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       # taz.de -- Chinas mutmaßlicher Spionage-Ballon: Brüchige Erklärungen aus Peking
       
       > Chinas Führung beharrt darauf, der abgeschossene Ballon habe zivilen
       > Zwecken gedient. Doch die eigenen Verlautbarungen sprechen dagegen.
       
   IMG Bild: Die Überreste des abgeschossenen Ballons werden vor der Küste von Myrtle Beach geborgen
       
       Peking taz | Die [1][Ballon-Affäre] nimmt kein Ende: Nur zwei Tage nachdem
       die USA den mutmaßlichen Spionageballon aus China [2][abgeschossen] hatten,
       hat nun auch Costa Rica ein ebensolches Flugobjekt gesichtet. Die Haltung
       der Volksrepublik China bleibt inhaltlich dieselbe: Es handele sich
       ebenfalls um einen „zivilen“ Ballon, der durch starke Winde von seiner
       ursprünglich geplanten Route abgekommen sei.
       
       Schon bald wird die [3][Behauptung der chinesischen Staatsführung] mit
       harten Fakten auf den Prüfstand gestellt. Denn in den USA werden derzeit
       die geborgenen Ballonteile auf ihre Funktion hin ausgewertet. Doch schon
       jetzt verdichten sich die Hinweise, dass Chinas Erklärung auf dünnem Eis
       steht.
       
       Dafür reicht ein Blick ins Archiv. Wie die Financial Times herausgefunden
       hat, sendete der chinesische Staatssender CCTV, der einen eigenen
       Fernsehkanal zu Militärthemen betreibt, vor fünf Jahren einen Beitrag über
       einen Stratosphärenballon, der während seines Fluges eine Hyperschallrakete
       getestet habe.
       
       Das Prekäre: Der Ballon soll nach einer ersten Auswertung exakt genauso
       ausgeschaut haben wie jener Ballon, der von den USA abgeschossen wurde. Der
       Beitrag ist mittlerweile gelöscht worden.
       
       ## In letzter Zeit steigt das Interesse an Stratosphärenballons
       
       In den letzten drei Jahren wurden in Asien immer mal wieder chinesische
       Ballons gesichtet – über Japan, Indien und mehrfach über Taiwan. Dort zeigt
       man sich ebenfalls wenig von Chinas Theorie überzeugt, dass es sich um
       einen sogenannten meteorologischen Forschungsballon handelt: Die Financial
       Times zitiert Cheng Ming-dean, Leiter der nationalen Wetterbehörde, dass
       sich der chinesische Ballon sowohl in seiner Größe als auch seiner Flughöhe
       von herkömmlichen Wetterballons unterscheiden würde.
       
       Stratosphärenballons haben als Technologie in den letzten Jahren wieder ein
       erhöhtes Interesse erfahren, vor allem auch in China. Mehrere
       Universitäten, einige von ihnen mit Nähe zur Rüstungsindustrie, haben in
       unzähligen Studien zu den Nutzungsmöglichkeiten der Flugobjekte geforscht.
       
       Dabei ist die Unterscheidung zwischen „zivil“ und „militärisch“ immer
       schwieriger zu treffen. Die Regierung verfolgt nämlich für ihre
       Volksbefreiungsarmee eine systematische Fusionsstrategie der beiden
       Bereiche: Demnach sollen die Streitkräfte auf Forschungsergebnisse der
       Wissenschaft und der Privatwirtschaft zugreifen können, wenn es um die
       nationale Sicherheit geht.
       
       Und die meisten Technologien sind im sogenannten „dual use“-Bereich: Sie
       lassen sich sowohl für zivile als auch militärische Zwecke verwenden. Wenn
       es sich aber tatsächlich um einen harmlosen Wetterballon gehandelt hätte:
       Wieso haben die Chinesen dann nicht dessen Eindringen in den US-Luftraum
       gemeldet?
       
       ## China misst mit zweierlei Maß
       
       Ohnehin wirkt die Argumentation scheinheilig. Den US-Abschuss nannte Peking
       erbost einen „Verstoß gegen internationale Praxis“ und rief sogar den
       Geschäftsträger der US-Botschaft zur Standpauke ins Außenministerium.
       
       Auf der anderen Seite legt China für sich selbst andere Maßstäbe an: So
       hatte erst kürzlich das Staatsfernsehen eine Dokumentation ausgestrahlt, in
       der chinesische Armeepiloten in den höchsten Tönen für den Abschuss eines
       ausländischen Überwachungsballons gelobt wurden.
       
       Bei der Frage nach der Wahrheit geht es schlussendlich um mehr als
       moralische Rechthaberei. Denn sollte sich herausstellen, dass die
       chinesische Seite die Öffentlichkeit getäuscht hat, dürfte der – bislang
       lediglich „verschobene“ – Besuch von US-Außenminister Antony Blinken
       zunehmend unwahrscheinlich werden.
       
       7 Feb 2023
       
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