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       # taz.de -- Boßeln und Schnaps: Ein Wurf und dann einen Asbach Uralt
       
       > Beim Boßeln wirft man Kugeln, läuft ein bisschen und trinkt. Schnaps,
       > Bier, Tee mit Rum. Das ist Kult im Norden. Aber auch für andere amüsant.
       
   IMG Bild: Boßler am Deich
       
       Kennen Sie Boßeln? Macht nichts, ich habe auch erst vor kurzem das erste
       Mal mitgemacht. Bis dahin hatte ich noch nicht einmal das Wort gehört. Aber
       jetzt weiß ich: Boßeln ist ein Riesending. In kurz erzählt geht das so: Man
       läuft über ein verschneites Feld, wirft mit Kugeln und trinkt. In lang
       erzählt sind dabei: zwei Teams, zwei Kugeln, in etwa so groß und so schwer
       wie eine Bowlingkugel für Kinder, eine Stange, um die Kugeln aus den
       Wasservertiefungen am Wegesrand zu fischen, und [1][jede Menge Alkohol.]
       
       Als die taz-Nord-Redaktion kürzlich über eine vermatschte Wiese am
       Stadtrand von Bremen boßelte, führte sie mit sich: Timm’s Saurer, Kakao mit
       Brandy, Asbach Uralt, Tee mit Himbeergeist, Tee mit Kandis und Rum, Bier,
       Schierker Feuerstein, Mampe Halb und Halb, [2][Senator-Korn], Asbach
       Uralt-Schnapspralinen, Mozartkugeln Falco Edition.
       
       Die taz-Nord-Redaktion besteht aus den Büros Hamburg, Bremen und Hannover.
       Boßeln gehört bei ihnen zum winterlichen Ertüchtigungsprogramm. Egal, ob
       die Wiese und die Kanäle links und rechts von der Wiese, auf denen die
       Kolleg:innen seit Jahren boßeln, zugefroren sind oder – infolge des
       Klimawandels – eine matschige Angelegenheit. So wie diesmal. [3][Kalt ist
       es im Februar so oder so. Deshalb braucht man Schnaps.] Unbedingt. [4][Kalt
       oder warm, Hauptsache hochprozentig.]
       
       [5][Boßeln ist vor allem im Norden beliebt]. Manche Boßler:innen nennen
       es auch Klootschießen. Ich finde das Wort, nun ja, etwas anrüchig – und
       bleibe lieber auf der Sachebene. Auf Eiderstedt, einer Halbinsel an der
       Nordseeküste, gehört Boßeln zur nordfriesländischen Identität. Auf
       Eiderstedt lernt ein Kind erst Laufen und dann Boßeln. So jedenfalls
       bewirbt der Unterverband Eiderstedter-Boßler seinen [6][Heimatsport.]
       
       Von den Eiderstedter:innen lernt man, dass es Boßeln dort schon seit
       dem 16. Jahrhundert gibt und 1886 zwei Vereine gegründet wurden, die es
       heute immer noch gibt: den Boßelverband Garding und den Boßelverband
       Heverbund. Der Unterverband Eiderstedter Boßler existiert auch schon seit
       1921 und organisiert 14 Männervereine. Vielleicht sollte man den
       Eiderstedter:innen aber mal sagen, dass es absolut nicht mehr
       zeitgemäß ist, auf Mitspieler:innen zu setzen, die sich in erster Linie
       durch eine hohe Konzentration an Testosteron auszeichnen.
       
       ## Bekloppte Amis bei der Boßel-EM
       
       Mittlerweile gibt es [7][Europameisterschaften im Boßeln]. Da machen –
       neben den Ost- und Nordfriesen – auch Boßler:innen aus Irland, Italien,
       Schottland, den Niederlanden und den USA mit. Die USA zählen vielleicht
       territorial nicht zu Europa, mental beim Boßeln aber schon. Jedenfalls hat
       Esther Geisslinger, unsere Korrespondentin in Schleswig-Holstein, das
       amerikanische Team vor Jahren mal begleitet. Wenn also jemand weiß, wie
       boßelig-deutsch die Amis in Wirklichkeit sind, dann Esther.
       
       Etwas bekloppt sind die Amis allerdings schon, wenn sie etwa aus dem
       wohltemperierten Kalifornien an Deutschlands diesig-feuchte Küsten reisen,
       um Boßelkugeln einen Weg entlang möglichst weit zu werfen. Denn jenes Team,
       das die wenigsten Würfe braucht, um nach vielen Stunden, aber wenigen
       Kilometern am Ziel zu sein, hat gewonnen. Es dauert so lange, weil man
       dabei quatscht, lacht, versucht zu schummeln. Das alles geht besser, wenn
       man trinkt. Timm’s Saurer, Kakao mit Brandy, Tee mit Himbeergeist … siehe
       oben.
       
       Manchmal rollt eine Kugel ins Wasser, dabei kann es schon mal passieren,
       dass derjenige mit dem Kescher und dem ambitionierten Versuch, die Kugel
       aus dem Wasser zu holen, selbst ins Wasser rutscht. Das musste ein
       mitboßelnder Kollege erleben, dummerweise schon zum zweiten Mal. Seinen vom
       Schlamm umhüllten Wanderschuh und die pitschnasse Jeans möchten Sie nicht
       gesehen haben. Schon gar nicht wollen Sie wissen, wie man so durchtränkt
       weiterboßeln muss. Aber nun weiß der Kollege, sagt er selbst, dass er beim
       nächsten Boßeln nicht nur frische Socken einpacken muss, so wie er das in
       weiser Voraussicht diesmal getan hat, sondern auch ein zweites Paar Schuhe.
       Und eine weitere Hose. Am besten auch eine alte Jacke, die dem Schlamm
       trotzen kann.
       
       Ich sehe noch vor mir, wie er – um die frische Socke wenigstens bis zum
       Ende der Boßelstrecke halbwegs trocken zu halten – eine Plastiktüte
       zwischen Strumpf und Schuh gezogen hatte. Notfalls hätten wir den Schnaps
       auch zum Einreiben seiner Füße verwenden können. Das machten doch Omas
       früher so, wenn jemand fast erfroren war? [8][Schnaps, das zeigt sich hier
       wieder mal, ist viel besser] als sein Ruf.
       
       20 Feb 2023
       
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