# taz.de -- OSZE-Konferenz in Wien: Russen dürfen in die Hofburg
> Russland hat Delegierte auf die Staatenkonferenz der OSZE entsendet. Die
> Ukraine und Litauen sagen ihre Teilnahme an dem Gipfel deshalb ab.
IMG Bild: Demonstrierende vor der Hofburg in Wien: Hier trifft sich die OSZE-Konferenz
Wien taz | „Russland ist ein Terrorstaat“, steht auf dem Plakat, das eine
Gruppe ukrainischer Demonstrantinnen und Demonstranten am Donnerstagmittag
auf dem Wiener Heldenplatz hochhält. „Setzt euch nicht mit Mördern an den
Tisch“, protestieren sie in Sprechchören an die Adresse der Delegierten der
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die zu dem
Zeitpunkt gerade in der Hofburg eintreffen.
Das Datum könnte nicht unglücklicher gewählt sein: Ausgerechnet am
Donnerstagabend, nur wenige Stunden vor dem Jahrestag des russischen
Überfalls auf die Ukraine, tritt in Wien [1][die Organisation für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)] zu ihrer zweitägigen
parlamentarischen Tagung zusammen. Üblicherweise ist das Wintertreffen der
57 Staaten aus Europa, Asien und Nordamerika den Medien nicht mehr als eine
Kurzmeldung wert. Diesmal ist das anders, denn die ukrainischen
Delegierten wollen nicht mit den Russen an einem Tisch sitzen.
Anna Paterman, die Wortführerin der Demonstranten, findet das richtig: „Zum
Dialog braucht es zwei Parteien. Wenn eine Partei davon einfach
machtbesessen ist, egal, was es kostet, dann finde ich, sollte man diese
Partei nicht zum Dialog einladen.“
Geht es nach der Ukraine, hätte der österreichische Außenminister Alexander
Schallenberg (ÖVP) die Russen, die mit ihrer Aggression gegen die
OSZE-Charta verstoßen, ausladen müssen. 81 Abgeordnete aus 20 Ländern
hatten bereits Anfang Februar an Österreich appelliert, die Teilnahme der
russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern.
Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark,
Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den
Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der
Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben. Dennoch, beschied
der Minister: Durch das Amtssitzabkommen sei Österreich völkerrechtlich
verpflichtet, Abgeordneten aus allen Mitgliedsstaaten, eben auch aus
Russland, Visa auszustellen. Polen hätte beim jüngsten OSZE-Treffen anders
verfahren können, da es eben nicht Sitzstaat ist.
In Wien ist man sich der Peinlichkeit dieser Entscheidung durchaus bewusst.
Deswegen wird von Regierungsseite ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
Visa einzig zur Teilnahme an der Konferenz und nicht zum Auftritt bei
anderen Veranstaltungen berechtigten. Laut Gerüchten will der eine oder
andere am Freitag am rechten Akademikerball, der von FPÖ-nahen
Burschenschaften ausgerichtet wird, auftauchen. Eingeladen habe sie
niemand, beteuern die Veranstalter. Diplomaten bezweifeln, dass dieses
Verbot im Fall eines Verstoßes auch exekutiert werden könnte.
Österreichs Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als Gastgeber des
Treffens versäumte es nicht, den Tabubruch des russischen Einmarsches in
die Ukraine zu verurteilen. Der Krieg werde aber einmal enden, sagt er, und
dann sei Diplomatie gefragt: „Es ist unsere Pflicht, die Tür der Diplomatie
nicht zuzuschlagen.“
Moskau macht sich ein Vergnügen daraus, ausgerechnet solche Abgeordnete zu
entsenden, die auf der Visa-Sperrliste der EU stehen. Das trifft zumindest
auf sechs der neun Delegierten zu. Darunter der Putin-Vertraute Pjotr
Tolstoi, ein Urenkel des Schriftstellers Leo Tolstoi, der bei einem
Auftritt im russischen Fernsehen die Ukraine „ins 18. Jahrhundert
zurückbomben“ wollte; und der Vorsitzende des Außenausschusses in der Duma,
Leonid Sluzki, der für die Hinrichtung von Kriegsgefangenen plädiert hat.
Für den ukrainischen Delegationsleiter Mykyta Poturajew ist die Präsenz der
Russen unerträglich. Die russischen Abgeordneten würden versuchen, die
Veranstaltung „als Propagandashow“ zu verwenden: „Wir haben Würde, Ehre und
sind keine Puppen in einer russischen Muppet-Show.“ Die Ukrainer werden,
ebenso wie die Delegation aus Litauen, nicht an der Tagung teilnehmen.
Andere Delegationen denken daran, durch ukrainische Fähnchen Solidarität
zu zeigen oder den Saal zu verlassen, wenn russische Abgeordnete
Propagandareden halten sollten.
Die Schwedin Margareta Cederfelt, die turnusmäßig den Vorsitz führt, hat
den ÖVP-Abgeordneten Reinhold Lopatka zum Sonderbeauftragten der
Versammlung für den parlamentarischen Dialog mit der Ukraine ernannt.
Journalisten und Journalistinnen sind „aus logistischen und
sicherheitstechnischen Gründen“ nicht in der Hofburg zugelassen. Das
Treffen wird aber auf Youtube und Facebook übertragen.
23 Feb 2023
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## AUTOREN
DIR Ralf Leonhard
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