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       # taz.de -- Galeria-Karstadt-Kaufhof Insolvenz: Von Anfang an ein schlechter Deal
       
       > Die Schließung zweier Filialen im Zuge der Warenhausinsolvenz wirft ein
       > zweifelhaftes Licht auf den Deal des Senats mit der Eigentümerin Signa.
       
   IMG Bild: Kaufhaus macht Gewinn, soll aber trotzdem abgerissen werden: Karstadt in der Wilmersdorfer Straße
       
       Berlin taz | Es ist ein Satz, der nicht gut gealtert ist: „Angestrebt ist
       eine Sicherung des Standorts für mindestens zehn Jahre.“ Das steht in der
       Letter of Intend genannten Absichtserklärung, die der damals noch
       rot-rot-grüne Senat im August 2020 mit Signa, Eigentümerin des
       Warenhauskonzerns Galeria-Karstadt-Kaufhofs, schloss. Mit der Formulierung
       gemeint sind die Filialen am Leopoldplatz und in der Wilmersdorfer Straße,
       bei denen [1][seit Montag endgültig fest steht], dass sie zum Anfang
       nächsten Jahres schließen werden.
       
       Mit der Schließung von zwei der insgesamt neun Filialen kommt Berlin
       vergleichsweise glimpflich davon. Bundesweit sollen insgesamt 52 Filialen
       schließen. Laut Einzelhandels-Expert:innen rangierten auch die Filialen in
       Spandau und das erst kürzlich eröffnete Warenhaus in Tegel relativ weit
       oben auf der Abschussliste des Insolvenzverwalters. Das es ausgerechnet die
       beiden Filialen sind, die Gegenstand des umstrittenen Deals mit Signa
       waren, hinterlässt jedoch einen bitteren Beigeschmack. „Signa geht es schon
       lange nur um seine Milliardengeschäfte mit Immobilien. Die Galeria- und
       Karstadt-Mitarbeitenden sind Signa völlig egal“, kritisierte Julian
       Schwarze, Sprecher für Stadtentwicklung der Grünenfraktion auf Twitter.
       
       Kurz nach Ausbruch der Pandemie [2][meldete Galeria Karstadt Kaufhof das
       erste Mal Insolvenz an] – erst ein Jahr zuvor fusionierte René Benko, der
       österreichische Milliardär, der hinter Signa die Fäden zieht, die beiden
       angeschlagenen Kaufhauskonzerne. Schon damals sollten sechs Berliner
       Filialen schließen. Durch den Letter of Intend konnte der Senat mehrjährige
       Bestandsgarantien herausschlagen.
       
       ## Baurecht gegen Arbeitsplätze
       
       Im Gegenzug sicherte der Senat Signa zu, dem Immobilienunternehmen bei drei
       umstrittenen Großprojekten am Hermannplatz, am Kurfürstendamm und am
       Alexanderplatz entgegenzukommen.
       
       „In dem Moment, wo die Stadt nicht aktiv in die Planung eingreift, erfüllt
       sie Investorenwünsche“, kritisiert Katalin Gennburg, Sprecherin für
       Stadtentwicklung der Linksfraktion, das Verhalten des Senats.
       
       Ende des Jahres laufen nun die Bestandsgarantien bei den Standorten
       Wilmersdorfer Staße und Leopoldplatz aus, für den darauffolgenden Monat
       kündigte Galeria die Schließung an. Besonders bitter ist, dass die Filialie
       in der Müllerstraße am Leopold nach Aussage des Mutterkonzerns Signa
       eigentlich nur umgebaut werden soll. Das Unternehmen will das Gebäude
       komplett entkernen und in eine „Mixed-Use-Immobilie“ verwandeln. Neben
       Büros und Wohnungen soll nach den geplanten vier Jahren Bauzeit auch eine
       Galeria-Filiale dort wieder einziehen. Den etwa rund hundert Beschäftigten
       soll aber trotzdem gekündigt werden.
       
       Auch in der [3][Wilmersdorfer Straße ist die Situation ähnlich], nur dass
       hier die Eigentümerin nicht Signa ist, sondern ein anderes
       Immobilienunternehmen, das die Filiale abreißen und durch einen
       profitableren Neubau ersetzen will. Pikant: Signa soll schon vor Abschluss
       des LOIs von den Abrissplänen des Eigentümers gewusst haben. Auch hier
       scheint eine Weiterbeschäftigung der Arbeiter:innen für Signa nicht
       infrage zu kommen.
       
       ## Kaum eine Vereinbarung eingehalten
       
       „Es wäre kein Problem, die Beschäftigten auf die sieben verbliebenen
       Filialen zu verteilen“, kritisiert Conny Weißbach von der
       Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gegenüber der taz. Letztendlich würde
       sich Signa nur selbst mit der Entscheidung schaden, wenn es in ein paar
       Jahren angesichts des Fachkräftemangels keine Verkäufer:innen mehr
       finden wird, mutmaßt Weißbach.
       
       Bis auf die Mindestdauer der Bestandsgarantien hielt Signa bisher kaum eine
       Vereinbarung aus dem LOI ein. So hatte das Immobilienunternehmen etwa
       zugesichert, 45 Millionen in die vier geretteten Standorte zu investieren –
       doch passiert ist bislang aber nichts.
       
       Auch das Masterplanverfahren, mit dem die Zivilgesellschaft an der
       Entwicklung des Karstadts am Hermannplatz einbezogen werden sollte,
       entpuppte sich schnell als Farce. Bevor das Verfahren im November 2021
       startete, hatte der Senat das Bebauungsplanverfahren an sich gezogen und
       somit die Einflussnahme der Zivilgesellschaft verunmöglicht. „Es war von
       Anfang an völlig klar, dass Benko ein schlechter Partner ist“, urteilt
       Gennburg.
       
       14 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jonas Wahmkow
       
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