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       # taz.de -- Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland: Bundesregierung beruft Kommission
       
       > Das Abtreibungsrecht ist eines der heikelsten politischen Themen. Eine
       > Kommission soll prüfen, ob es Regelungen außerhalb des Strafrechts geben
       > soll.
       
   IMG Bild: Streitfall Paragraph 218: Der Gesundheitsminister erwartet eine emotionale Debatte
       
       Berlin epd | In der Debatte um eine [1][mögliche Regelung des
       Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts] hat die Bundesregierung
       eine Expertenkommission berufen. Wie ein Sprecher des
       Bundesgesundheitsministeriums am Dienstag bestätigte, [2][sind 18
       Expertinnen und Experten aus den Bereichen Ethik, Medizin und Recht berufen
       worden]. Die weit überwiegende Mehrheit der Mitglieder, nämlich 15, sind
       Frauen, darunter die frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats,
       Christiane Woopen. Die Kommission werde zeitnah ihre Arbeit aufnehmen, hieß
       es.
       
       SPD, Grüne und FDP hatten während der Koalitionsverhandlungen keine
       Entscheidung darüber getroffen, ob der zunehmend [3][umstrittene Paragraf
       zum Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden
       soll]. Vereinbart wurde im Koalitionsvertrag, eine „Kommission zur
       reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ einzusetzen, die
       eine Regulierung für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des
       Strafgesetzbuches prüfen soll. Die Kommission soll sich zudem mit
       Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaften
       befassen.
       
       Dem Gremium gehören als Expertinnen und Experten aus der Medizin neben
       Woopen die Sexualwissenschaftlerin Maika Böhm, die Ärztinnen Stephanie
       Wallwiener und Katharina Hancke, der Psychologe Bernhard Strauß und die
       Medizinethikerin Claudia Wiesemann an. Berufen wurde zudem die Biologin
       Sigrid Graumann, die dem aktuellen Ethikrat angehört. Zu den Expertinnen
       und Experten für Verfassungsrecht in dem Gremium gehören Frauke
       Brosius-Gersdorf, Paulina Starski, Friederike Wapler und die
       Vizepräsidentin des Staatsgerichtshofs in Hessen, Ute Sacksofsky.
       
       Für den Bereich Recht wurden zudem die Präsidentin des Deutschen
       Juristinnenbunds, Maria Wersig, die Strafrechtlerinnen Bettina Weißer und
       Liane Wörner, Susanne Lilian Gössl und der Familienrechtler Tobias Helms
       berufen. Zudem werden dem Gremium die Gesundheitswissenschaftlerin und
       Sozialforscherin Daphne Hahn sowie der Medizinrechtler Jochen Taupitz
       angehören. Die Mitglieder sind ausschließlich Professorinnen und
       Professoren.
       
       ## Lauterbach: gesellschaftlich respektierten Konsens erzielen
       
       Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte dem „Spiegel“ vorab,
       ihm sei bewusst, dass [4][mit der Kommission eine „emotionsgeladene
       Diskussion“ angestoßen werde]. Ziel des Prozesses sei es, alle Seiten
       mitzunehmen und „zu einem gesellschaftlich respektierten Konsens zu
       kommen“.
       
       Auch im Kabinett scheint das Thema umstritten. [5][Bundesfamilienministerin
       Lisa Paus (Grüne)] hatte wiederholt deutlich gemacht, dass sie für eine
       Streichung des Paragrafen ist, weil nach ihrer Auffassung das Strafrecht
       nicht der richtige Ort dafür ist. Aus dem Haus von Bundesjustizminister
       Marco Buschmann (FDP) kamen dagegen verfassungsrechtliche Vorbehalte. Die
       jetzige Regelung im Strafrecht geht wesentlich auf Urteile des
       Bundesverfassungsgerichts zurück.
       
       Ob eine Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode realistisch ist,
       hängt auch davon ab, wie lange sich die Kommission für die Beratungen Zeit
       nimmt. Dazu wurden am Dienstag noch keine Angaben gemacht. Der Paragraf 218
       im Strafgesetzbuch verbietet grundsätzlich den Schwangerschaftsabbruch.
       Eine Abtreibung bleibt aber straffrei, wenn sie innerhalb der Frist von
       drei Monaten erfolgt und die schwangere Frau eine Beratung in Anspruch
       genommen hat.
       
       Erlaubt ist ein Schwangerschaftsabbruch zudem nach einer Vergewaltigung und
       wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. Kritikerinnen der aktuellen
       Regelung sehen die Rechte von Frauen durch Paragraf 218 eingeschränkt. Die
       Ampel-Koalition hatte im vergangenen Jahr bereits den Paragrafen 219a, der
       Werbung für Abtreibung verboten, damit aber auch die Möglichkeit zur
       Information eingeschränkt hatte, abgeschafft.
       
       28 Feb 2023
       
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