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       # taz.de -- +++ Erdbeben in Syrien und der Türkei +++: Mehr als 11.000 Tote
       
       > Experten befürchten weiter steigende Todeszahlen. Der türkische Präsident
       > ist im Erdbebengebiet angekommen. Syrien erhält internationale Hilfe.
       
   IMG Bild: Das Zentrum von Hatay wurde stark zerstört
       
       Istanbul/Damaskus dpa/afp | Nach dem verheerenden Erdbeben im
       türkisch-syrischen Grenzgebiet hat die Opferzahl in den beiden Ländern die
       Marke von 10.000 Toten mittlerweile deutlich überschritten: Wie am Mittwoch
       aus Angaben von Behörden und Rettungskräften hervorging, wurden nach der
       Katastrophe vom Montag bereits mehr als 11.200 Todesopfer gezählt. Der
       türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilte mit, dass in seinem Land
       bereits 8.574 Todesopfer gezählt wurden. Weitere 2.662 Todesfälle wurden
       aus Syrien bestätigt.
       
       Erdoğan besuchte am Mittwoch eine Zeltstadt in der Provinz Karamanmaras. Er
       räumte Mängel bei der Reaktion der Behörden ein und versprach: „Niemand
       wird in den Straßen zurückgelassen.“ Er kündigte eine Zahlung von 10.000
       Lira (500 Euro) an jede betroffene Familie an. Erdoğan wollte auch die
       Provinz Hatay besuchen. Für Mai sind in der Türkei Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen geplant.
       
       ## Deutschland erhöht Hilfszusagen für Türkei und Syrien
       
       Als Reaktion auf das verheerende Erdbeben stockt die Bundesregierung ihre
       humanitäre Hilfe für Syrien und die Türkei um weitere 26 Millionen Euro
       auf. Davon sind insgesamt 25 Millionen Euro für zwei Hilfsfonds der
       Vereinten Nationen vorgesehen sowie eine Million für den Malteser
       Hilfsdienst, wie eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in
       Berlin erläuterte. Bei der Erdbeben-Katastrophe im türkisch-syrischen
       Grenzgebiet haben mehr als 11.000 Menschen ihr Leben verloren. Tausende
       Gebäude wurden zerstört.
       
       Nach Angaben von Bundesinnen- und Verteidigungsministerium läuft der
       Transport von Hilfsgütern aus Deutschland mittlerweile an. Dabei handle es
       sich um Zelte, Schlafsäcke, Feldbetten, Decken, Heizgeräte und Generatoren.
       Ein Sprecher des Innenministeriums berichtete von etwa 82 Tonnen Material
       im Gesamtwert von einer Million Euro. Das Verteidigungsministerium stellt
       Flugzeuge für den Transport bereit. Von Donnerstag an soll es drei Flüge
       pro Tag geben.
       
       Das Auswärtige Amt widersprach unterdessen dem Vorwurf, die humanitäre
       Hilfe werde durch die Sanktionen gegen Syrien blockiert. Diese richteten
       sich gezielt gegen das syrische Regime und dessen Unterstützer, während man
       negative Folgen für die Zivilbevölkerung so weit wie möglich vermeide,
       sagte eine Sprecherin. Lebensmittel, Medikamente und schweres Gerät für die
       Bergung von Verschütteten seien von den Sanktionen „ausdrücklich
       ausgenommen“.
       
       ## Syrien erhält internationale Hilfe
       
       Trotz der weitreichenden politischen Isolation der syrischen Regierung
       erhält auch das Bürgerkriegsland Erdbebenhilfe aus dem Ausland. Der Oman
       eröffnete eine Luftbrücke, um Hilfsgüter zu schicken, wie die staatliche
       Nachrichtenagentur ONA am Mittwoch meldete. Anders als in die Türkei will
       der Golfstaat aber keine Rettungsteams nach Syrien schicken. Der Präsident
       der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Mohammed bin Sajid Al Nahjan,
       hatte Syrien zuvor schon Hilfe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar (46,5
       Millionen Euro) zugesagt. Die Türkei soll denselben Betrag erhalten. Die
       VAE wollen in Syrien zudem ein Feldlazarett einrichten und ein Rettungsteam
       entsenden, wie das syrische Außenministerium berichtete.
       
       Neben mehreren arabischen Ländern sicherten auch der Iran, Russland und
       China der syrischen Führung Unterstützung zu. Auch aus Indien kam bereits
       ein Flugzeug mit Hilfsgütern an, ein weiteres mit Medikamenten und
       medizinischem Material soll folgen, wie Syriens staatliche
       Nachrichtenagentur Sana meldete.
       
       ## Rettungskräfte kommen nur langsam voran
       
       Da die Rettungskräfte sich oft nur langsam durch die Trümmer kämpfen
       können, befürchten Experten einen weiteren deutlichen Anstieg der
       Todeszahlen in den kommenden Tagen. Viele Menschen könnten noch unter
       Trümmern begraben worden sein.
       
       Vor Ort erschwert nicht nur das eisige Wetter, sondern auch [1][die
       politische Lage] die Hilfen – so etwa am einzigen offenen Grenzübergang Bab
       al-Hawa zwischen der Türkei und Syrien. Wegen Straßenschäden verzögere sich
       dort die Lieferung humanitärer Hilfe, sagten UN-Quellen der Deutschen
       Presse-Agentur. Aus der Gegend des Grenzübergangs hieß es, einige
       Hauptstraßen auf dem Weg zur Grenze hätten durch die Beben Risse oder
       andere Schäden erlitten.
       
       Bab al-Hawa ist der letzte von einst vier Grenzübergängen, über den Hilfen
       auch in die Teile Syriens gelangen können, die nicht von der Regierung
       kontrolliert werden. Hilfsgüter, die über die Hauptstadt Damaskus ins Land
       kommen, werden von der Regierung von Präsident Baschar al-Assad verteilt.
       Es gab mehrfach Berichte darüber, dass die Regierung sich daran selbst
       bereichert, etwa durch den Verkauf ans eigene Volk – oder dass bei der
       Verteilung Gebiete übergangen werden, die die Regierung als verfeindet
       betrachtet. Der Grenzübergang gilt deshalb als Lebensader für die Menschen
       im Nordwesten des Landes.
       
       In der Türkei rückt aus dem Ausland immer mehr Unterstützung an. So brach
       etwa am Flughafen Köln/Bonn am frühen Mittwochmorgen ein 50-köpfiges
       [2][Team des Technischen Hilfswerks] (THW) ins Katastrophengebiet auf.
       Helfer der deutschen Organisation I.S.A.R. waren unterdessen an der Rettung
       einer verschütteten Frau beteiligt, wie die Organisation mitteilte, die in
       der heftig getroffenen Stadt Kirikhan nahe der türkisch-syrischen Grenze
       hilft.
       
       Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay teilte am späten Dienstagabend mit,
       in der zweiten Nacht liefen die Bergungsaktivitäten immer noch auf
       Hochtouren. „Diese Arbeiten werden fortgesetzt, bis wir den letzten Bürger
       unter den Trümmern erreicht haben.“
       
       ## Kritik am Krisenmanagement
       
       Der türkische Oppositionsführer warf Präsident Recep Tayyip Erdoğan
       Versagen beim Krisenmanagement vor. „Wenn jemand hauptverantwortlich für
       diesen Verlauf ist, dann ist es Erdoğan“, sagte Kemal Kılıçdaroğlu, Chef
       der größten Oppositionspartei CHP, in einem Video, das er am frühen
       Mittwochmorgen auf Twitter teilte. Erdoğan habe es versäumt, das Land in
       seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten.
       
       Nach Angaben von Vizepräsident Oktay sind rund 16.150 Rettungs- und
       Suchteams im Einsatz – sie seien in alle betroffenen Provinzen und Bezirke
       entsandt worden. Insgesamt seien rund 60.000 Helfer vor Ort. Der
       Regierungspolitiker sagte, dass in der Nacht zu Mittwoch internationale und
       lokale Teams vor allem in die Provinzen Adiyaman, Hatay und Kahramanmaras
       gebracht würden, teils auf dem Luftweg. Die Wetterbedingungen ließen solche
       Flüge zu, was die Arbeit erleichtere.
       
       Für viele Menschen kam indes jede Hilfe zu spät. Am Mittwoch stieg die
       bestätigte Zahl der Todesopfer auf 8.504. Insgesamt 41.654 Menschen wurden
       verletzt. Alleine in der Türkei sind nach Angaben der
       Katastrophenschutzbehörde Afad vom Mittwoch 6.234 Tote und 37.000 Verletzte
       zu beklagen. In Syrien starben laut dem dortigen Gesundheitsministerium
       sowie der Rettungsorganisation Weißhelme 2.270 Menschen.
       
       ## Überlebensgrenze liegt bei 72 Stunden
       
       Die Bergungsarbeiten sind ein Rennen gegen die Zeit: Die kritische
       Überlebensgrenze für Verschüttete liegt normalerweise bei 72 Stunden – so
       lange kann ein Mensch in der Regel ohne Wasser überleben. Temperaturen um
       den Gefrierpunkt machten den Überlebenden im Katastrophengebiet zusätzlich
       zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf.
       
       Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montagmorgen das
       Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Am
       Montagmittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben
       Region. Tausende Gebäude stürzten ein.
       
       Retter in Syrien vermuten, dass noch immer Hunderte Familien unter den
       Trümmern begraben sind. Eines der am schwersten betroffenen Gebiete in dem
       Land ist die von Rebellen kontrollierte Region Idlib.
       
       In Syrien war nach Protesten gegen die Regierung 2011 ein Bürgerkrieg
       ausgebrochen, in dem viele ausländische Staaten eingriffen und in dem über
       ein Jahrzehnt mehr als 350.000 Menschen getötet wurden. Die Assad-Regierung
       beherrscht inzwischen wieder rund zwei Drittel des zersplitterten Landes.
       Die Erdbeben-Katastrophe traf im Norden Gebiete unter verschiedener
       Kontrolle, was Helfern die Arbeit zusätzlich erschwert.
       
       Der Text wird laufend aktualisiert
       
       8 Feb 2023
       
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