URI: 
       # taz.de -- Diversität im Sport: Schneller Konter gegen Hass
       
       > Große Sportverbände haben jüngst trans Frauen aus dem Frauensport
       > ausgeschlossen. Bei den Berlin Bruisers spielen Flinta in einer
       > offiziellen Liga Rugby.
       
   IMG Bild: Rachel Schneider und Mitch Pfeiffer haben bei den Berlin Bruisers ein solidarisches Team gefunden
       
       Berlin taz | Dass Mitch Pfeifer an einem Tag im August erstmals beim
       Rugbytraining der Berlin Bruisers landet, ist Zufall: Ein Mitglied des
       neuen Flinta*-Teams lud Pfeifer ein. Flinta steht für Frauen, Lesben,
       inter, nicht-binäre, trans und agender Personen. Das Team, im Frühjahr 2022
       gegründet, ist das erste deutsche Flinta*-Rugbyteam überhaupt. Mitch
       Pfeifer ist nicht-binär, ist also weder männlich noch weiblich, und nutzt
       das Pronomen they. „Teamsport fand ich immer eher einschüchternd. Ich
       dachte, ich kann das nicht und habe nicht den richtigen Körper dazu.“ Ein
       Flinta*-Team aber findet they „mega cool“, die Stimmung „voll empowernd“.
       Nicht unbedingt der Sprachduktus, der sonst in Sportklubs herrscht. Die
       Bruisers sind die Nische der Nische. Sie wollen Sportkultur anders denken.
       
       „Bei uns im Team wird man die ganze Zeit angefeuert und voll unterstützt“,
       erzählt Pfeifer. „Mein Trainer im Tennis hat uns angeschnauzt. Das gibt es
       bei uns nicht. Es gibt keine Körpernormen oder Ideen, wie man sein soll.“
       Mitch Pfeifer fühlte sich sofort angenommen. Das Team trägt Flinta nicht
       nur im Namen, es seien tatsächlich alle Identitäten des Kürzels vertreten.
       Seit Herbst spielen die Berlin Bruisers der Regionalliga Nordost, einer
       offiziellen Frauenliga. Probleme wie Proteste durch andere Vereine gibt es
       laut Team keine.
       
       Die Bruisers sind ein Projekt zu einer Zeit, in der das Pendel nicht nur im
       Rugby in die Gegenrichtung schlägt. Es gibt kaum eine Sportart, in der
       nicht über Körper von inter Personen, hyperandrogynen und trans Frauen
       diskutiert wird. Es geht um vermeintliche und faktische Vorteile etwa durch
       Körpergröße und Testosteronwerte. Oft ohne valide Studien – und ohne ein
       real existierendes Problem: In Wettbewerben sind etwa trans Frauen im
       Gegenteil stark unterrepräsentiert. Bei der Diskussion handelt es sich um
       eine sexistische Kontinuität. Seit Beginn des Verbandssports haben Männer
       solche Frauen, die ihnen als zu „männlich“ galten, von Frauenwettbewerben
       ausgeschlossen. Verbandssport ist Hüter eines radikal binären Systems.
       Frauen gelten ihm seit jeher als das unterlegene Geschlecht, das geschützt
       werden müsse – vor „Männern in Frauenkleidern“.
       
       ## Vorgebliche Verletzungsgefahr ohne echte Fälle
       
       Diese Kontinuität verbindet sich mit einem transfeindlichen
       gesellschaftlichen Backlash. Mehrere Weltverbände haben 2022 Verbote
       beschlossen: Der Weltschwimmverband Fina, mittlerweile World Aquatics,
       [1][verbietet trans Frauen die Teilnahme], sofern sie die
       Geschlechtsangleichung nicht vor der Pubertät vorgenommen haben. World
       Rugby schließt seit 2022 trans Frauen komplett aus wegen vorgeblicher
       Verletzungsgefahr für cis Frauen, obwohl keine Verletzungsfälle bekannt
       sind.
       
       Rachel Schneider, Gründerin des Flinta*-Teams der Bruisers, sieht sich im
       Widerstand zur Regel. Ein Turnier in England, das trans Frauen ausschloss,
       haben die Berlin Bruisers abgesagt. Sie vernetzen sich, lobbyieren,
       informieren. Dabei will Schneider das Team nicht als Reaktion auf das
       Verbot verstanden wissen, eher als proaktives Schaffen eines Raums. „Die
       meisten Ausschlüsse passieren in England, Wales, Schottland und Irland“,
       sagt sie.
       
       „Es gibt aktuell viel [2][Transphobie] in Großbritannien, und das ist in
       den Sport geraten. Aber in anderen Rugbyländern sehen wir das nicht.“ In
       Deutschland gab es vor allem von Frauen großen Protest gegen die
       Transfeindlichkeit. Sie drängten den männerdominierten Verband DRV, sich
       kritisch zu positionieren. „Rugby der Frauen war immer ein sehr queerer
       Ort“, sagt Schneider.
       
       Mitch Pfeifer sagt: „Rugby ist in Deutschland eine Mini-Sportart, deshalb
       kann man ein bisschen mehr machen, was man will.“ So reagierten die anderen
       Ligateams freundschaftlich und interessiert auf die Bruisers. Nur mit den
       Schiris, erzählt Schneider, gebe es manchmal Diskussionen, wenn es zu
       Ansprachen wie „Hey Mädels“ käme. „Aber generell ist die Erfahrung echt
       positiv.“
       
       ## In erster Linie Spaß haben
       
       Schwimmen ist vielleicht das Gegenteil von Rugby: olympische Kernsportart
       und deutscher Massensport, organisiert von oft verkrusteten,
       männerdominierten Vereinen. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) steckt in
       der Krise, auch wegen sexualisierter Gewalt. Bei der Abstimmung zum
       Transverbot enthielt man sich. Auf den Fragenkatalog der taz antwortet der
       DSV: „Der Meinungsbildungsprozess im Vorstand samt Austausch mit internen
       und externen Expert*innen“ dauere an. Es folgt ein nichtssagendes
       Sowohl-als-auch: „Chancengleichheit ist schließlich ein existenzieller
       Grundwert des Sportwettkampfs. Unabhängig davon wird geschlechtliche
       Vielfalt durch und bei uns im Verband aber willkommen geheißen.“ Seit 2020
       könne man sich als divers registrieren lassen.
       
       Auch im Schwimmen gibt es durchaus spezielle Räume für trans und inter
       Personen, etwa beim Berliner Sportverein SV Seitenwechsel. Aber offenbar
       keinen breiten Protest, keine Flinta*-Wettkampfteams. Laut DSV gab es im
       Wettkampfsport keinen gemeldeten Bedarf für eine Einzelfallprüfung. Die
       große Sorge von Aktivist:innen ist stets, dass das Feuer überspringe
       und andere Verbände nachziehen. Klubs wie die Bruisers wollen helfen,
       bestehende Verbote rückgängig zu machen.
       
       Derzeit planen sie ein eigenes Flinta*-Turnier und einen offenen Brief an
       den englischen Rugby-Verband RFU, in dem sie fordern, das Verbot aufzuheben
       und gemeinsam mit Betroffenen eine inklusivere Regelung zu finden. Bei
       ihnen gilt: in erster Linie Spaß haben. Und in zweiter Linie etwas
       bewirken. „Es gibt ein politisches Klima, in dem man kämpfen muss“, sagt
       Mitch Pfeifer. „Das ist natürlich scheiße. Aber uns ist klar, dass wir das
       machen wollen.“
       
       10 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.deutschlandfunk.de/fina-schwimmen-trans-100.html
   DIR [2] /Verzoegerung-von-Selbstbestimmungsgesetz/!5904850
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Schwermer
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Feministischer Kampftag
   DIR Antifeminismus
   DIR FLINTA*
   DIR Schwerpunkt LGBTQIA
   DIR Rugby
   DIR Transpersonen
   DIR Gender
   DIR GNS
   DIR Podcast „Vorgelesen“
   DIR Kolumne leibesübung*innen
   DIR Boxen
   DIR FLINTA*
   DIR Sport
   DIR Rugby
   DIR Schwerpunkt Feministischer Kampftag
   DIR Schwerpunkt LGBTQIA
   DIR Transgender
   DIR Gender
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Rugby der Frauen: Vor dem großen Sprung
       
       England hat nun endlich einen Gegner auf Augenhöhe in Europa. Für den Sieg
       im Six Nations reicht es aber immer noch.
       
   DIR FLINTA*-Gym in Hamburg-Altona: Ein doppelter Kampf
       
       Das Tyger Trimiar Gym versteht sich als feministische Intervention in der
       Vereinslandschaft. Wir durften beim FLINTA*- Boxen dabei sein.
       
   DIR Segeln ohne Cis-Männer: Eine Seefahrt, die ist weiblich …
       
       … und lesbisch, trans, inter, nonbinär, agender. Unterwegs mit einer
       FLINTA*-Crew auf einem Segeltörn vor der Küste Schwedens.
       
   DIR Frauensport außerhalb des Vereins: Ist das schon Revolte?
       
       Männer treiben eher Sport im Team, Frauen allein – auch, weil sie im Verein
       Hürden erleben. Aerobic oder Yoga schufen Befreiung.
       
   DIR Rugby für Anfänger: Die ganze Insel siegt
       
       Irlands Rugby-Auswahl gewinnt das Six-Nations-Turnier. Und durch den Sieg
       über England sichert es sich noch den inoffiziellen Grand Slam.
       
   DIR Texte zu Antifeminismus: Kenne deinen Feind
       
       Zum feministischen Kampftag schauen wir genauer hin: Wer steckt hinter
       antifeministischen Bestrebungen? Wie äußert er sich? Wie kann man ihm
       begegnen?
       
   DIR Transfeindlichkeit: Wir geben dem Hass Raum
       
       Am Freitag starb ein trans Mann nach einem Angriff beim CSD in Münster.
       Selten ist Queerfeindlichkeit so sichtbar, doch sie ist Alltag in
       Deutschland.
       
   DIR Transgenderathletinnen im Spitzensport: Wie Backsteine in einer Wand
       
       Die Diskussion um Teilhabe von Transgendersportlerinnen spitzt sich zu. Der
       Schwimmverband hat die Regeln verschärft. Zu Recht?
       
   DIR Inklusiver Sport für alle Geschlechter: Das Märchen von der Gerechtigkeit
       
       Erbittert wird im Sport über Geschlecht und Fairness diskutiert. Fair ist
       Wettbewerb nie, aber wie könnte Sport gerechter werden?