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       # taz.de -- Keine Lust aufs Arbeiten: Ich bin, also bin ich
       
       > Das Internet macht die Jungen schlapp und die Alten fit.
       > Work-Life-Balance in Zeiten des WWW.
       
   IMG Bild: Am liebsten von Sofa aus: Arbeiten in den 20er Jahren
       
       Junge Leute haben einfach keine Lust aufs Arbeiten!“, sagt eine Frau beim
       Boulen an der Apostelkirche zu ihren Freundinnen.
       
       „Habt ihr noch immer niemanden gefunden?“, fragt eine andere.
       
       „Drei luden wir zum Gespräch! Nr. 1 sagte ab, weil ihr Ohrloch entzündet
       war, Nr. 2 wegen eines eingewachsenen Nagels, Nr. 3 aufgrund von
       Schlafstörungen wegen des Ukraine-Kriegs.“
       
       „Meine Praktikantin war trotz Überbezahlung jeden Monat ein paar Tage
       krank. Als ich sie bat, Kartons mit mir hochzutragen, schlug sie vor, wir
       sollten Karton für Karton im Lauf der Woche mit hochnehmen, immer wenn wir
       ohnehin dran vorbeikämen, um uns nicht zu überlasten.“
       
       „Mein Auszubildender hat nach drei Wochen abgebrochen, weil er erst mal gar
       nichts machen wollte, um seine individuelle erwachsene Balance zu finden.“
       
       „Eine 20-Jährige hat neulich noch vor der Mittagspause gesagt, sie müsse
       mal kurz weg, wegen [1][Raum für ihre Selbst-Achtsamkeit], ist nie wieder
       aufgetaucht.“
       
       „Der Elektriker hat erzählt, sein Azubi fand den [2][ökologischen
       Fußabdruck] der Firma nicht gut genug, hat deshalb aufgehört.“
       
       „Der beste Freund meiner Tochter hat sein Studium abgebrochen, weil er es
       selbstentfremdend fand, so viele lange Texte lesen und verstehen zu müssen.
       Jetzt hat er einen ‚Philosophie für die Hosentasche‘- Kanal auf Youtube.“
       
       „Sie wollen einen Job vom Balkon, Bad oder Bett aus.“
       
       „Im Liegen.“
       
       „Beim Posen.“
       
       „Und Selbstentfalten.“
       
       „Sie wollen die Welt und ihr Kissen gleichzeitig umarmen.“
       
       „Als Globetrotter-Stubenhocker-Hybride.“
       
       „Meine Tochter unterschreibt ständig Petitionen und stimmt den ganzen Tag
       über bei irgendwelchen Umfragen ab, von Politik bis Promiflash, davon sei
       sie voll erschöpft, aber auch erfüllt. Sie nennt sich Lazy Activist, ganz
       ohne Scham.“
       
       „Mein Sohn macht jetzt statt Studium einen Couple-Podcast mit seiner neuen
       Freundin.“
       
       „Mein Sohn kommentiert den ganzen Tag Beiträge anderer in positiver Art und
       sagt, sein [3][Karma-Konto sei dadurch konstant über null, er bekomme das
       aber auch ganz konkret mit Likes zurück].“
       
       „Was ist mit Geld verdienen?“
       
       „Meine Tochter hat neulich gesagt, Cheyenne Ochsenknecht verdiene Minimum
       dreißigtausend Euro im Monat, nur mit Schönheit und Schwangerschaft.“
       
       „Na, immerhin finanziell besser als in den 60ern!“
       
       „Eine bunte App als Sugardaddy.“
       
       Zwei rauchende Rentner mischen sich ein:
       
       „Also wir sind stets auf Achse, wie die Lachse!“
       
       „Mit [4][Ernährung und Bewegung] kann man so viel machen, dass selbst das
       eine oder andere Zigarettchen drin ist!“
       
       „Dank Internet wissen wir jetzt wirklich alles über unsere Körper!“
       
       „Geist und Seele!“
       
       „Wir sind auf Trab mit Meditation, Omega 3, Ballaststoffen, Me-Time,
       Dating, Darmgesundheit, Schrittekonto und den tollsten Tanzchallenges!“
       
       „Wir sind mittlerweile wieder so munter und vital, wir arbeiten Teilzeit in
       unseren alten Jobs!“
       
       „Der Chef hat geheult, als wir ja gesagt haben!“
       
       „Wir sind doch nicht von gestern, haha!“
       
       „Sie meinen, das Internet macht die Alten von heute zu den Jungen von
       gestern?“
       
       „Normal!“
       
       „70 ist das neue 20!“
       
       19 Mar 2023
       
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