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       # taz.de -- Biologe Michael Succow über Moorschutz: „Moore müssen wachsen“
       
       > Deutschlands Moore sind gefährdet. Michael Succow und Lebrecht Jeschke
       > haben in einem Bildband das Schicksal dieser Kulturlandschaft
       > beschrieben.
       
   IMG Bild: Morgenstimmung im Moor
       
       taz: Herr Succow, was ist für Sie das schönste Moor in Deutschland? 
       
       Michael Succow: Die Loisachmoore am Rande der Kalkalpen mit dem Pfrühlmoos
       und dem Murnauer Moos. Das sind die schönsten, wertvollsten, ungestörtesten
       Moore, die wir in Deutschland noch haben. Das Pfrühlmoos, ein Regenmoor,
       zeigt noch eine ungeheure Wüchsigkeit.
       
       Ihr neues Buch über die Moore in Deutschland ist ein umfassender Überblick
       über den Wert und den Zustand der Moore. 
       
       Auf den Landflächen der Erde bedecken die noch wachsenden Moore eine Fläche
       von 3 bis 4 Prozent. In Deutschland waren es ursprünglich weit über 10
       Prozent der Landfläche. Aktuell liegt die Gesamtmoorfläche Deutschlands bei
       etwa 1.280.000 Hektar, was nur noch 3,6 Prozent der Gesamtfläche
       entspricht. Davon sind nur noch etwa 50.000 Hektar, also circa 4 Prozent,
       wachsend und damit torfspeichernd. Alle anderen Moore sind entweder durch
       die Torfindustrie abgebaut oder für den Ackerbau entwässert. Im Westen wie
       im Osten Deutschlands wurden die Moore drei Jahrhunderte lang mit
       zunehmender Intensität entwässert, um daraus Grünland zu gewinnen und
       Ackerbau zu betreiben. Das war das Aus der großen Moorlandschaften
       Deutschlands.
       
       Auf welche Weise nützen Moore dem Klima? 
       
       Moore sind ganz besondere Ökosysteme. Die an permanente Nässe angepassten
       Moorpflanzen nehmen das CO2 aus der Luft auf, um ihr Kohlenstoffgerüst
       aufzubauen. Daraus wird dann im sauerstofffreien Wurzelbereich Torf. So
       sind Moore die effizienteste CO2-Senke auf den Landflächen unserer Erde.
       Sie bergen trotz ihres geringen Flächenanteils noch immer ein Drittel des
       terrestrischen Kohlenstoffs.
       
       Sie sagen: „Moor muss nass sein“, aber der Grundwasserspiegel sinkt. 
       
       Durch unseren ständig steigenden Wasserverbrauch und den sich
       beschleunigenden Klimawandel ist in weiten Teilen der Erde nicht mehr genug
       Süßwasser vorhanden, um Moore wachsen zu lassen. Das Schlimmste ist aber,
       dass beim künstlichen Entwässern Sauerstoff in den Torfkörper dringt und
       sich der Torf in kurzer Zeit zersetzt. Der freiwerdende Kohlenstoff geht
       wieder als CO2 in den Himmel und belastet damit unser Klima.
       
       Was ist sonst noch wichtig für die Ökologie der Moore? 
       
       Moore speisen sich aus der sie umgebenden Landschaft. Die
       hochspezialisierten Moorpflanzen benötigen Wasser, nährstoffarme
       Bedingungen und viel Sonnenlicht. Torfmoose leben vom Licht, sie brauchen
       offene Landschaften, ohne Konkurrenz durch Bäume, Gehölz oder hochwüchsige
       Pflanzen. Wenn aber viele Nährstoffe verfügbar sind, und das ist heute in
       unserer Kulturlandschaft die Regel, dann wachsen schnell Gehölze und
       Hochstaudenfluren mit hohem Eigenwasserbedarf auf. Torfbildende Pflanzen
       wie Moose und Kleinseggen haben keine Chance. Die Überernährung der
       Landschaft macht den Mooren das Leben schwer.
       
       Schlechte Aussichten, denn der Druck der Agrarindustrie auf die Landschaft
       wächst. Oder sehen Sie das anders? 
       
       Das ist eines unserer großen Probleme. Niedersachsen hatte den höchsten
       Mooranteil, durch die Nordseenähe genug Wasser aus dem Niederschlag und in
       der Urlandschaft kaum Nährstoffe. So wuchsen die Moore bis zu 12 Meter hoch
       und bedeckten fast ein Drittel der Landschaft. Diese Moore wurden
       inzwischen weitestgehend abgebaut, zunächst als Brennstoff, später für
       gärtnerische Erden. Vor allem durch die industrielle Massentierhaltung und
       die agrarindustrielle Flächennutzung, aber auch die dichte Besiedlung und
       den Autoverkehr ist die Nährstofflast hier besonders hoch. Damit wird es
       immer schwerer, wieder wachsende Moosmoore mit ihrer von Nährstoffarmut
       geprägten Vegetation aufzubauen. Selbst wenn der Torfabbau eingestellt und
       die Abbauflächen wieder vernässt werden.
       
       Inzwischen werden bundesweit millionenschwere Programme bereitgestellt, um
       Moore wieder zum Wachsen zu bringen. Ist das vielversprechend? 
       
       Ja, wenn es gelingt, die Grundwasserbildung in den Ackerlandschaften rund
       ums Moor wieder gesunden zu lassen. Ökologischer Landbau leistet hier gute
       Dienste. Wenn man Moore wieder revitalisieren will, müssen die sie
       umgebenden Mineralbodenstandorte Pufferzonen sein, um die Nährstofflast
       herauszufiltern.
       
       Gibt es bereits Erfolge? 
       
       Ja, die gibt es. Darüber bin ich sehr glücklich. Die aktuelle
       Bundesregierung hat das „[1][Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz]“
       verabschiedet. [2][Das Programm] ist beispielhaft auch für Europa. Und das
       Stichwort „Natürlicher Klimaschutz“ macht klar, dass Moore für den
       Klimaschutz einen wichtigen Beitrag leisten. Und das heißt: Moore müssen
       wachsen.
       
       Beeinflusst die Politik über diese einzelnen Programme hinaus die
       zukünftige Entwicklung der Moore? 
       
       Es ist wohltuend zu erleben, dass ökologische Leistungen, die die Natur
       „ohne uns für uns“ erbringt, inzwischen mehr in Wert gesetzt werden. Wir
       Steuerzahler sind zunehmend bereit, das mitzufinanzieren. Bisher wurde
       allein der Flächenbesitz honoriert. Da setzt ein Umdenken ein und
       ökologisch wirtschaftende Betriebe werden endlich für ihre
       Gemeinwohlleistungen belohnt. Dennoch wird immer noch die Landwirtschaft
       auf entwässerten Moorböden subventioniert. Bei den Förderprogrammen für
       ökologische Leistungen geht es nur um den Verzicht auf Mineraldünger und
       Pflanzenschutzmittel. Die Frage des Wasserhaushaltes bleibt
       unberücksichtigt. Die nasse Bewirtschaftung von Mooren wird noch nicht
       genügend gefördert.
       
       Es tut sich also was in der Subventionspolitik? 
       
       Ja, endlich! Der Landwirt, unter dessen Acker sich trinkfähiges Grundwasser
       in Menge und Güte bildet, muss dafür belohnt werden. Trinkbares Grundwasser
       ist ein Lebensmittel und ein immer knapper werdendes Gut. Wir müssen
       deshalb auf den ökologischen Landbau setzen. Also auf eine klimaneutrale,
       humusaufbauende Landwirtschaft ohne Gifte. Auch müssen wir eine naturnahe
       Waldbewirtschaftung zur Regel machen. Dabei spielt die Umwandlung der
       Nadelforste in Laubwälder eine wichtige Rolle. Denn unter Laubwäldern, die
       nur im Sommer Wasser verbrauchen, kann der Grundwasserkörper stabilisiert
       werden.
       
       Welche Moore sind in Deutschland zukunftsfähig? 
       
       Es gibt zwei Regionen, die noch gute Potenziale für Moorbildung haben. Das
       ist zum einen der direkte Alpenrand, eine Jungmoränenlandschaft mit vielen
       Mooren und Seen, die durch hohe Niederschläge und besonders kalkreiches
       Wasser gespeist werden. Hier ist auch die Stickstoffbelastung
       vergleichsweise gering. Und zum anderen das nordostdeutsche Tiefland mit
       seinen Flusstalmooren, die meist auf Höhe des Ostseespiegels liegen. Dieser
       steigt seit Jahrtausenden leicht, zukünftig vielleicht noch stärker.
       Dadurch haben diese Moore eine Zukunft. Auch in Brandenburg gibt es in den
       Waldlandschaften Räume, wo noch Moore wachsen. Ein spezielles
       Waldmoorprogramm der Landesregierung hat viele der einst entwässerten Moore
       wieder zum Wachsen gebracht. Allein im Biosphärenreservat
       Schorfheide-Chorin sind es über hundert Moore. Das funktioniert vor allem
       bei den vielen kleinen Kesselmooren in Laubwäldern mit noch ausreichend
       Wasserzulauf gut.
       
       17 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.gabot.de/ansicht/natuerlicher-klimaschutz-viel-moor-im-aktionsprogramm-419666.html
   DIR [2] https://www.bmuv.de/download/entwuerfe-zum-aktionsprogramm-natuerlicher-klimaschutz
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Edith Kresta
       
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