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       # taz.de -- Debatte über Rentenreform in Frankreich: Zwischen Parlament und Straße
       
       > In Frankreich beginnt das Parlament eine Debatte über die Rentenreform.
       > Und die Gewerkschaften mobilisieren zu einem dritten Protesttag.
       
   IMG Bild: In nur zehn Tagen soll Frankreichs Parlament die unpopuläre Rentenreform durchwinken
       
       Paris taz | Am späten Montagnachmittag hat in der Nationalversammlung die
       Debatte über die umstrittene Rentenreform begonnen – einen Tag, bevor die
       Gewerkschaften zu einer dritten Protestrunde insbesondere gegen die
       geplante [1][Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre] auf
       die Straße gehen wollen. In seiner Einleitung erklärte Haushaltsminister
       Gabriel Attal, es gehe um das Überleben des französischen Rentensystems:
       „Die Reform oder die Pleite“, so laute die Wahl für die Abgeordneten.
       
       Mehrere Oppositionsfraktionen schlagen vor, die Rentenreform einer
       Volksabstimmung zu unterziehen. Einer der Anträge kam von Marine Le Pens
       rechtsextremer Partei Rassemblement national (RN). Diese lehnt die geplante
       Erhöhung des Rentenalters und die Verlängerung der notwendigen Beitragszeit
       auf 43 Arbeits- und Beitragsjahre ebenfalls ab, war aber im Unterschied zur
       linken Opposition, die [2][Seite an Seite mit den Gewerkschaften gegen
       diese Reform marschiert], in der Öffentlichkeit kaum hörbar. Die extreme
       Rechte schlägt als Alternative zur Erhöhung des Rentenalters vor, die
       Französinnen sollten dank staatlicher Förderung mehr (einheimische) Babys
       gebären.
       
       Die Regierung gewährt den Abgeordneten trotz der weitreichenden Bedeutung
       der Reform wenig Zeit. In nur zehn Tagen, bis zum 17. Februar, soll die
       Vorlage debattiert und mit einer Stimmenmehrheit verabschiedet sein. Sonst
       wird sie aufgrund des von der Staatsführung gewählten Eilverfahrens,
       gestützt auf den Verfassungsartikel 47.1, für angenommen erklärt und an den
       Senat weitergereicht. Beiden Parlamentskammern stehen insgesamt nur 50 Tage
       zur Verfügung.
       
       Da die Abgeordneten der linken Allianz Nupes (Neue Ökologische und Soziale
       Volksunion) nahezu 20.000 Änderungsanträge eingereicht haben, um so die
       Debatten unendlich in die Länge zu ziehen, sah Regierungschefin Elisabeth
       Borne keinen anderen Ausweg als diese verfassungsrechtlich umstrittene
       Prozedur.
       
       ## Nur 181 von 577 Abgeordneten wollen bislang zustimmen
       
       Zudem ist es keineswegs sicher, dass sie für ihre Vorlage eine
       Stimmenmehrheit der insgesamt 577 Abgeordneten erhalten wird. Die drei
       Pro-Macron-Fraktionen (Renaissance, Modem und Horizons) verfügen nicht mehr
       über eine absolute Mehrheit. Und mehrere Abgeordnete des Regierungslagers
       kritisieren die Reform offen als „sozial ungerecht“ oder diskriminierend
       für Frauen und Senioren.
       
       Borne setzt auf die Stimmen der konservativen Oppositionspartei Les
       Républicains. Diese ist zwar für die Erhöhung des Rentenalters, fordert
       aber weitere „Verbesserungen“.
       
       Noch am Sonntag hatte die Premierministerin den zögernden konservativen
       Abgeordneten in Aussicht gestellt, sie könne ihnen in einem Punkt
       entgegenkommen: Wer schon mit 20 Jahren erwerbstätig wurde und dann 43
       Jahre gearbeitet habe, könne schon mit 63 in Rente gehen. Ob diese
       geringfügig anmutende Konzession etwas bewirkt, ist noch unklar.
       
       Zu Beginn der Debatte waren laut Medienangaben nur 181 Abgeordnete bereit,
       der Reform zuzustimmen. Vielleicht aber wird das Schicksal der Rentenreform
       gar nicht in der Nationalversammlung und danach im Senat entschieden,
       sondern auf der Straße. Mit Streiks und Demonstrationen am 7. und 11.
       Februar machen die Gewerkschaften und die politische Linke weiterhin Druck.
       
       7 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR Rudolf Balmer
       
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