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       # taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Neue Waffen-Wünsche der Ukraine
       
       > Der Krieg dominiert die Sicherheitskonferenz. Es werden tausende
       > Demonstrierende erwartet. Baerbock verteidigt die militärische Hilfe für
       > die Ukraine.
       
   IMG Bild: Außenministerin Annalena Baerbock und ihr US-amerikanischer Amtskollege Antony Blinken auf der Münchner Sicherheitskonferenz
       
       München taz/dpa/afp | Neue Waffen-Wünsche aus der Ukraine: Nach Artillerie,
       Flugabwehrsystemen, Schützen- und Kampfpanzern, sowie Kampfjets setzen
       ukrainische Vertreter:innen nun Streumunition und Phosphor-Brandwaffen
       auf die Wunschliste an die Verbündeten.
       
       Auf der Münchner Sicherheitskonferenz forderte der ukrainische
       Vizeregierungschef Olexander Kubrakow am Freitagabend eine Zusage für
       dieses völkerrechtlich teils geächtete Kriegsgerät. Kubrakow begründete
       seinen Wunsch damit, dass auch Russland solche Waffen im Kampf gegen die
       Ukraine einsetze. „Warum können wir sie nicht nutzen?“ fragte der
       ukrainische Vizeregierungschef.
       
       Auf heftigen Widerspruch stießen die Äußerungen Kubrakows bei der
       Linkspartei-Vorsitzenden Janine Wissler. „Die Forderung der Ukraine muss
       scharf zurückgewiesen werden“, sagte sie. „Man bekämpft einen
       Völkerrechtsbruch nicht mit einem Völkerrechtsbruch.“ Der Einsatz von
       Streumunition sei nicht nur „umstritten“, sondern zurecht völkerrechtlich
       geächtet. Wer solche Waffen liefere, könne niemals beanspruchen, damit das
       Völkerrecht zu verteidigen oder legitime Hilfe zur Landesverteidigung zu
       leisten.
       
       Streumunition, auch Clustermunition genannt, sind Raketen und Bomben, die
       über dem Ziel explodieren und zahlreiche kleinere Sprengkörper freisetzen.
       Durch diese Streuung gilt sie – rein militärisch betrachtet – als eine der
       effektivsten Munitionsformen. Phospor-Brandwaffen sind besonders gefährlich
       und perfide, da sie zu schwersten Verbrennungen und Vergiftungen führen. In
       der sogenannten Oslo-Konvention, einem Abkommen über Streumunition, haben
       sich bisher 110 Staaten dazu bekannt, solches Kriegsgerät weder
       herzustellen und zu lagern noch einzusetzen. Weder die Ukraine noch
       Russland zählen zu diesem Staatenkreis.
       
       Aufrüstung, die Ausstattung mit Kriegsgerät und gemeinsame Anstrengungen
       der westlichen Verbündeten, auch in Zukunft militärisch besser ausgestattet
       zu sein, dominieren die Gespräche bei der Münchner Sicherheitskonferenz,
       die noch bis Sonntag tagt. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Freitag in
       seiner Rede vor Staats- und Regierungschef:innen sowie Expert:innen
       für Sicherheitspolitik nachdrücklich an die Staaten appelliert, die der
       Ukraine weiteres schweres Kriegsgerät wie Kampfpanzer zugesagt hatten.
       Alle, die liefern könnten, müssten „dies nun auch wirklich tun“, so Scholz.
       Der Kanzler sieht Deutschland in einer „Führungsrolle“ bei Logistik oder
       Ausbildung.
       
       ## Selenskyj: Davon hängt unser Leben ab
       
       Nach langem Zögern hatte [1][Scholz Ende Januar die Lieferung von 14
       Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine zugesagt]. Gemeinsam mit Verbündeten
       sollten zwei Panzerbataillone aufgestellt werden. Außer Portugal haben
       keine weiteren Staaten konkrete Zusagen gemacht. Damit kann das Vorhaben
       derzeit nicht umgesetzt werden.
       
       Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer emotionalen
       Videoansprache die Staatenvertreter:innen am Freitag aufgefordert
       unmittelbar und schnell weitere militärische Hilfe zu leisten. „Davon hängt
       unser Leben ab“, bekräftigte Selenskyj. „Es gibt keine Alternative zu einem
       Sieg der Ukraine.“ Und: Auch ein Beitritt sowohl zur EU als auch zur Nato
       seien für ihn alternativlos. Er wünsche sich eine
       Post-Kriegs-Sicherheitskonferenz im kommenden Jahr, mit einer „freien
       Ukraine, einem freien Europa, einer freien Welt“.
       
       Auch am Samstag wird der brutale russische Angriffskrieg auf die Ukraine
       und die globalen Folgen im Mittelpunkt der Konferenz stehen. Erwartet
       werden Beiträge von US-Vizepräsidentin Kamala Harris, dem britischen
       Premier Rishi Sunak, sowie des obersten Außenpolitikers Chinas Wang Yi.
       EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte in ihrem
       Redebeitrag am Samstag, dass man nicht akzeptieren werde, dass man einfach
       Panzer über eine Grenze schickt, ohne Konsequenezn zu befürchten.
       
       Und sie betonte, dass die Ukraine auch weiterhin wirtschaftlich
       stabilisiert werden müsse. Auch dies sei ein starker Teil der Unterstützung
       für das angegriffene Land. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin
       erneuerte bei einem gemeinsamen Panel mit von der Leyen ihr festes Vorhaben
       gemeinsam mit Schweden der Nato beizutreten.
       
       ## Tausende zu Demos in München erwartet
       
       Vertreter:innen aus rund 100 Staaten nehmen an der Münchner
       Sicherheitskonferenz teil. Aus Russland ist kein Vertreter der politischen
       Führungsebene eingeladen. Am Samstagabend werden der russische Kremlgegner
       Michail Chodorkowski vom Russian Action Committee und der frühere
       Schachweltmeister Garry Kasparow an einer Podiumsdiskussion teilnehmen.
       
       Parallel zu den politischen Gesprächen werden [2][tausende
       Demonstrant:innen in München erwartet]. Angemeldet sind rund 20
       Protestaufzüge. Auch hier steht der russische Angriffskrieg auf die Ukraine
       im Mittelpunkt, allerdings in sehr unterschiedlichen Schattierungen.
       Traditionell findet das linke „Aktionsbündnis gegen die
       Nato-Sicherheitskonferenz“ statt.
       
       In seinem Aufruf wird eine Verurteilung des völkerrechtswidrigen russischen
       Angriffskriegs und der damit verbundenen Annexion ukrainischen Territoriums
       gefordert. Bei einer weiteren Demonstration fehlt allerdings eine kritische
       Haltung gegenüber Russland. Sie wird von Putin-Unterstützer:innen aus dem
       extrem rechten Spektrum organisiert. Dabei sein wollen diverse
       AfD-Bundestagsabgeordnete sowie Jürgen Elsässer, der Chefredakteur des
       Rechtsaußenmagazins Compact. Zudem will ein Bündnis von
       Corona-Leugner:innen sowie dem Spektrum der Querdenker:innen-Szene
       demonstrieren.
       
       Das Bündnis „Ukrainer in München“ setzt dagegen einen komplett anderen
       Fokus und spricht sich für absolute Solidarität mit der Ukraine aus. Zu
       dieser Kundgebung werden unter anderem die FDP-Verteidigungsexpertin
       Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sowie
       die ukrainische Nobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk erwartet.
       
       ## Baerbock: Putins Waffen müssen schweigen
       
       Wie lange der Krieg in der Ukraine andauern wird, dafür gibt es keine
       seriösen Prognosen. Aber:' Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat bei
       der Münchner Sicherheitskonferenz unmissverständlich klar gemacht, dass er
       enden muss. „So schnell wie möglich“, sagte Baerbock am Samstag in München.
       „Dafür müssen Putins Waffen schweigen.“ Genauso unmissverständlich machte
       sie deutlich, dass bis dahin auch die militärische Unterstützung nicht
       enden dürfe: „Wenn die Ukraine aufhört sich zu verteidigen, dann ist die
       Ukraine am Ende“, bekräftigte Baerbock.
       
       Forderungen der Ukraine an die Verbündeten auch Streumunition oder
       Phosphor-Brandwaffen im Kampf gegen die russische Armee zu liefern,
       begegnete Baerbock ausweichend. „Die Ukraine verteidigt ihre Freiheit, sie
       verteidigt unsere EU-Friedensordnung.“ Dabei unterstütze man sie. Grundlage
       sei das humanitäre Völkerrecht. „Wir stehen an der Seite der Opfer“, sagte
       die Bundesaußenministerin. Sie warb in diesem Zusammenhang für eine
       UN-Resolution anlässlich des Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf
       die Ukraine, die in New York Ende der kommenden Woche verabschiedet werden
       soll. Wenn man nicht wolle, dass diese Aggression Nachahmer fände, dürfe
       man diese nicht belohnen. Allen Forderungen nach der Abtretung von
       besetzten Gebieten oder gar einer Kapitulation der Ukraine erteilte
       Baerbock eine eindeutige Absage.
       
       Vorsichtig zeigte sie sich gegenüber Chinas Ankündigung einen Friedensplan
       für die Ukraine vorzulegen. „Wenn man das ganze Jahr für Frieden arbeitet,
       muss man jede Chance nutzen“, sagte die Bundesaußenministerin. Es sei gut,
       dass China seine Verantwortung für den Frieden in der Welt sehe. Am
       Nachmittag wird Baerbock gemeinsam mit US-Außenminister Antony Blinken und
       dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba an einer Podiumsrunde
       teilnehmen. Die deutsche Außenministerin traf auf der Konferenz zudem mit
       zahlreichen Staatenvertreter:innen zu bilateralen Gesprächen
       zusammen. Darunter auch mit Chinas oberstem Außenpolitiker Wang Yi.
       
       ## Kamala Harris: „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
       
       Ebenfalls am Samstag hatte die US-amerikanische Vizepräsidentin Kamal
       Harris einen Auftritt bei der Sicherheitskonferenz. Dabei warf sie Russland
       Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine war. Harris betonte, den
       Tätern müsse Gerechtigkeit widerfahren. Die internationale Gemeinschaft
       habe ein moralisches und strategisches Interesse daran, diese Verbrechen zu
       verfolgen.
       
       „Die russischen Streitkräfte haben einen weit verbreiteten und
       systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung ausgeführt – grausame
       Akte von Mord, Folter, Vergewaltigung und Deportation“, so Harris. Sie
       nannte auch Hinrichtungen, Schläge und Elektroschocks als Beispiele. Die
       russischen Behörden hätten Hunderttausende Menschen, darunter auch Kinder,
       aus der Ukraine nach Russland verschleppt. „Sie haben Kinder auf grausame
       Weise von ihren Familien getrennt.“
       
       Harris sagte, als ehemalige Staatsanwältin und frühere Chefin des
       kalifornischen Justizministeriums wisse sie, wie wichtig es sei, Fakten zu
       sammeln. „Im Fall der russischen Handlungen in der Ukraine haben wir die
       Beweise geprüft, wir kennen die rechtlichen Standards, und es gibt keinen
       Zweifel“, sagte sie. „Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“
       
       An China appelliert Harris, Russland nicht mit Waffenlieferungen für den
       Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Alle Schritte Chinas in diese
       Richtung würden „Aggression belohnen, das Töten fortsetzen und eine
       regelbasierte Ordnung weiter untergraben“, so Harris. „Wir sind besorgt
       darüber, dass Peking seine Beziehungen zu Moskau seit Beginn des Krieges
       vertieft hat.“
       
       Darüber hinaus verteidigte die US-Vizepräsidentin umstrittene
       Subventionspläne für in den USA produzierenden Unternehmen. Die Freunde in
       Europa hätten seit Jahren gefordert, dass die USA in der Klimakrise mehr
       tun müssten, sagte in einer Fragerunde. Mit dem neuen Investitionsprogramm
       würden nun genau dazu rund 370 Milliarden Dollar (347 Milliarden Euro)
       bereitgestellt. Ziel sei es, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und
       Innovationen zu fördern.
       
       Die USA seien derzeit leider noch einer der größten Emittenten der Welt,
       sagte Harris. Bei dem Programm gehe es deswegen nicht nur um die Gesundheit
       und das Wohlergehen der Menschen in den USA, sondern um die ganze Welt.
       
       18 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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