Nordwestsyrien scheint am stärksten
       betroffen zu sein. Wie ist die Situation dort? 
       
       Einige Gebiete dort stehen unter Kontrolle von Hai'at Tahrir al-Sham oder
       HTS, einer Gruppe, die international als terroristische Vereinigung
       angesehen wird. Auch andere bewaffnete Gruppen kontrollieren Gebiete. Viele
       Menschen hatten schon vor dem Erdbeben keinen Zugang zu Strom und Internet.
       Das Beben hat zusätzliche Infrastruktur beschädigt. Daher ist es aktuell
       sehr schwer, an präzise Informationen zu kommen.
       
       Was wissen Sie? 
       
       Dörfer und ganze Nachbarschaften wurden zerstört. Auch urbane Zentren
       wurden hart getroffen, was bedeutet, dass die Zahl der Binnenvertriebenen
       in Syrien steigen wird. Unsere Kolleg*innen im Nordwesten, aber auch
       anderswo in Syrien, berichten, dass sie in ihren Autos schliefen, weil sie
       Angst hatten, nach Hause zurückzukehren. Die Opferzahlen steigen aktuell
       noch. Bergungsarbeiten sind fast unmöglich, weil die notwendigen
       Gerätschaften fehlen. Auch Wasserbohrlöcher sind zerstört worden, die von
       Hilfsorganisationen gebraucht werden, um Wasser in den Lagern zu verteilen.
       
       Wie viele Menschen leben in Zeltlagern? 
       
       In dem Gebiet leben 2,8 Millionen Menschen, die in der Vergangenheit aus
       anderen Regionen Syriens vertrieben worden sind, in Lagern, die meisten
       immer noch in Zelten oder Notunterkünften. Zugang zu Wasser beschränkt sich
       auf Lastwagenlieferungen. Nahrungsmittel kommen über Hilfsorganisationen.
       Kinder haben sehr begrenzten Zugang zu Bildung und Gesundheit. Und jetzt
       wird es auch noch kälter in den kommenden Tagen. Am Dienstag wird ein
       Schneesturm erwartet in Nordsyrien.
       
       [2][Nordwestsyrien war ohnehin schon in weiten Teilen auf Hilfe
       angewiesen.] Ist das in der jetzigen Situation ein Vor- oder Nachteil? 
       
       Dass humanitäre Hilfe bereits koordiniert ist, ist ein Vorteil, es kann
       jetzt schneller gehandelt werden. Das Problem ist aber, dass Syrien zurzeit
       sowieso durch die schlimmste humanitäre Krise der vergangenen zwölf Jahre
       geht (seit Ausbruch des Kriegs 2011, d. Red.). 15 Millionen Menschen sind
       auf Hilfe angewiesen. Dieses Beben erhöht den Grad der Zerstörung und der
       Hoffnungslosigkeit in einem Maße, das die Syrer*innen wirklich nicht
       brauchen.
       
       Wie kommt humanitäre Hilfe in die Gebiete, die nicht von der Regierung
       kontrolliert werden? 
       
       [3][Eine UN-Resolution, die der Sicherheitsrat alle sechs Monate
       verlängert, ermöglicht, dass Hilfe (aus der Türkei, d. Red.) direkt über
       einen Grenzübergang nach Nordwestsyrien gebracht wird.] Im Nordosten
       dagegen kommt Hilfe entweder über die Hauptstadt Damaskus oder aus dem
       Irak.
       
       Kann diese direkte Cross-Border-Hilfe, die unabhängig vom Assad-Regime in
       Damaskus organisiert wird, denn einfach erhöht werden? Ein Grenzübergang
       für mehrere Millionen Menschen in Nordwestsyrien klingt wenig. 
       
       Eine Erhöhung ist möglich. Was wir brauchen, ist einerseits Unterstützung
       der internationalen Gemeinschaft, damit Hilfsorganisationen und syrische
       Organisationen, die Zugang haben zu den betroffenen Gegenden, die Menschen
       unterstützen können. Hilfsorganisationen müssen die Unterstützung außerdem
       flexibler einsetzen dürfen. Andererseits werden wir mehr Finanzierung
       brauchen. Wir hoffen, zumindest einiges an Leid lindern zu können.
       
       6 Feb 2023
       
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