# taz.de -- Kippender RWE-Strommast bei Garzweiler: Dreierlei Schieflage
> Am umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler ist ein Strommast ins Wanken
> geraten. War es Sabotage? Nicht nur diese Frage ist aktuell ungeklärt.
IMG Bild: Was genau ist hier passiert – und wann? Sockel des RWE-Strommasts nahe dem Tagebau Garzweiler
Aachen taz | Man weiß noch nicht, ob es Sabotage von außen war – oder ob
RWE-Werktätige Mist gebaut haben. Jedenfalls steht seit Freitag ein rund 80
Meter hoher Strommast nahe dem [1][Braunkohletagebau Garzweiler] bei
Grevenbroich auffallend schief, gut zehn Kilometer Luftlinie fernab des
aktuellen Fördergebietes.
Ein RWE-Sprecher erklärte, der Mast sei „bewusst beschädigt“ worden, er
habe offenbar „zum Einsturz gebracht werden“ sollen. „Sollte es Sabotage
auf die kritische Infrastruktur gewesen sein, verurteilen wir das aufs
Schärfste.“ Die Polizei nennt „die Einwirkung Dritter wahrscheinlich“.
Auf einem Foto sieht man gelöste Schrauben und abgeflexte Metallstreben.
Möglich, dass alles vor langer Zeit passierte und erst starke Windböen am
Freitag den Mast geneigt haben.
Zwei der vier über die Masttrasse laufenden Stromkreise seien abgeschaltet,
so RWE. Die Infrastruktur im stromerzeugenden Tagebau werde aber weiter
bestromt, „auch die Kraftwerke können weiterarbeiten“. Ab Sonntag wollte
man mit schwerem Gerät zur Reparatur anrücken.
## RWE will bleiben
Ebenfalls in zunehmende Schieflage gerät die Diskussion, was aus den fünf
[2][wahrscheinlich geretteten Dörfern wie Keyenberg] oder Kuckum werden
soll. Am Samstag wagte sich NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne)
erstmals seit der Räumung von Lützerath im Januar wieder in das
Krisengebiet. In Erkelenz erklärte sie, die Leitentscheidung, die zwischen
Regierung und RWE auszuhandeln sei, werde länger dauern als geplant, sie
werde aber weitere Mitsprachemöglichkeiten geben.
Da RWE fast das gesamte Gelände gehört, will der Konzern es auch nach der
Kohlegewinnung weiter nutzen. Das kritisiert ein Bündnis aus Umweltgruppen,
lokalen Initiativen und Kirchengruppen: Man erlebe ein intransparentes
Hinterzimmer-Verfahren zwischen Land und Kohlekonzern, ohne öffentliche
Protokolle und ohne direkte Beteiligung der Zivilgesellschaft. Angemessen
wäre stattdessen „eine Modellregion für eine zukunftsfähige,
sozial-ökologische Transformation“, inklusive Biotopverbundsystem und
Enteignungsstopp. Protestplakat in Erkelenz: „Leitentscheidung in NRWE:
Simulierte Demokratie.“
## Prozess verschoben
Die dritte Schieflage dieser Tage betrifft die Justiz: Eigentlich sollte an
diesem Montag vor dem Amtsgericht Erkelenz [3][ein Prozess wegen
Landfriedensbruch] stattfinden. Ein junger Mann hatte im Herbst 2022 direkt
bei Lützerath mit ausgebreiteten Armen kniend vor einem der Monsterbagger
für eine Fotografin posiert. Das Bild wurde zum NRW-Pressefoto des Jahres
und stolz in der Lobby des Landtages ausgestellt. RWE behauptet, der
Widerstandsdarsteller müsse dazu Betriebsgelände betreten haben und zeigte
ihn an. Weil der Beschuldigte kurzfristig eine Reihe von ZeugInnen benannt
hat, wurde die Verhandlung verschoben
12 Mar 2023
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Bernd Müllender
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