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       # taz.de -- Ukrainisches Leben in Dresden: Aneinander vorbei
       
       > In Dresden verläuft ein Riss zwischen integrativ denkenden
       > Sowjetnostalgikern und Geflüchteten aus der Ukraine. Auch die
       > Stadtbewohner sind gespalten.
       
   IMG Bild: Ukrainische Aktivistinnen vor prorussischer Demo: AfD und Pegida am 24.2.2023 in Dresden
       
       Ein gutes Jahr nach dem russischen Überfall fällt es in einer
       Halbmillionenstadt wie Dresden nicht leicht, eine ukrainische Community zu
       identifizieren. Schon der erste Anlaufpunkt scheint sich zu verstecken.
       Unweit vom Bahnhof Mitte, gegenüber dem wuchtigen historischen
       Gewerkschaftshaus, fallen an einem der gesichtslosen Nachwendebürohäuser
       Schilder des Kolibri e. V. kaum auf.
       
       Dabei wuselt es dort ständig auf der Treppe und erst recht auf den engen
       Fluren des Kinder- und Elternzentrums. Ruhepunkte zwischen
       Unterrichtsräumen, Bibliothek und Büro bilden die wartenden Mütter, während
       ihre Zöglinge in den Räumen elementaren Vorschulunterricht, Sprachkurse
       oder musisch-künstlerische Ausbildung erhalten. Sie sprechen gedämpft,
       meist auf Russisch oder Ukrainisch.
       
       Der bunte Eindruck im Büro, wo Souvenirs aus aller Welt neben ukrainischen,
       russischen oder deutschen Fähnchen stehen, verstärkt sich hinter den
       anderen Zimmertüren. Derzeit proben alle ganz speziell für ein gemeinsames
       Fest, also einen „Prasdnik“ am 11. März, [1][das Vereinigungsfest eines
       Vereins] über alle Unterschiede hinweg.
       
       Im Musikzimmer ist eine Kindergruppe etwa im Schulanfängeralter um das
       Klavier versammelt. Der Kommandoton, mit dem sie dirigiert werden, erinnert
       an den in sowjetischen Schulen und auch an Musikschulen üblichen Drill.
       
       ## Die gute alte Zeit in der SU
       
       Doch dann überrascht der Text: „Ukraina nasha mati – Ukraine, unsere
       Mutter“ klingen die von einem sonoren Bass geführten Kinderstimmchen. Ein
       patriotisches ukrainisches Lied im Marschtritt! Der 73-jährige Musiklehrer,
       Pianist und Komponist aus Kyjiw hält für den Nachwuchs im Exil die
       Heimatbindung aufrecht.
       
       Eine Tür weiter, bei der Sprachlehrerin Olga, wartet der Kontrast. Eben
       noch hatte ihre für die Vorschulkinder tätige Kollegin energisch den Kopf
       geschüttelt, als sie nach möglichen Spannungen mit Kindern
       deutsch-russischer Spätaussiedler und jüdischer Kontingentflüchtlinge
       gefragt wurde. „Es gibt keine Spaltung, wir sprechen alle Russisch!“
       
       Auch Olga spaltet nicht, zeigt aber auf, welche Breite von Prägungen
       Kolibri ausbalancieren muss. Sie berichtet von einem kleinen ukrainischen
       Mädchen, das im Vorjahr von seinen geflohenen Eltern gebracht wurde. Als es
       erfuhr, dass andere Kinder hier russische Eltern haben, entfuhr es ihm:
       „Ich hätte sie getötet!“ Das Mädchen blieb künftig fern. Olga hat sogar
       Verständnis dafür, dass Kinder in diesem Alter nicht nur ihre Eltern
       verteidigen, sondern auch das, was sie von ihnen hören.
       
       Dieser Hass aber entsetzt sie auch, und zwar aus einem bestimmten anderen
       Grund. „In der Sowjetunion gab es in meiner Jugendzeit keinen Unterschied
       nach Herkunft!“ Im Jahr 2000 kam sie aus Kasachstan mit ihrem russischen
       Mann nach Deutschland. Ihr Vater war Ukrainer, die Mutter deutschstämmig
       aus einem Dorf bei Luhansk. Und ihr Sohn ist mit einer belarussischen Frau
       verheiratet.
       
       ## Unerträgliche Putin-Bewunderung
       
       Der früher einigenden oder vereinheitlichenden Zeit trauert sie nach.
       „Sollen wir uns jetzt mit Messern zerschneiden?“ Dass Putin und sein Regime
       selbst für eine neue Todfeindschaft zwischen ehemaligen Brudervölkern
       gesorgt haben, kommt ihr nicht in den Sinn.
       
       Was sie als „Blick von der Seite“ einer Besserverstehenden bezeichnet, ist
       vielmehr unüberhörbare Putin-Verehrung. Er habe versucht „zusammenzuhalten,
       was in den 1990ern in Fetzen gerissen wurde“. Das sei für Russland gut.
       „Putin ist schon ein Krieger“, sagt sie bewundernd.
       
       Nach der russischen Invasion in der Ukraine haben wegen ähnlicher
       Einlassungen einzelne deutsche Eltern ihre Kinder bei Kolibri wieder
       abgemeldet, obschon viele, wie ein Vater, von den „wirklich wunderbaren
       Lehrkräften“ speziell im Russischunterricht begeistert waren. „Die
       Diskussionen und Äußerungen zu Putin unter den Eltern sind für uns nicht
       länger zu ertragen“, sagte der Vater damals.
       
       Der Geist von Kolibri pegelt solche Spannungen aus. Im Tanzsaal zum
       Beispiel, wo die schon etwas Größeren eine poppige Choreografie zu Musik
       von Michael Jackson und damit dessen Hüftknick proben. Die junge Leiterin
       der Tanzgruppe kommt wie fünf der zwölf Kinder aus der Ukraine.
       
       ## Es gibt nicht nur eine Identität
       
       „Der Umgang mit Menschen, die Kinder sind uns das Wichtigste“, bekräftigt
       mit der ihr eigenen Vehemenz die Vereinsvorsitzende und Musiklehrerin
       Galina Jefremova. Längst ist sie eine vitale Rentnerin, aber auf sie geht
       hier eine künstlerische Jugendgruppe zurück, die zunächst beim
       Deutsch-Russischen Kulturinstitut wenig gefördert worden war.
       
       Auch von der [2][Stadt Dresden] gab es anfangs nur ein paar Tausend Euro,
       bis Kolibri ein Domizil fand, sich etablierte und heute mit deutlich
       höheren Summen gefördert wird. So wirksam, dass das Begegnungszentrum ab
       dem kommenden Jahr in das Kulturkraftwerk Mitte umziehen und zum Träger der
       Villa der Kulturen avancieren wird.
       
       Jegliche Polarisierung würde die integrativen Intentionen dieses
       Begegnungszentrums konterkarieren. „Menschen besitzen nicht nur eine
       Identität“, lautet ein Leitsatz von Geschäftsführerin Kristina Daniels. Die
       in Belgrad geborene promovierte Slawistin und Osteuropahistorikerin wuchs
       in Süddeutschland auf und hat viele Jahre sowohl in Moskau als auch in
       Kyjiw gearbeitet. „Politik und Religion stehen nicht im Vordergrund, aber
       wir positionieren uns klar gegen diesen Krieg“, ergänzt sie.
       
       „Wer soll jetzt der oder die Schlechte sein?“, fragt Galina Yefremova, die
       selbst eine sehr mehrdeutige Herkunft hat: Geboren als Jüdin in Russland
       und ab dem ersten Lebensjahr in der Ukraine aufgewachsen, ist auch ihre
       Identität nicht eindimensional.
       
       ## Der Traum von der Goldenen Generation
       
       Kolibri versucht Ähnliches wie die Jüdische Gemeinde zu Dresden, mit der es
       wegen der Kontingentflüchtlinge eine enge Verbindung gibt. Schon seit 2014
       gleicht man dort die Spannungen zwischen Ukrainern und Russen durch die
       Besinnung auf das gemeinsame Judentum aus, seit einem Jahr auch durch die
       gemeinsame Hilfe für Flüchtlinge.
       
       Entsprechend werden die beiden Damen der Leitung nicht müde, auf die
       Vielfalt und Internationalität von Kolibri zu verweisen. Afrikanische
       Männer kämen her, um Russisch zu lernen, weil sie in eine Russin verliebt
       sind. Es gebe indonesische, afghanische oder iranische Gruppen.
       
       Die Jugendfilmgruppe hat einen vielbeachteten 40-minütigen Spielfilm über
       latenten Antisemitismus im Schulalltag gedreht. Einer der Hauptdarsteller
       ist Malik, Sohn tschetschenischer Flüchtlinge. „Wir arbeiten für die
       Zukunft des Landes, für eine Goldene Generation, die viele Sprachen
       spricht“, schwärmt Galina Yefremova.
       
       Unter den geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern sind integrative
       Ausgleichsbemühungen verständlicherweise seltener anzutreffen. Ausgerechnet
       am 7. November, an dem nach dem Gregorianischen Kalender die Sowjetunion
       den Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 feierte,
       eröffnete im Vorjahr ein [3][Ukrainisches Haus in Dresden].
       
       ## Ukrainisches Haus im Keller
       
       Ein wenig hoch gegriffen wirkt die Bezeichnung für den großen Raum plus
       Vorraum im Souterrain, zusammen etwa 200 Quadratmeter. An der Decke
       verlegte Kabel- und Lüftungskanäle verstärken den Kellereindruck. Wie ein
       Raumteiler wirkt ein Regal mit etwa 400 ukrainischen Büchern für jedes
       Alter. An den Wänden hängen Collagen, Symbole der Zerrissenheit.
       
       Dafür kann dieser neue Ukrainetreff mit umso noblerer Lage glänzen. Im
       Untergeschoss des QF-Einkaufsquartiers an der Frauenkirche gelegen, soll es
       erklärtermaßen auch der Begegnung mit Dresdnern dienen. Das Management des
       Einkaufscenters stellt die Räume vorerst kostenfrei bis Oktober 2023 zur
       Verfügung. Die Stadt übernimmt für ein Jahr die Betriebskostenpauschale von
       monatlich 1.300 Euro netto. Nur den elektrischen Strom muss der
       Trägerverein Plattform e. V. selbst bezahlen.
       
       Doch dessen Wirken hier unten beobachten zu können, erweist sich als
       schwierig. Immerhin waren zum Jahreswechsel 8.861 Ukrainer in Dresden
       registriert. Die Glastüren des Ukrainischen Hauses aber bleiben meistens
       geschlossen. Nur alle paar Tage öffnen sie sich für einen Entspannungskurs
       oder einen bildkünstlerischen Workshop. Man kann dann junge Frauen
       beobachten, die einzeln ankommen, insgesamt kaum mehr als zehn. Deutsch
       spricht keine von ihnen.
       
       Dafür geht es zwei Tage vor dem Jahrestag des Kriegsbeginns beim
       deutsch-ukrainischen Stammtisch umso lebhafter zu. Etwa 40 Gäste jeden
       Alters sind gekommen. Bei der Einzelvorstellung stellt sich heraus, dass
       sie fast paritätisch zuzuordnen sind. Nach zweisprachiger Moderation finden
       sich die Gäste an fünf Tischen bei einem Pappbecher Bier oder Saft ein. Die
       Stimmung bleibt aber gedämpft und tendiert eindeutig contra Russland,
       obschon einige Teilnehmer schon vor vielen Jahren aus der Ukraine gekommen
       waren.
       
       ## Steht Putin in zehn Jahren vor Berlin?
       
       Nadija zum Beispiel, um die vierzig, winkt nur ab, wenn sie von der Trauer
       über die aufgelöste Sowjetunion hört. „Die Sowjetunion war eine Illusion“,
       meint sie mit Blick auf die seit 1922 immer schwelende Nationalitätenfrage.
       Sie kann sich wie alle Geflohenen hier überhaupt nicht über konkrete
       deutsche Hilfsbereitschaft beklagen, obschon die Sachsen zuerst für
       billiges Gas demonstrierten. Sie lebt bei Freunden im 20 Kilometer
       entfernten Dippoldiswalde.
       
       Gert, ein Ingenieur, der mit seiner Firma länger als ein Jahrzehnt Kontakte
       mit der Ukraine pflegt, hat schon vor der Krim-Annexion eine bestimmte
       Stimmung dort erlebt: „Putin kommt, es ist nur die Frage, wann.“ Die
       Fernsehauftritte eben dieses Putin beobachtet er genau, insbesondere dessen
       Körpersprache. „Ich frage mich, ob wir in zehn Jahren nicht vor demselben
       Problem stehen wie die Ukraine“, [4][orakelt er] und denkt dabei an
       russische T72-Panzer, auf denen „Nach Berlin“ steht.
       
       Hellwach spricht die 31-jährige Alexa, die hier von einer Modelagentur
       angeworben wurde. Zu Hause, im mittlerweile russisch besetzten Donbass, saß
       sie an leitender Stelle einer Oblastverwaltung. „Bei Rückkehr droht mir der
       Tod“, muss sie eine Träne unterdrücken. Gern würde sie auch hier zum
       Beispiel in der Staatskanzlei arbeiten.
       
       Auch Alexa lobt geradezu überschwänglich die sächsische Hilfsbereitschaft
       und lässt sich davon nicht durch die russlandfreundlichen Demonstrationen
       abbringen. Ungeachtet gesellschaftlicher Zerrissenheit imponiert ihr hier
       besonders die funktionierende Ordnung, kein Einzelfall unter Flüchtlingen.
       
       ## Ein Abbild der ukrainischen Gesellschaft
       
       Ratlos und kopfschüttelnd aber reagiert Alexa, als sie von den Animositäten
       zwischen Plattform e. V. und dem Kolibri-Begegnungszentrum erfährt. Auch
       das zu Plattform gehörende Ukrainische Koordinationszentrum rückt den
       Interkulturellen Verein in die Nähe Moskaus.
       
       Der lange Arm des Krieges hat offenbar ein Umgangsproblem radikalisiert,
       das lange kein offenes mehr war. Ein schwelendes Misstrauen zwischen denen,
       die den integrativen Gedanken über alles stellen, und jenen, die sich
       spätestens seit 2022 als Kriegspartei herausgefordert fühlen.
       
       Hinzu kommt das Gefühl einer gewissen Ungleichbehandlung wegen der guten
       institutionellen Förderung der „Konkurrenz“, während die Mitglieder von
       Plattform e. V. und das Koordinationszentrum bis zur Erschöpfung
       ehrenamtlich arbeiten.
       
       Vorstandsvorsitzende ist die junge promovierte Wissenschaftlerin und
       Journalistin Tetiana Ivanchenko. Vor fünf Jahren kam sie für ein
       journalistisches Projekt und ihre Promotion nach Berlin – und blieb. Für
       ein Treffen hat sie keine Zeit. Aber in geschmeidigem Deutsch beschreibt
       sie schriftlich die Situation der ukrainischen Community in Dresden, die in
       ihrer Heterogenität ein „Abbild der Gesellschaft in der Ukraine“ sei.
       
       ## Vermeintlich „prorussisch“
       
       Auf die heikle Frage nach dem Verhältnis zur Dresdner Stadtgesellschaft wie
       auch zu vermeintlich konkurrierenden Institutionen angesprochen, antwortet
       Tetiana Ivanchenko ausweichend, aber vielsagend. Der Vorstand habe
       beschlossen, sich dazu nicht zu äußern, und möchte „nicht in eine für uns
       unerwünschte Diskussion hineingezogen werden“.
       
       Und sie fügt erklärend hinzu: „Wir begegnen heute schon neben der sehr
       großen Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung auch unangenehmen
       Vorurteilen.“
       
       Deutlicher wird bei aller Freundlichkeit der ukrainischstämmige Pfarrer
       Bohdan Luka, der seit 2004 in den sächsischen und thüringischen Großstädten
       die ukrainischen Christen der griechisch-katholischen Kirche betreut. In
       Dresden ist der liebenswürdige Mann mit dem rundlichen Gesicht sehr
       populär, wird von seinen Landsleuten nur „Vater Luka“ genannt. Auf Kolibri
       angesprochen, ist aber von der Bergpredigt nach Matthäus 5 nicht viel zu
       spüren.
       
       Den Verein bezeichnet Pfarrer Luka als „prorussisch“. Frau Yefremova habe
       zwar mehrmals versucht, einen Kontakt herzustellen, räumt er ein „Sie sind
       von Kopf bis Fuß ein sowjetischer Mensch“, habe er ihr entgegnen müssen.
       
       ## Geld aus Moskau – und vom Rathaus
       
       Der Krieg hat die Erinnerung an die Verbrechen der vor hundert Jahren
       begonnenen Sowjetherrschaft gegenüber den Ukrainern wieder kollektiv
       wachgerufen, auch bei einem Priester. Und der Ex-Geheimdienstler Putin gilt
       als ein Exponent dieser Sowjetunion und sorgt für makabre Kontinuitäten.
       Die Ukrainer beobachten gerade jetzt [5][Pilgerzüge zur ehemaligen
       Putin-Villa] aus seiner Zeit als KGB-Offizier in Dresden, heute Sitz der
       Anthroposophischen Gesellschaft.
       
       Kolibri-Geschäftsführerin Kristina Daniels möchte zu den ukrainischen
       Anwürfen am liebsten nur beredt schweigen. „Unerfreulich“ seien das
       Verhältnis und die Ausladung seitens des Ukraine-Hauses, mehr kommentiert
       sie nicht.
       
       Auch das [6][Deutsch-Russische Kulturinstitut] in einer hübschen
       Zwiebelturmvilla wollte sich schon vor einem Jahr nicht äußern, verlangt
       aber jetzt von der taz eine Entschuldigung für damals aus anderen Quellen
       beschaffte Angaben.
       
       Zum Beispiel zu der Frage, ob es weiterhin von der für die russische
       Propaganda in der Diaspora gegründeten Stiftung Russki Mir (Russische Welt)
       getragen wird, also eine Exklave des russischen Staates ist. Das Institut
       erhält jährlich noch 15.000 Euro Förderung aus dem Dresdner Kulturrathaus.
       Es bedient aber mit einem schmalen, lediglich retrospektiv-folkloristischen
       Programm eher eine geschlossene Gesellschaft.
       
       ## Die Kirche mischt vorne mit
       
       Ähnlich isoliert ist die Dresdner Russisch-Orthodoxe Kirche. An ihrer
       Stelle äußert sich auf der Homepage der Moskauer Patriarch Kirill in einer
       Botschaft an alle „Kinder der Kirche“ vom 17. März des Vorjahres, die an
       Demagogie nicht zu überbieten ist:
       
       „Doch selbst in den schwierigsten Zeiten der Prüfung hat unser Volk stets
       Hilfe von der Allheiligen Gottesmutter erfleht, die sich immer als
       inständige Fürsprecherin der Heiligen Rus erwiesen hat. Richten wir unseren
       Blick und unser Seufzen an die inständige Fürsprecherin der Christen,
       sodass auf ihre unablässige Fürsprache der menschenliebende Herr Seine
       Gnade über unsere Völker kommen lässt und uns festen und unerschütterlichen
       Frieden schenkt.“
       
       Um Frieden bitten und den Krieg unterstützen – die Dresdner Orthodoxe
       Kirche gehört zum Moskauer Patriarchat, einer [7][waffensegnenden Stütze
       der Putin-Clique].
       
       Und wie verhält sich das sächsische Gastgebervölkchen? Pfarrer Bohdan Luka
       begegnet „die gesamte menschliche Bandbreite – von sehr herzlich bis zur
       kompletten Ablehnung“. Zur leisen Kundgebung vor der Frauenkirche, die am
       24. Februar den Jahrestag des Kriegsbeginns betrauerte, kam immerhin fast
       die doppelte Anzahl der erwarteten tausend Teilnehmer.
       
       ## Auch Dresden ist gespalten
       
       Die AfD-Pegida- und Schwurblerdemo auf dem Theaterplatz, einen Tag vor der
       Wagenknecht/Schwarzer-Demo in Berlin, brachte es nicht ganz auf diese Zahl.
       Aber elf Tage zuvor, am Zerstörungsgedenktag Dresdens im Zweiten Weltkrieg,
       wurde Oberbürgermeister Dirk Hilbert eben auch als „Kriegstreiber“
       ausgebuht, als er von der russischen Aggression sprach.
       
       Der Volksneid giftet und sieht in den Kaufhäusern nur noch reiche
       ukrainische Frauen. Die Kassiererin im Supermarkt macht ihrem Ärger Luft,
       schon mit 63 Jahren verrentete Ukrainer bekämen angeblich von uns üppige
       Rentenzahlungen, während sie selbst bis 67 schuften müsse. Die Friseurin
       hat von Flüchtlingen gehört, die hier absahnen, reisen und währenddessen
       ihre Wohnungen in der Westukraine vermieten. Auch Kinder nicht arbeitender
       geflüchteter Mütter bekämen privilegiert Kindergartenplätze.
       
       Alexa aus dem Ukraine-Haus hat Ähnliches noch nicht erfahren und verteidigt
       die Sachsen. Sie sei aber von Russen als „Schlampe“ und schlimmer
       beschimpft worden, sobald sie als Ukrainerin erkennbar war.
       
       Neben Ressentiments und Stereotypen machen aber auch gutwillige Helfer
       unangenehme Erfahrungen: Eine Musikerin aus Langebrück, die gleich eine
       Vierer-WG aufnahm, beobachtete insbesondere bei der jungen „Generation
       Handy“ bereits das typisch westliche Anspruchs- und Versorgungsdenken.
       
       ## Differenzierung? Eine Utopie
       
       Und dass Flüchtlinge der ersten Stunde, die seither mit ihrem SUV hier
       fahren, als Flüchtlinge erster Klasse erscheinen, ist keine [8][Erfindung].
       Auch hier zeigt sich das von Plattform-Chefin beschriebene Abbild der
       gesamten ukrainischen Gesellschaft in seiner ganzen Heterogenität
       
       Differenzierte Wertungen und ein tolerantes Miteinander werden in Dresden
       aber auf absehbare Zeit eine große Herausforderung bleiben. Die 64-jährige
       Walentyna, die sich im 18 Kilometer entfernten Radeberg endlich eine
       Einraumwohnung einrichtet, kann kaum noch an einen Frieden glauben. Denn
       sie kann sich nicht mehr vorstellen, dass sie und ihre Landsleute die
       russischen Gräuel jemals verzeihen.
       
       6 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ukrainische-Gefluechtete-in-Dresden/!5851023
   DIR [2] /Deutsch-russischer-Austausch/!5837870
   DIR [3] https://plattform-dresden.de/ukrainisches-haus-ein-zuhause-in-dresden-2/
   DIR [4] https://www.fr.de/politik/krieg-russland-drohung-invasion-europa-weltkrieg-putin-rt-russia-today-video-simonjan-deutschland-berlin-ukraine-92075698.html
   DIR [5] /Putin-Fans-in-Ostdeutschland/!5836638
   DIR [6] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162143.folgen-des-ukraine-kriegs-ein-desaster-fuer-den-dialog.html
   DIR [7] /Die-Kirche-in-Russland-und-der-Ukraine/!5838634
   DIR [8] https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/faktencheck
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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