# taz.de -- Aktivistin über Proteste am Frauentag: „Das Ziel – der Sturz des Regimes“
> Auch in Hamburg protestieren viele gegen das iranische Regime. Aktivistin
> Shadi erklärt, warum sie zur Aktion „Frauen, Leben, Freiheit“ aufruft.
IMG Bild: Frauen, Leben Freiheit: Protest in der Hamburger Innenstadt gegen das Regime im Iran
taz: Shadi, wann haben Sie sich entschlossen, Teil der Proteste gegen das
iranische Regime zu werden?
Shadi: Als [1][Mahsa Amini] im vergangenen September vom iranischen Regime
umgebracht wurde, habe ich gedacht: So geht es nicht mehr weiter. Auch für
viele andere war das so. Das Fass hatte nur noch ein bisschen gebraucht, um
überzulaufen – und das war dann der Tod von Mahsa.
Und dann haben Sie beschlossen, sich hier in Hamburg zu engagieren?
Ich dachte, ich bin jetzt hier in Sicherheit und kann deswegen die Stimme
der Männer und Frauen sein, die im Iran auf die Straße gehen und ihr Leben
riskieren. Im Gegensatz zu ihnen tue ich ja kaum etwas.
Was ist die Aufgabe des Aktivismus, der hier stattfindet?
Wir unterstützen die Menschen dabei und geben ihnen Motivation, um
weiterzumachen und gegen das Regime aufzustehen.
Was sind Forderungen, die Sie an die europäische Iran-Politik haben?
Das Mindeste, was Europa machen kann, ist die Revolutionsgarden auf die
Terrorliste zu setzen. Die Politiker halten sehr schöne Reden, aber wenn es
ums Handeln geht, verschwinden sie selber von der Bildfläche. Die
Sanktionen wiederum bringen gar nichts. Die Menschen im Iran werden nur
darunter leiden. Normale Zivilisten haben nichts mehr zu essen, sie haben
kein Geld und keine Arbeit. Die Angehörigen des Regimes werden sowieso von
dem Geld gefüttert, das den Menschen gehört.
Die Proteste und demnach auch der Aktivismus hier in Deutschland dauern
seit einem halben Jahr an. Was ist in dieser Zeit in Bewegung geraten?
Sehr viele Menschen überall auf der Welt wissen jetzt, dass die
Menschenrechte im Iran keine Bedeutung haben. Das Leben dort ist kein
Friede, Freude, Eierkuchen. Das Regime bringt seine eigenen Frauen und
Männer um.
Wie ist die Stimmung unter den Aktivist:innen?
Wir haben alle ein Ziel: den Sturz des Regimes. Am Anfang gab es
organisatorische Streitigkeiten, weil alle dachten, sie wüssten besser, wie
es funktioniert. Aber das ist schon viel besser geworden. Bei vielen Sachen
ist es auch so, dass es inhaltliche Konflikte gibt. Es sind schließlich
unterschiedliche politische Lager Teil des Protestes und manchmal ist das
Wissen übereinander begrenzt.
In Hamburg gibt es [2][das Islamische Zentrum (IZH)], das vom
Verfassungsschutz beobachtet wird und als Außenposten des Iranischen
Regimes gilt. Wie stehen Sie dazu?
Wer beim IZH ist, gehört nicht zu uns. Das sind eindeutig Regimeanhänger.
Bekannte von mir wurden auch schon Mal von ihnen mit einem Messer bedroht.
Die Politik sagt seit Monaten, dass sie dabei sind, das IZH zu schließen.
Aber Ergebnisse sieht man nicht.
Morgen ist Weltfrauentag und es finden insgesamt zwei Veranstaltungen unter
dem Motto „Frauen, Leben, Freiheit“ in Hamburg statt – eins wurde von der
Gruppe „Etehad“ organisiert, der Sie angehören. Die andere Veranstaltung
wird von der [3][Kulturbrücke Hamburg] durchgeführt. Warum gibt es zwei
verschiedene Veranstaltungen?
Zwischen unseren Gruppen gibt es Meinungsverschiedenheiten, ohne ins Detail
gehen zu wollen.
Viele Aktivist:innen berichten von Einschüchterung durch den Iranischen
Staat. Haben Sie auch solche Erfahrungen gemacht?
Das Regime hat überall seine Arme, aber das ist mir egal. Ich denke dann an
die vielen Menschen, die schon umgebracht worden sind. Ich wurde ein Mal
von einem Mann bedroht und habe das auch bei der Polizei gemeldet. Aber
meine Familie im Iran hat zum Glück noch nichts von solchen Vorfällen
berichtet.
Möchten Sie noch mal in den Iran zurückkehren?
Ich vermisse Iran und meine Stadt Teheran so sehr. Solange das Regime nicht
gestürzt ist, kann ich aber nicht mehr zurück. Ich glaube, dass ich schon
am Flughafen festgenommen werden würde und dann würde man nie wieder etwas
von mir hören.
6 Mar 2023
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