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       # taz.de -- Bauteile für Russland: Verdacht auf Sanktionsverstoß
       
       > Der Westen will Russlands Kriegswirtschaft isolieren. Offenbar lieferte
       > eine deutsche Firma trotz Verbots Elektronikbauteile nach Russland.
       
   IMG Bild: Die Zentrale der Smart Impex GmbH in Kerpen
       
       Berlin taz | Trotz Sanktionen kommen Bauteile aus dem Westen nach Russland,
       die von Moskaus Waffenindustrie genutzt werden können. Zolldaten sollen
       nach [1][Recherchen des ARD-Magazins „Monitor“] zeigen, wie eine Firma mit
       Sitz in Kerpen bei Köln Computerteile über die Türkei nach Russland
       verschifft hat. Die Kölner Staatsanwaltschaft durchsuchte am Mittwochmorgen
       an mehreren Orten Geschäfts- und Privaträume. Sie ermittelt, ob es sich um
       einen Sanktionsverstoß handelt.
       
       Schon seit Kriegsbeginn im vergangenen Jahr sind Sanktionen gegen Russland
       in Kraft. Die EU und die USA hatten bereits wenige Tage nach Kriegsbeginn
       die Lieferung von Mikrochips und Halbleitern verboten. Insgesamt neun
       Sanktionspakete beschloss die EU seitdem. Erst kürzlich hat Bundeskanzler
       Olaf Scholz (SPD) [2][weitere EU-Sanktionen angekündigt]. Dabei sollen
       bestehende Lieferbeschränkungen nach Russland verschärft und Schlupflöcher
       geschlossen werden.
       
       Eines der Schlupflöcher entdeckte offenbar die Firma Smart Impex GmbH, die
       elektronische Bauteile nach Russland verkauft. Vor Kriegsbeginn hatte die
       Firma aus Deutschland Elektronikkomponenten direkt nach Russland verkauft.
       Der Export wurde kurz vor der russischen Invasion in die Ukraine gestoppt.
       
       Nach den Recherchen von „Monitor“ sollen die Waren der Firma aber trotzdem
       Russland erreicht haben – über die Türkei. Das sollen Zolldaten belegen. In
       ihnen ist ab März 2022 eine Firma mit Sitz in der Türkei aufgetaucht, die
       eine Woche später Computerteile nach Russland geliefert haben soll. Es
       handelt sich dabei um die Firma AZU International, deren Mitgründer der
       Geschäftsführer der Smart Impex bei Köln ist.
       
       Über die Türkei soll das Unternehmen so Russland weiter mit Bauteilen
       versorgt haben, die zum Beispiel für Computer, aber auch von der
       Kriegswirtschaft gebraucht werden können. Die Firma soll seit Kriegsbeginn
       Waren im Wert von 20 Millionen US-Dollar in der Türkei an Russland
       verkauft haben.
       
       ## Kein Einzelfall
       
       Die Exportdaten der Türkei nach Russland sollen außerdem zeigen: Smart
       Impex ist kein Einzelfall. Laut „Monitor“ sollen im Jahr 2021 Halbleiter
       und elektronische Schaltkreise im Wert von 300.000 US-Dollar aus der Türkei
       nach Russland geliefert worden sein. 2022 seien die Exporte dann auf einen
       Warenwert von 86 Millionen US-Dollar gestiegen.
       
       Auch in anderen Ländern sollen Umschlagplätze für sanktionierte Waren
       entstanden sein. [3][Die Zeit berichtete], dass die Einfuhren für
       Prozessoren und Halbleitern von 1,8 Milliarden Euro vor dem Krieg auf
       2,45 Milliarden im Jahr 2022 gestiegen sind.
       
       Laut Experten sind die Komponenten wichtig für das russische Militär. Sie
       sollen sich beispielsweise in Raketen befinden, die in der Ukraine
       eingeschlagen sind. Mitarbeiter des auf Sicherheit und Verteidigung
       spezialisierten britischen Thinktanks Rusi fanden in der Ukraine Bauteile
       aus westlicher Produktion.
       
       Um von einer systematischen Umgehung der Sanktionen zu sprechen, müsse man
       detaillierter herausfinden, wer von was wusste, sagte die
       Sanktionsrechtsexpertin Bärbel Sachs der taz. Zuständig seien die
       Ermittlungsbehörden des Zolls und der Staatsanwaltschaft. Es gebe wohl kein
       Versagen staatlicher Stellen, „diese Umgehungskonstellationen über
       Drittländer sind wesentlich schwieriger nachzuverfolgen als direkte Exporte
       nach Russland“, so Sachs.
       
       Gegenüber „Monitor“ schrieb das Unternehmen Smart Impex, dass die Vorwürfe
       geprüft würden. In der Antwort heißt es, dass die exportierten Güter nicht
       von den Sanktionen betroffen gewesen sein sollen. Nach Recherchen von
       Reuters im Dezember hat der Mitgründer von AZU International in der Türkei
       bereits im November seine Anteile verkauft.
       
       9 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/russland-ukraine-sanktionen-101.html
   DIR [2] /Olaf-Scholz-vor-EU-Sondergipfel/!5914608
   DIR [3] https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-01/russland-sanktionen-halbleiter-chips-aussenhandel/komplettansicht
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tom Burggraf
       
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