URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Ein Conjäckchen in Ehren
       
       > Städtepartnerschaften gibt es viele in der Welt, aber bei manchen sind
       > Trinkorgien geradezu logische Konsequenz des Kommunikationsaustauschs.
       
       Der kleine, französische Ort „Cognac“ im Département Charente unterhält
       eine Städtepartnerschaft mit der peruanischen Hafenstadt „Pisco“. In der
       Tat. Man mag sich gar nicht vorstellen, was dort los ist, wenn zusammen auf
       die Partnerschaft angestoßen wird. Und was die jeweiligen
       Stadtreinigungsbetriebe nach den Feiergelagen so alles wegkehren müssen,
       igitt. Vermutlich gibt es zwischen den Städten auch rege Kommunikation in
       Sachen Präventionsarbeit und Jugendschutz. Von den immer gleichen
       Gastgeschenkideen der Schüleraustauschkandidaten ganz zu schweigen.
       
       Vegane Pisco-Sour-Rezepte sind jedenfalls schon länger im Umlauf – der für
       die Cocktail-Kreation notwendige Eischnee lässt sich ganz gut mit dem
       Kochwasser von Kichererbsen, Bohnen oder anderen Hülsenfrüchten simulieren,
       man schmeckt die Bohne kaum. Wenn man sich zudem vor Augen führt, woher das
       angeblich echte Rührei stammt, das in Hotel-Frühstücksräumen oder an Bord
       der Deutschen Bahn serviert wird – ein älterer Freund wurde neulich nach
       DB-Rührei-Genuss für eine Woche wegen Lebensmittelvergiftung ins
       Krankenhaus eingewiesen –, dann ist „Aquafaba“, so heißt der
       Kichererbsenschnee, keine schlechte Alternative.
       
       Mir verging einst in einem Hotel gründlich der Appetit auf Rührei, als ich
       das Tetrapack mit dem eitergelben Zeug sah, das in die Pfanne gegossen
       wurde und mit Hühnchennachwuchs nur bedingt zu tun hatte.
       
       Da lobe ich mir doch veganen Champagner: Kein einziges Hühnchen gackert
       verwundert dem gestohlenen Ei hinterher, und trotzdem schmeckt alles. Dass
       Hühner, genau wie das Molkereinutztier Kuh, tatsächlich den ganzen Tag
       körperlich arbeiten müssen, verhagelt mir eh schon lange den Genuss. So ein
       Öko-Schwein, das glücklich grunzend im Dreck wühlt und seine Ferkel herzt,
       bis es sich wundert, was denn da für ein kaltes und schwarzes Rohr über ihm
       – bumm!, ist dagegen ein erträglicheres Bild.
       
       Die Frage nach dem Bewusstsein der Tiere ob ihrer Verluste kann man zwar
       als „Vermenschlichung“ abwehren, aber erst 2021 wurde in Großbritannien ein
       Gesetz erlassen, das Tierquälerei stärker unter Strafe stellt – weil „alle
       Wirbeltiere Gefühle haben, Freude, Vergnügen, Leid und Schmerz empfinden
       können“. Mitleid als empathisches Sentiment sollte also reichen.
       
       „Asbach Uralt“ ist übrigens kein Cognac, sondern ein Weinbrand. Das
       Unternehmen wurde 1892 von Hugo Asbach gegründet, zu einer Zeit, in der das
       Adjektiv „uralt“ eine positive Konnotation hatte. Aus reiner Neugier habe
       ich recherchiert, welche Städtepartnerschaften die Asbach-Heimat Rüdesheim
       am Rhein betreibt, und wurde nicht enttäuscht: Man verpartnert sich mit der
       Weinstadt Meursault in Burgund.
       
       Auch für die an beiden Orten angesiedelten Partnerschaftspartys lassen sich
       also Kopfschmerzen und Magenflauten antizipieren. Es sei denn, die Party
       People haben ausreichend mit veganem Rührei vorgelegt.
       
       3 Mar 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Städte
   DIR Getränke
   DIR Partnerschaft
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Heilige
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Yoga mit Tomaten
       
       Der Plan, 123 Jahre alt zu werden, könnte aufgehen. Aber nur, wenn
       entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden, die weitreichende Folgen
       haben.
       
   DIR Die Wahrheit: Gesund, jung und schön wie ich
       
       Solange es nicht um Politik, Wirtschaft oder Straftat geht, ist es kein
       Verbrechen, den eigenen Hintergrund zu vertuschen – wie bei
       Videokonferenzen.
       
   DIR Die Wahrheit: Die geheime Tür im Schlafzimmer
       
       Was könnte nicht alles in einem Extraraum aus einem Extratraum
       untergebracht werden? Müllhalde, Schuhlager oder Tikibar? Aber das machen
       ja alle …
       
   DIR Die Wahrheit: Kokstaxi fährt Bierbike an
       
       Drogenlieferdienste auszuheben ist keine schwierige Sache, nicht einmal für
       die Berliner Polizei, die auch das Internet kennt.
       
   DIR Die Wahrheit: Lang lebe die Maskenpflicht!
       
       Bald werden wir uns wieder riechen müssen, wird nicht schön werden. Denn
       keine Maskenpflicht mehr heißt: Wunderbare urbane Anonymität verschwindet.
       
   DIR Die Wahrheit: Heiliger Bi-Bimbam!
       
       An zwei oder mehreren Orten gleichzeitig tätig sein kann nicht nur der
       Nikolaus oder das Christkind, manche Wesen sind besonders gut im
       Multitasking.