URI: 
       # taz.de -- China-Außenpolitiker Wang in Moskau: Zum Handschlag im Kreml
       
       > Wang und Putin zelebrieren ihre Beziehungen. Dabei lässt der freundliche
       > Besuch Pekings Ukraine-Friedensinitiative noch unglaubwürdiger
       > erscheinen.
       
   IMG Bild: Große Freude bei der Begrüßung des chinesischen Aussenpolitikers Wang Yi in Moskau
       
       Peking taz | Die Optik ließ keine Zweifel aufkommen: Als Chinas führender
       Außenpolitiker Wang Yi auf den russischen Präsidenten traf, herrschte
       demonstrativ ausgelassene Stimmung. Der kleine ovale Tisch, an dem die
       beiden nach einem herzlichen Handschlag Platz nahmen, ist für Wladimir
       Putins Verhältnisse geradezu außerordentlich intim. Und auch rhetorisch gab
       man sich betont freundlich. Putin pries die bilateralen Beziehungen, die
       „neue Grenzen“ erreichen würden. Wang sprach zudem davon, dass man die
       „umfassende strategische Partnerschaft weiter stärken“ werde.
       
       Der Moskaubesuch des chinesischen Spitzendiplomaten, der auch als Vorspiel
       für einen geplanten Gipfel zwischen Staatschef Xi Jinping und Putin dient,
       hat erneut bekräftigt, dass China seine doppelgleisige – und auch
       widersprüchliche – Position nicht geändert hat: Im Westen präsentiert man
       sich als „neutraler Vermittler“ und „friedensliebende Nation“, im Kreml
       hingegen feiert man die „felsenfeste“ Freundschaft. „Im Grunde versucht
       China also auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen“, fasst es Evan
       Feigenbaum, Vizepräsident beim Washingtoner Carnegie Endowment for
       International Peace in einem aktuellen Podcast zusammen.
       
       Zumindest eins muss man der chinesischen Haltung lassen: Sie ist seit
       Beginn des Kriegs in der Ukraine konsistent. Die Regierung wird in ihrer
       Abwägung ausschließlich von Eigeninteressen getrieben. Auf strategischer
       Ebene unterstützt sie Russland; etwa, indem chinesische Regierungsvertreter
       die Propaganda aus dem Kreml übernehmen und sogar aktiv dessen
       Desinformationskampagnen verbreiten. Im Gegenzug lässt man sich mit
       Energielieferungen zu günstigen Konditionen bezahlen, die Ölexporte von
       Russland nach China haben im Januar zuletzt ein Rekordhoch erreicht. Und
       die Handelsbeziehungen könnten im laufenden Kalenderjahr die
       200-Milliarden-Dollar-Marke durchbrechen, was einen Anstieg von knapp 10
       Prozent darstellen würde.
       
       Selbst zaghafte Kritik an Putin ließ Peking bislang nicht durchblicken.
       Daran hat auch der Moskaubesuch von Wang Yi nichts geändert. Die bislang
       einzige rote Linie, die Xi Jinping gezogen hat, lässt sich als Mindestmaß
       an Anständigkeit bezeichnen: Man toleriere weder den Einsatz von
       Nuklearwaffen noch das Drohen mit ihnen. Ansonsten ist im Universum der
       chinesischen Staatsmedien nur eine Partei schuld am Krieg: die Vereinigten
       Staaten.
       
       ## China könnte von seinem derzeitigen Status profitieren
       
       Auch Putins Suspendierung des „New Start“-Vertrags wurde in Peking nur
       indirekt bemängelt. Beim Außenministerium hieß es am Mittwoch, dass der
       „letzte verbliebene Rüstungskontrollvertrag zwischen den USA und Russland
       von großer Bedeutung für‌‌ die Aufrechterhaltung der globalen Stabilität“
       sei. Man hoffe, dass die diesbezüglichen „Differenzen“ zwischen den USA und
       Russland durch Dialog gelöst werden können, „um eine reibungslose Umsetzung
       des Vertrags zu gewährleisten“.
       
       All dies sind keine guten Voraussetzungen für eine Weltmacht, die noch
       während der Münchner Sicherheitskonferenz großspurig [1][ein
       „Positionspapier“ zum Ukrainekrieg angekündigt hat, welches China als
       diplomatischen Vermittler ins Spiel bringen soll.] Auch dabei geht es wohl
       vor allem um die Eigeninteressen des Landes: Man sieht die Chance gekommen,
       sich als verantwortliche Staatsmacht zu präsentieren. Auf Abstand zu Putin,
       dem Aggressor des Krieges, wird China jedoch niemals gehen.
       
       Immer offener melden sich chinesische Experten zu Wort, die in ihren
       Analysen zum Fazit gelangen, dass das Reich der Mitte vom derzeitigen
       Status quo durchaus profitiert. „Ich glaube wahrhaftig, dass das asiatische
       Jahrhundert bereits angekommen ist. Die internationale Geopolitik verlagert
       sich nach Ostasien, und der Krieg in der Ukraine ist dabei nur ein
       Beschleuniger“, sagte zuletzt Zhou Bo, pensionierter Oberst der
       Volksbefreiungsarmee, im indischen Fernsehen.
       
       Seine innerhalb der chinesischen Elite verbreitete Annahme unterstellt,
       dass der politische Westen niedergeht. Brüssel und Washington sind demnach
       auch isolierter, als sie es annehmen: Denn die meisten großen Länder des
       Globalen Südens, darunter auch Indien, haben beim Ukrainekrieg eine
       ähnliche russlandfreundliche Haltung wie China eingenommen.
       
       22 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Chinas-Friedensplan-fuer-die-Ukraine/!5917558
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Wladimir Putin
   DIR Moskau
   DIR China
   DIR China
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR KP China
   DIR China
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Chinas Nationaler Volkskongress tagt: Weniger Wachstum, mehr Rüstung
       
       Reformen statt schnelles Wachstum: Premier Li Keqiang schlägt bescheidene
       Töne an und hält sich sogar in Bezug zu Taiwan mit Drohungen zurück.​
       
   DIR Chinas Friedensplan für die Ukraine: Im Osten nichts Neues
       
       Peking hat 12 Punkte zur „Lösung der Ukraine-Krise“ vorgelegt und bleibt
       bei seiner doppelgleisigen Strategie. Waffenlieferungen streitet man ab.
       
   DIR +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenski ruft zum Durchhalten auf
       
       Zum ersten Jahrestag der russischen Invasion appelliert der ukrainische
       Präsident, dem „Terror“ zu widerstehen. UN-Vollversammlung will
       Friedensresolution verabschieden.
       
   DIR Chinas Friedensplan für die Ukraine: Zweifelhafter Vermittler
       
       China fährt im Ukrainekrieg eine Doppelstrategie: loyal zu Russland, keine
       direkte Einmischung. Die USA glauben, dass Peking bald Waffen liefern
       könnte.
       
   DIR Grundsatzrede zeigt Stoßrichtung Chinas: Das Weltbild des Xi Jinping
       
       Eine „Verwestlichung“ lehnt Chinas Staatschef in einer vor
       Selbstbewusstsein nur so strotzenden Grundsatzrede ab. Und über allem steht
       die Partei.
       
   DIR Chinesischer Spionageballon: Mehr als nur heiße Luft
       
       Schuld haben immer die anderen: Pekings Reaktion auf den Ballon-Vorfall
       legt Chinas diplomatisches Unvermögen offen – mit gravierenden Folgen.