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       # taz.de -- Eintracht-Frankfurt-Fans ausgeschlossen: Grotesker Angriff auf Grundrechte
       
       > Eintracht-Fans aus Frankfurt dürfen nicht ins Stadion von Neapel – aus
       > Sicherheitsgründen. Die Alarmstimmung in der Stadt ist nun besonders
       > groß.
       
   IMG Bild: Polizeieinsatz in Neapel: Trotz aller Abschreckung versammeln sich Frankfurter Fans in der Stadt
       
       Eintracht Frankfurt hat den Kampf aufgegeben. Vor dem
       Champions-League-Rückspiel an diesem Mittwoch in Neapel kündigte der Verein
       seinen Verzicht auf das ihm eigentlich zustehende Kontingent von 2.700
       Gästetickets an. Man wolle „niemanden vor Ort der offensichtlichen Gefahr
       behördlicher Willkür aussetzen“, hieß es.
       
       Vor einer Woche hatte das italienische Innenministerium einen Ausschluss
       aller Eintracht-Fans von dem Spiel verkündet. Es soll sogar Überlegungen
       gegeben haben, ein Betretungsverbot deutscher Staatsbürger in Neapel zu
       verhängen. Nach einem Einspruch von Eintracht Frankfurt erklärte ein
       Verwaltungsgericht in der süditalienischen Stadt den Beschluss für
       ungültig. Am Sonntag hatte die Präfektur von Neapel dann eine weitere
       kuriose Idee. Erneut wurde ein Bann ausgesprochen – dieses Mal allerdings
       ausschließlich für Gästefans, die einen Wohnsitz in Frankfurt haben.
       Erneutes Klagen dagegen blieb erfolglos.
       
       Es geht in diesem seit einer Woche schwelenden Konflikt um weit mehr als um
       ein Fußballspiel und um die Möglichkeit der Teilhabe. Die Frage ist
       vielmehr, wie sehr Grundrechte europäischer Bürger beschnitten werden
       dürfen. Eigentlich ist seit dem Ausbruch der [1][Coronapandemie das
       Grundrechtsbewusstsein] größer denn je. Viele trieb die Frage um, wann
       Einschränkungen von Grundrechten berechtigt sind.
       
       Das Grundgesetz sieht etwa Reisebeschränkungen nur in absoluten
       Ausnahmefällen zur Bekämpfung von Seuchengefahren und Naturkatastrophen
       vor. Fußballfans, das zeigt der aktuelle Fall von Neapel, scheinen für
       viele Gesetzeshüter so etwas Ähnliches wie eine Naturkatastrophe zu sein,
       gegen die man alle zur Verfügung stehenden Mittel probeweise einmal in
       Stellung bringen kann. Denn Widerstand kommt ohnehin meist nur von den
       Betroffenen.
       
       ## Kollektive Haftung
       
       In Italien sind derlei pauschale Verfügungen gegen Auswärtsfans in der
       heimischen Serie A gang und gäbe. Als Erfolgsmodell kann man die Maßnahmen
       nicht gerade bezeichnen. Näher liegt die Frage, ob das virulente
       Gewaltproblem in der Liga durch derartige repressive Methoden staatlicher
       Behörden nicht eher befördert denn eingedämmt wird.
       
       Dem italienischen Bann gegen die Eintracht vorausgegangen waren gewaltsame
       Auseinandersetzungen beim Hinspiel, die nach Angaben der Frankfurter
       Polizei durch den Einsatz von Pfefferspray zügig beendet wurden und zu 35
       Festnahmen führten. Kollektivstrafen sieht die Rechtsprechung in
       demokratischen Staaten eigentlich nicht vor. Menschen, so der Grundgedanke
       dahinter, sollten für das Verhalten anderer nicht haftbar gemacht werden.
       Derlei Differenzierungen finden aber auch hierzulande erstaunlich viele
       lästig, wenn es um Fußballfans geht.
       
       Es besteht ein problematisch selektives Verständnis von Freiheitsrechten.
       Die Süddeutsche Zeitung etwa verteidigte den Ausschluss der deutschen Fans
       und schrieb gar generell von einer „militanten Frankfurter Anhängerschaft“.
       Dass nun eine immens [2][große Zahl friedlicher Fußballanhänger] kollektiv
       dafür unter anderem mit ihren Ferientagen, Flug- und Hotelkosten dafür
       haften wird, wird dagegen offenbar für ein vernachlässigbares Unrecht
       gehalten.
       
       Besonders grotesk erscheint der [3][Angriff auf die Freiheitsrechte], weil
       die Alarmstimmung in Neapel um keinen Deut geringer ausfällt. Es wird
       befürchtet, dass gerade die gewaltbereiten Frankfurter Fans nun erst recht
       anreisen. Die Medien vor Ort berichten von verstärkten Sicherheitsmaßnahmen
       und der großen Angst vor Krawallen. Dario Minden aus dem Vorstand der
       Frankfurter Fanabteilung bestätigt diese Einschätzungen:
       „Realistischerweise wird Neapel trotz aller Bemühungen keine frankfurtfreie
       Zone sein. Die Gefahrenlage ist durch die vermeintlichen
       ‚Sicherheitsmaßnahmen‘ größer geworden.“ Die Polizei kann sich auf eine
       besonders aggressive Stimmung gefasst machen. Aber vielleicht versteht man
       das mittlerweile als eine gute Übung.
       
       15 Mar 2023
       
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