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       # taz.de -- Knast für Klimakleber: Vergeltung ist kein Strafzweck
       
       > Der Kolumnist Thomas Fischer befürwortet eine Haftstrafe für Klimakleber.
       > Das sei Vergeltung für unliebsame Menschen, sagt Anwalt Johannes
       > Eisenberg.
       
   IMG Bild: Kleben sich immer wieder auf der Straße fest: Letzte Generation
       
       Ein Amtsrichter ausgerechnet im [1][grün regierten Baden-Württemberg]
       greift jetzt gegen die Klimakleber durch: Drei Monate beziehungsweise zwei
       Monate Knast ohne Bewährung für zwei Angeklagte. [2][Der Deutschlandfunk
       hat hierzu den als „früheren Vorsitzenden Richter am BGH“ vorgestellten
       Spiegel-Kolumnisten Thomas Fischer interviewt]. Der Interviewte gehört –
       wie ich – der Generation an, die bedenkenlos die Klimakrise durch ihren
       Lebensstil generiert hat.
       
       Der Mann ist der Leitkommentator des deutschen Strafgesetzes; sein Werk
       steht auf jedem Richtertisch. Der Interviewte sieht keinerlei Zweifel an
       der Strafbarkeit der Protestform und faselt von „Nötigung“ und „Gewalt“ der
       Protestierer. Er findet die Strafen angemessen, wenn die Leute sagen, dass
       sie es wieder machen werden und damit keine günstige Kriminalprognose für
       eine Bewährung möglich ist. Er hat gute Chancen, dass Amtsrichter ihm
       folgen.
       
       Tatsächlich aber zwingt die Erklärung der Angeklagten, weiter machen zu
       wollen, eine Prüfung auf: Ob sie nämlich überhaupt bestraft werden dürfen,
       da auch eine Freiheitsstrafe sie nicht vom Forttun abhalten wird. Die
       Freiheitsstrafe verfehlt also völlig den Strafzweck. Dazu stellt sich die
       Frage, ob ein Regelbrecher unbestraft davonkommen kann. Das hängt davon ab,
       ob sein Verhalten als „sozialschädlich“ anzusehen ist. Die Frage zu stellen
       heißt, sie mit Nein zu beantworten. Die Konsequenz aus § 46 StGB, „Die
       Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe“, muss in
       einem solchen Fall dazu führen, dass nicht bestraft wird. Strafzweck ist
       nicht Vergeltung, jedenfalls nicht ausschließlich.
       
       Die Strafe wirkt nicht generalpräventiv, weil die Mehrheit der Bevölkerung
       es den Aktivisten nicht gleichtun wird. Sie wirkt nicht spezialpräventiv,
       weil die Klimakleber sich dadurch nicht von ihrem Tun abhalten lassen.
       Damit wirken die Urteile als Vergeltung an Leuten, die sich nicht fügen,
       und sie zielen darauf, die Leute zu brechen. Das ist kein legitimer, aber
       auch kein legaler Strafzumessungsgesichtspunkt, denn er ist mit dem
       Menschenbild des Grundgesetzes, dem Art. 1 GG „Menschenwürde“, nicht
       vereinbar.
       
       8 Mar 2023
       
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   DIR [2] https://www.deutschlandfunk.de/jurist-thomas-fischer-haelt-gefaengnisstrafen-ohne-bewaehrung-gegen-aktivisten-der-letzten-generatio-100.html
       
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