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       # taz.de -- US-Rockcomedian auf Deutschlandtour: Rückkehr zu den Anfängen
       
       > Der US-Rockcomedian Weird Al Yankovic hat schon Michael Jackson, Madonna
       > und Lady Gaga persofliert. Nun tritt er erstmals in Deutschland auf.
       
   IMG Bild: Ganz ohne Parodie läuft bei ihm die Chose nicht: Weird Al Yankovic im Februar in Brüssel
       
       Gibt ein Mann ein Konzert … Es liegt nahe, sich an einem Witz zu versuchen
       über einen, dessen Geschäft der Humor ist, seit Jahrzehnten. Und der nun,
       eben, seinen Humor vielleicht ganz gut hat brauchen können: Als
       US-Rockcomedian Weird Al Yankovic sein allererstes Konzert auf deutschem
       Boden in der Hamburger Laeiszhalle gab, füllte sich der Saal nur zur
       Hälfte. Und Yankovic? Blieb an diesem Donnerstag freundlich, auf eine
       routinierte Weise, sicher. Aber ausnehmend freundlich.
       
       Warum tut sich einer so was an? Yankovics Karriere begann ziemlich genau,
       als der damals noch reine US-Musiksender MTV auf Sendung ging, in den
       frühen 1980er Jahren. Das hieß 24 Stunden zu füllendes Programm täglich,
       aber noch sehr wenig von dem, was man sich Content zu nennen angewöhnt hat.
       
       Yankovic selbst sagt, er habe davon profitiert, dass der Musiksender
       händeringend Videolips suchte. 1983 schaffte es Yankovic mit „Ricky“
       erstmals in die Billboard-Charts, wenn auch nur auf Platz 63. Und das
       dazugehörige Muiskvideo war vermutlich das erste komödiantische überhaupt.
       
       Den Bubblegum-Popsong „Mickey“, mit dem ein Jahr zuvor die Sängerin,
       Tänzerin und Choreografin Toni Basil kurz erfolgreich gewesen war, setzte
       er im Stil der Sitcom „I Love Lucy“ in Szene; zwei Parodien auf einen
       Streich also.
       
       Eigentlich war damit schon ausformuliert, was den heute 63-jährigen Sohn
       österreichisch-slowenisch- und italienischstämmiger Eltern die folgenden
       Jahrzehnte lang sehr gut im Rockbiz hielt: das nie wirklich böse gemeinte
       Aufskornnehmen maximal bekannter Vorlagen; und das Wissen: Wenn du heute
       was verkaufen willst, brauchst du ein Video mit einer halbwegs guten Idee
       dahinter.
       
       ## Akkordeon spielender Scherzkeks
       
       Und verkauft hat er, spätestens nach „Eat It“ (1984), seiner Version
       [1][von „Beat It“,] für die Michael Jackson selbst sein Okay gegeben hatte.
       Bis heute, heißt es, holt Yankovic sich immer die Zustimmung derer ein, die
       er parodiert. Nicht, weil er muss, sondern weil er es ethisch richtig
       findet.
       
       Jackson, den King of Pop, hat er sich gleich mehrfach vorgenommen, ferner
       Madonna, James Brown, Queen, [2][Nirvana,] Coolio, die Red Hot Chili
       Peppers, Lady Gaga und, und, und. Rund 150 Songparodien hat der studierte
       Architekt verfertigt, etliche dürften heute bekannter sein als die damit
       verhohnepipelten Originale.
       
       Dass ein Akkordeon spielender Scherzkeks wie Yankovic kein One-Hit-Wonder
       sein muss, das zumindest hat er klargestellt in gut 40 Jahren: 17 Goldene
       und 15 Platin-Schallplatten listet sein Wikipedia-Eintrag und mehr als 12
       Millionen verkaufter Alben.
       
       Mit dem Repertoire wuchs auch der Aufwand bei seinen Konzerten:
       Videotechnik und unzählige Kostüme mussten mit, es wurde „eine Riesenshow“.
       Da ist die aktuelle Tournee geradezu eine Rückkehr zu den bescheideneren
       Anfängen – umso dröhnender betitelt: „The Unfortunate Return of the
       Ridiculously Self-Indulgent Ill-Advised Vanity Tour“. Statt in den ganz
       großen Hallen und Stadien tritt er in erklärt intimen Rahmen auf: Yankovic,
       auch mal am Akkordeon, dazu Gitarrist, Bassist, Keyboarder und
       Schlagzeuger, mit denen er teils von Anfang an zusammenarbeitet.
       
       ## Grau gewordener Nerd
       
       Da sitzen also fünf gesetzte Herren zwischen hochwertigem Musikgerät auf
       der Bühne – in Hamburg zum Tourbeginn dann auch noch im eher nicht so
       naheliegenden Ambiente: Diese sichtlich vertraut jammenden Dad-Typen rufen
       doch nicht nach dem stuckverzierten Neobarock der Laeiszhalle; die noch
       dazu daran erinnerte, wie mäßig nur sie sich für elektrisch Verstärktes
       eignet.
       
       Keine Lappalie bei einem wie Yankovic: Die Persiflage besorgt der ja
       wesentlich über geänderten Textzeilen zur immer wieder beeindruckend
       präzise Klischees reproduzierenden Musik. Da muss man ihn dann schon auch
       verstehen können.
       
       Überhaupt: Man würde dem US-Künstler wohl auch einen Abend beim Reden
       zuhören, diesem alt gewordenen, gutmütigen Nerd. Der lange sein
       Markenzeichen bildende Schnauzbart ist längst ab, aber vom Kopf baumeln
       immer noch diese halblangen Minipli, und inzwischen erlaubt er sich auch zu
       zeigen, wie grau sie werden. Yankovics allerbeste Zeiten mögen vorbei sein,
       so wie es auf MTV kaum noch Musikvideos gibt.
       
       Die alte Masche sei schwieriger geworden, hat er mal gesagt, auch weil es
       immer seltener den einen ganz großen, überall verstandenen Welthit gibt.
       Aber das lässt sich ja auch anders erzählen: Yankovic muss sich nicht mehr
       sorgen um Relevanzbeweise. Er kann längst machen, wonach ihm der Sinn steht
       – etwa selbst mitarbeiten am Drehbuch für Eric Appels Biopic-Parodie
       „Weird“ (2022), die dieses Jahr auch endlich auf Deutsch herauskommen soll.
       
       Die „Ill-Advised Vanity Tour“ war angekündigt worden mit den Worten, es
       werde nicht die bekannten Hits anderer zu hören geben, sondern obskure
       Eigenkompositionen. Aber wer, wenn nicht einer wie Weird Al Yankovic,
       sollte darauf zählen können, dass sein Publikum ihm nachsieht, wenn auch
       die gespielten Witze schon etwas grau geworden sind? Und bei allem etwaigen
       Konzept: Ganz ohne Parodie musste auch niemand nach Hause gehen.
       
       26 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Jubilaeum-von-Nirvanas-Nevermind/!5802940
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
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