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       # taz.de -- Umfragen zur Berlin-Wahl: „Es kann noch eine Menge passieren“
       
       > Laut dem FU-Professor Thorsten Faas entscheiden sich viele
       > Wähler*innen erst sehr spät. Umfragen sollten daher mit Vorsicht
       > interpretiert werden.
       
   IMG Bild: Erst am Sonntagabend ist wirklich klar, wie Berlin gewählt hat
       
       Berlin dpa | Der [1][Ausgang der Wiederholungswahl am Sonntag] ist nach
       Einschätzung des Berliner Wahlforschers Thorsten Faas trotz des zuletzt
       deutlichen Trends in den Umfragen weiter offen. „Wir sehen, dass sich viele
       Menschen spät entscheiden. Das schließt die Frage ein, ob man überhaupt zur
       Wahl geht“, sagte der Politikwissenschaftler, der an der Freien Universität
       lehrt, der Deutschen Presse-Agentur. Dann gebe es auch Menschen, die
       strategisch wählten und die Umfrageergebnisse nutzten, um die eigene
       Wahlentscheidung zu überdenken.
       
       „Man hat deshalb eine paradoxe Situation: Die diesmal sehr feinmaschige
       Beobachtung des Wahlkampfs mit Umfragen bringt bei einem so knappen Rennen
       nochmal Dynamik rein.“ Umfragen könnten durchaus mobilisierend wirken.
       „Wenn ich beispielsweise sehe, die FDP liegt bei fünf Prozent, wird das
       Anhänger motivieren zu verhindern, dass sie noch tiefer rutschen“, sagte
       Faas. „Ich wäre vorsichtig, die Umfragewerte schon als final zu sehen. Es
       kann noch eine Menge passieren.“
       
       Die vergleichsweise guten Werte für die CDU, die in mehreren Umfragen
       zuletzt deutlich vor SPD und Grünen Platz eins erreichte, liegen nach
       Einschätzung des Politikwissenschaftlers nicht alleine am Bundestrend: „Das
       würde nicht erklären, warum die Partei auf der Zielgeraden nochmal zugelegt
       hat. Kai Wegner hat das auch nicht als Person gerissen“, sagte Faas. Weder
       die Bekanntheits-, noch die Beliebtheitswerte des CDU-Spitzenkandidaten
       seien außergewöhnlich gut. „Aber der Senat polarisiert. Und die FDP ist
       über die Ampelregierung im Bund irgendwie mit SPD und Grünen verbunden, so
       dass die CDU als klarste Opposition zum Senat erscheint.“
       
       Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rot und Grün sei außerdem schwierig für
       beide Parteien und das Ansehen des Senats insgesamt. „Es entsteht der
       Eindruck, dass es kein Bündnis ist, das in eine Richtung zieht. Das führt
       dazu, dass die Werte weder für Giffey noch für Jarasch richtig gut sind.“
       
       Der Regierenden Bürgermeisterin und [2][SPD-Spitzenkandidatin Giffey] sei
       auch nicht in dem Maß wie von ihr erhofft gelungen, breite Kreise hinter
       sich zu versammeln. „Die SPD-Wähler stehen geschlossen hinter ihr, aber
       darüber hinaus sieht es anders aus“, sagte Faas. Sie habe wenig
       Unterstützung von den Grünen, auch nicht klar von den Linken, von denen
       viele für Jarasch seien. „Diese interne Konkurrenz macht es ihr schwer, auf
       gute Werte zu kommen.“
       
       Die Frage nach ihrer Zukunft im Fall einer klaren Wahlniederlage ist aus
       Sicht des Wissenschaftlers offen: „Dass Giffey ins zweite Glied rückt und
       Senatorin unter Jarasch wird, wenn die SPD auf Platz drei landet, ist
       schwer vorstellbar. Wenn es keine Machtperspektive für die SPD gibt, dann
       wird das sicher eine unangenehme Zeit für sie.“
       
       ## Rot-Grün-Rot auch bei CDU-Sieg möglich
       
       Dass es zu einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken kommt, auch wenn die
       CDU stärkste Partei wird, hält Faas für gut möglich: Die Reihenfolge der
       Parteien bei einem Wahlergebnis habe zwar Auswirkungen auf die Wahl des
       Parlamentspräsidenten. Der stehe der stärksten Fraktion zu. „Alles andere
       sind bestenfalls ungeschriebene Gesetze oder nicht einmal das. Davon kann
       man jederzeit abweichen.“
       
       „Wir werden unmittelbar nach 18 Uhr einen Kampf um die Deutungshoheit
       erleben“, ist Faas überzeugt. Möglicherweise lande die CDU sogar klar auf
       Platz eins. „Aber dann werden SPD und Grüne argumentieren: Wenn man die
       Stimmen zusammenzählt, ist eine andere Mehrheit da“, so der Wahlforscher.
       „Und dann wird man die auch umsetzen. Mehrheit ist Mehrheit. Alles andere
       ist schön, man kann sich aber nichts dafür kaufen.“
       
       9 Feb 2023
       
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