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       # taz.de -- Justizreform in Israel: Verletzte bei Protesten in Tel Aviv
       
       > Israels Parlament hat am Mittwoch über die Todesstrafe und andere Teile
       > einer Justizreform beraten. Bei Protesten kam es zu Gewalt.
       
   IMG Bild: Die Polizei geht hart gegen die Protestierenden in Tel Aviv vor
       
       Tel Aviv/Berlin | dpa/taz | Das israelische Parlament hat am Mittwoch
       Beratungen über ein Gesetzesvorhaben aufgenommen, das die Todesstrafe für
       Terroristen vorsieht. Außerdem wurde – begleitet von heftigem Protest – in
       einer ersten Abstimmung ein Gesetzentwurf gebilligt, der es schwerer machen
       soll, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Das Vorhaben
       ist Teil einer umstrittenen Justizreform.
       
       Der Entwurf zur Todesstrafe wurde von der Abgeordneten Limor Son Har-Melech
       von der rechtsextremen Regierungspartei Ozma Jehudit eingebracht. Ihr Mann
       war 2003 bei einem palästinensischen Anschlag getötet worden, sie selbst
       erlitt schwere Verletzungen. Es sind noch weitere Lesungen notwendig, bevor
       das Gesetz in Kraft tritt. Ähnliche Vorstöße sind in der Vergangenheit
       gescheitert.
       
       Laut Entwurf soll mit dem Tode bestraft werden, „wer absichtlich oder aus
       Gleichgültigkeit den Tod eines israelischen Bürgers verursacht, wenn die
       Tat aus einer rassistischen Motivation erfolgt oder aus Feindseligkeit
       gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe“ – mit dem Ziel, „dem Staat Israel
       zu schaden oder der Wiedergeburt des jüdischen Volkes in seinem
       Heimatland“. Im besetzten Westjordanland sollen Militärgerichte befähigt
       werden, mit einfacher Mehrheit Todesurteile auszusprechen.
       
       Israel hatte die Todesstrafe für Mord 1954 abgeschafft. Das Gesetz
       ermöglichte zwar weiter die Verhängung der Todesstrafe in bestimmten
       Fällen, etwa gegen NS-Verbrecher oder bei Verrat in Kriegszeiten. Die
       Hinrichtung Adolf Eichmanns 1962 war aber das letzte Mal, dass eine von
       einem ordentlichen Gericht in Israel ausgesprochene Todesstrafe vollstreckt
       wurde.
       
       [1][Limor Son Har-Melech hatte zuletzt für Schlagzeilen gesorgt], als sie
       am Sonntag in das Dorf Huwara im Westjordanland reiste, um ihre
       Unterstützung für gezielte Angriffe auf Palästinenser*innen zum
       Ausdruck zu bringen. Radikale Siedler hatten dort Autos und Häuser in Brand
       gesteckt. Ein Araber wurde bei den Attacken getötet, die die Angreifer als
       Rache für einen Anschlag auf Israelis verstanden. Am Montag erschoss ein
       Palästinenser einen weiteren Israeli im Westjordanland.
       
       Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich sprach sich am Mittwoch
       dafür aus, Huwara „auszuradieren“. [2][Smotrich, der auch für den
       Siedlungsausbau im Westjordanland zuständig ist], sagte: „Ich denke, das
       Dorf Huwara muss ausradiert werden. Ich denke, der Staat Israel muss dies
       tun – um Gottes Willen keine Privatleute.“
       
       ## Proteste schlagen in Gewalt um
       
       Unterdessen sind am Mittwoch die Proteste gegen die Justizreform erstmals
       in Gewalt umgeschlagen. Die Polizei setzte einen Wasserwerfer und
       Blendgranaten gegen Demonstranten ein, die eine Autobahn in Tel Aviv
       blockierten.
       
       Nach Darstellung der Polizei wurden aus der Menge Steine und Flaschen auf
       die Beamten geschleudert. Nach Berichten israelischer Medien gab es mehrere
       Verletzte. 39 Demonstranten wurden laut Polizei festgenommen. Der
       ultranationalistische Minister für Innere Sicherheit, Itamar Ben-Gvir,
       hatte zuvor die [3][Demonstranten als Anarchisten] bezeichnet und die
       Polizei aufgefordert, alle Blockaden aufzulösen.
       
       Gegner der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatten für
       den Mittwoch zu einem nationalen Protesttag gegen die Justizreform
       aufgerufen, bei dem unter anderem der Verkehr blockiert werden sollte.
       
       Einige Demonstranten sperrten am Morgen rund eine Stunde lang die Autobahn
       zwischen Tel Aviv und Jerusalem. An Bahnhöfen in Tel Aviv verhinderten
       Demonstranten die Abfahrt von Zügen, indem sie Türen blockierten. Die
       größten Kundgebungen waren später außerhalb des israelischen Parlaments,
       der Knesset, und nahe dem Haus Netanjahus geplant.
       
       Seine Kritiker werfen dem Regierungschef vor, mit der Reform die
       demokratische Gewaltenteilung in Israel zu untergraben. Unter anderem soll
       der Oberste Gerichtshof geschwächt werden und die Regierung mehr Kontrolle
       über Richterernennungen erhalten.
       
       1 Mar 2023
       
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       weiter.